Braunschweig. In Braunschweig soll eine Antidiskriminierungsstelle eingerichtet werden. Einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke stimmte der Rat der Stadt in seiner Sitzung am Dienstag mehrheitlich zu. Zunächst soll eine Arbeitsgruppe gegründet werden. Die notwendigen finanziellen Mittel sollen in den Haushaltsplan 2021 eingestellt werden.
Wie bereits berichtet sollen die Ergebnisse der „Demokratiekonferenz 2019 – Diskriminierung (k)ein Thema in Braunschweig?!“ in die Arbeit mit eingebunden werden. Eine weitere Konkretisierung des Themas „Antidiskriminierungsarbeit in der Stadt Braunschweig“ soll durch die neue Arbeitsgruppe vorgenommen werden, die laut Beschluss im April zum ersten Mal zusammen kommen soll. Ob dies in der aktuellen Situation überhaupt möglich ist, muss sich noch zeigen, erklärt SPD-Ratsherr Frank Flake auf Nachfrage. Es sei zwar denkbar, dies über alternative Kommunikationsformen durchzuführen, allerdings müsse auch seitens der Sozialverwaltung die nötige Zeit dafür vorhanden sein. Und diese habe derzeit mit der Corona-Krise viel zu tun.
"Ein wichtiges Zeichen für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft"
In der Sitzung am Dienstag hatten sich die Fraktionen geeinigt, auf Wortbeiträge zu verzichten. Doch per Pressemitteilung äußerten sich einige Fraktionen. Nils Bader, integrationspolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion, begrüßt die Entscheidung. „Mit dem heutigen Beschluss legen wir die Grundlage für eine möglichst breit aufgestellte Antidiskriminierungsstelle in Braunschweig: Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft oder sexuellen Orientierung diskriminiert werden, muss unbürokratisch und schnell geholfen werden können", betont Bader. Eine externe Begleitung werde sicherstellen, dass diese neue Anlaufstelle in den kommenden Monaten zügig auf den Weg gebracht werden könne. "Für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist das ein wichtiges Zeichen“, so Bader abschließend.
Mit dem Ratsbeschluss habe man den Weg zu einer zentralen Antidiskriminierungsstelle in Braunschweig geebnet, erklärt Ratsfrau Lisa-Marie Jalyschko für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Insbesondere für von Rassismus betroffene Menschen soll diese Antidiskriminierungsstelle ein Anlaufpunkt sein. "Wir erkennen damit auf kommunaler Ebene unsere Verantwortung für antirassistische Arbeit im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes an. Der kommende Entwicklungsprozess soll dazu dienen, die Ergebnisse der Demokratiekonferenz im November 2019 aufzugreifen", so Jalyschko weiter. Bei dem nun beschlossenen interfraktionellen Antrag sei den Frünen besonders wichtig gewesen, dass durch die Einstellung der benötigten Gelder in den Haushalt 2021 die Finanzierung der Umsetzung bereits im kommenden Jahr gesichert sei.
"Antidiskriminierungsstelle schafft Parallelstruktur"
Die CDU-Ratsfraktion hält eine kommunale Antidiskriminierungsstelle in der Verwaltung der Stadt für nicht zielführend und hat den Antrag daher abgelehnt. Bei Verstößen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz seien in erster Linie Strafverfolgungsbehörden und bereits zahlreich existierende Präventionsprogramme auf ziviler und beruflicher Ebene zuständig. „Es gibt in der Stadt bereits ein sehr gut aufgestelltes Ideen- und Beschwerdemanagement, an das sich betroffene Bürgerinnen und Bürger wenden können, wenn sie sich zum Beispiel bei städtischen Behördengängen diskriminiert fühlen. Bei Diskriminierungen im Berufsleben oder bei Beleidigungen auf offener Straße kümmern sich Polizei und Staatsanwaltschaft um die Anzeigen. Wir sehen da für die städtische Verwaltung keine weitreichendere Zuständigkeit, die die Einrichtung einer zusätzlichen Antidiskriminierungsstelle rechtfertigen würde“, begründet Thorsten Wendt, Vorsitzender des Ausschusses für Integrationsfragen im Rat der Stadt, die Ablehnung seiner Ratsfraktion.
„Angesichts des laufenden Abwägungsprozesses zur Haushaltsoptimierung bei der Stadt Braunschweig mit den weitreichenden und teilweise für die Bürgerinnen und Bürger schmerzhaften Kürzungsvorschlägen halten wir es auch unter finanziellen Aspekten für nicht vertretbar, eine Antidiskriminierungsstelle zu schaffen und damit teilweise sogar kommunale Parallelstrukturen aufzubauen“, argumentiert Wendt. Es sei völlig unklar, welche Kompetenzen eine solche Stelle überhaupt haben solle und ob sie überhaupt in irgendeiner Form sanktionieren könne. Die CDU halte nichts von wohl gut gemeintem, aber in letzter Konsequenz doch nicht durchdachtem Aktionismus.
"Eine sehr kleine Zahl von Intensivtätern"
Auch die AfD sieht die Antidiskriminierungsstelle kritisch. "In Hannover gibt es eine Anlaufstelle wie die ursprünglich beantragte schon seit 20 Jahren. Trotz angeblich zuletzt stark ansteigender Meldungen gab es dort zuletzt eine Fallzahl von knapp über 100 Vorgängen im Jahr, also rechnerisch zwei pro Woche", berichtet Fraktionsvorsitzender Stefan Wirtz. In Braunschweig sei mit deutlich kleineren Zahlen zu rechnen, zumal hier bekannt sei, dass die Mehrzahl von Straftaten durch eine sehr kleine Zahl von Intensivtätern aus dem Umfeld der Jungen Nationalisten begangen würde. Polizei, Justizvollzug und etablierte Opferbetreuung seien gefragt. Daher habe die AfD-Fraktion gegen den geplanten Aufwand mit einem Arbeitskreis und möglicherweise später fest angestellten, aber kaum beschäftigten Kräften gestimmt.
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