Sichere Landungen ohne Navigationshilfen am Boden


Fly-by-Wire Forschungsflugzeug DA42 der TU München bei einer automatischen Landung in Wiener Neustadt. Foto: Andreas Dekiert
Fly-by-Wire Forschungsflugzeug DA42 der TU München bei einer automatischen Landung in Wiener Neustadt. Foto: Andreas Dekiert | Foto: Andreas Dekiert

Braunschweig. Die Technische Universität Braunschweig und die Technische Universität München haben gemeinsam mit dem Flugzeughersteller Diamond Aircraft Industries GmbH (DAI) erstmals vollautomatische Landungen mit optisch-unterstützter Navigation demonstriert. Dies teilt die Technische Universität Braunschweig mit.


Am DAI-Heimatflughafen in der Wiener Neustadt flog das Fly-by-Wire-Forschungsflugzeug, eine modifizierte Diamond DA42, erfolgreich komplett automatische Anflüge und Landungen. Das Flugführungssystem der TU München verwendete dabei Sensorik der TU Braunschweig, die die primäre satelliten-basierte Positionsbestimmung des Flugzeugs mithilfe eines bordautonomen Kamerasystems online überwacht.

Vollautomatische Landungen in der kommerziellen Luftfahrt werden heutzutage nur bei sehr schlechten Sichtbedingungen und unter Einsatz aufwendiger Bodeninfrastruktur durchgeführt. Ohne solche Systeme am Boden können Flugzeuge per Autopilot mit Satellitennavigation nur bis zu einer Minimalhöhe von 200 Fuß (etwa 60 Meter) an die Landebahn herangeführt werden. Ab dieser Höhe muss der Pilot die Relativortung, Flugzustandsbestimmung und Steuerung des Flugzeuges übernehmen und die Landung selbständig durchführen.

Automatische Landungen für Luftverkehr attraktiv


Dennoch sind automatische Landungen sowohl für die kommerzielle als auch für die allgemeine Luftfahrt sehr attraktiv, für unbemannte Flugsysteme teilweise sogar unverzichtbar – insbesondere wenn dabei auf teuere Infrastruktur am Boden verzichtet werden kann. Eine präzise Ortung, Regelung und zuverlässige Integritätsüberwachung sind dabei unabdingbar. Im Rahmen des Forschungsprojektes „C2Land“ haben Forscherinnen und Forscher der TU Braunschweig und der TU München ein Landesystem entwickelt, mit dem diese Anforderungen erfüllt werden können.

Dazu wurde die konventionelle satellitengestützte Navigation um ein optisches System erweitert. Mit Kameras, die im sichtbaren und im infraroten Bereich operieren, sowie mit speziell entwickelten Bildverarbeitungsverfahren wird die Landebahn optisch detektiert und die Relativposition des Flugzeugs bestimmt. Mithilfe optischer Ortung wird eine unabhängige bordautonome Integritätsüberwachung des satellitengestützten Navigationssystems – insbesondere unterhalb der bisher gültigen Minimalhöhe von 200 Fuß – sichergestellt. „Die Optik erkennt die Landebahn schon in großer Entfernung zum Flugplatz. Das Landesystem führt das Flugzeug dann mit der optisch-unterstützten Navigation entlang des Anflugs und landet es präzise auf der Bahnmittellinie“, berichtet DAI-Testpilot Thomas Wimmer, der das automatische Landesystem im Forschungsflugzeug DA42 der TU München bei den finalen Demonstrationsflügen getestet hat.

Flugerprobung des Navigationssystems mit dem Forschungsflugzeug der TU Braunschweig


Mehrere Flugversuchskampagnen wurden auch mithilfe des institutseigenen Forschungsflugzeuges Dornier Do 128-6 am Forschungsflughafen Braunschweig durch das Institut für Flugführung (IFF) vorab zur Erprobung durchgeführt. Verschiedene Landeanflüge wurden zunächst manuell geflogen, um mit den aufgezeichneten Daten anschließend die Bildverarbeitungsgorithmen zu entwickeln und zu validieren.

Damit knüpft das IFF an jahrezehntelange Bemühungen zur Steigerung der Sicherheit und Effektivität im Luftverkehr an. Denn schon im Jahre 1989 hat das Institut die weltweit erste vollautomatische Landung basierend auf Satellitennavigation durchgeführt. Es folgten Entwicklungen zur Steigerung der Ortungsgenauigkeit satelliten- und inertial-basierter Navigationssysteme. „Mit dem aktuell entwickelten optischen System haben wir die Möglichkeit, komplexe Bildinformation automatisiert zu verarbeiten. Dadurch schaffen wir eine Redundanz in der Positionsbestimmung und tragen so zur Erhöhung des Situationsbewusstseins bei. Dies kann uns helfen, die kritischste Phase eines Fluges – die Landung – noch sicherer zu machen“, sagt Stephan Wolkow, technischer Projektleiter des Forschungsvorhabens „C2Land“.

Über das Forschungsprojekt C2Land


Seit 2013 wird im Rahmen des Projektes „C2Land“, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), an einem neuartigen automatischen Landesystem für die allgemeine Luftfahrt geforscht. Das IFF-Team, bestehend aus Dr. Ulf Bestmann, Stephan Wolkow, Maik Angermann und Andreas Dekiert, hat dafür ein Navigationssystem mit optisch-unterstützter Positionierung entwickelt. Die Flugführungs- und Flugregelungssysteme, die das Flugzeug während der automatischen Landung steuern, wurden am Lehrstuhl für Flugsystemdynamik (FSD) der TU München entwickelt.

Der industrielle Projektpartner f.u.n.k.e. AVIONICS GmbH hat im Rahmen des Projektes ein Cockpit-Display entworfen, mit dem der Pilot das Landesystem bedienen und überwachen kann. Außerdem hat der Projektpartner ein Subsystem zur Kollisionsvermeidung entwickelt, das den Luftraum automatisiert überwacht und bei Kollisionsgefahr mit anderen Verkehrsteilnehmern ein Ausweichmanöver einleitet. Als weiterer Partner hat die messWERK GmbH mit einem Ultraleichtflugzeug die Anwendbarkeit des Konzepts für diese Flugzeugklasse der allgemeinen Luftfahrt untersucht.

Der Flugzeughersteller Diamond Aircraft Industries GmbH hat als assoziierter Projektpartner die Integration und Flugerprobung des Landesystems im Fly-by-Wire-Forschungsflugzeug der TU München unterstützt.


mehr News aus Braunschweig