Tödliche Schüsse: Keine Anklage gegen Polizisten


Hier wurde der 39-Jährige im Oktober erschossen. Archivfoto: aktuell24/Kr
Hier wurde der 39-Jährige im Oktober erschossen. Archivfoto: aktuell24/Kr | Foto: aktuell24/Kr

Braunschweig. Das Ermittlungsverfahren gegen einen Polizeibeamten wegen tödlicher Schüsse im Westlichen Ringgebiet im Oktober vergangenen Jahres wurde eingestellt. Das teilt die Staatsanwaltschaft Braunschweig am heutigen Mittwoch in einer Pressemitteilung mit.


Eine Strafbarkeit des Beamten, welcher bei dem Polizeieinsatz am 28.Oktober in der Gabelsbergerstraße tödliche Schüsse mit seiner Dienstwaffe abgegeben hat, ist nach abschließender Prüfung der Staatsanwaltschaft Braunschweig nicht gegeben. Der später Angeschossene habe nach Auswertung der Zeugenaussagen den eingesetzten Beamten mit ausgestreckter Waffe gegenübergestanden und auf diese gezielt. Er habe, so das Ergebnis der Ermittlungen, darüber hinaus den Schlitten der Waffe wie zum Durchladen zurückgezogen und gegenüber den Beamten sinngemäß geäußert, er werde sie „fertig machen“. Für den Beamtensei demnach der Eindruck entstanden, der später Angeschossene werde unverzüglich einen oder mehrere Schüsse in seine Richtung abgeben.

Keine echte Notwehrlage


Da es sich um eine ungeladene Schreckschusswaffe handelte, bestand zwar keine unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben des Beamten; dies war jedoch für ihn und seine Kollegen vor Ort nicht erkennbar. Wegen der Beschaffenheit der Waffe lag eine echte Notwehrlage im Sinne des Strafgesetzbuches nicht vor, allerdings hat der Beamte eine solche wegen der Gesamtumstände angenommen. In derartigen Irrtumsfällen über das Vorliegen einer Notwehrlage (so genannte „Putativnotwehr“) lässt dieser Irrtum nach den hierzu vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen die Vorsatzschuld entfallen.


Auch eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung komme nach dem Ermittlungsergebnis nicht in Betracht. Essei nach dem Ergebnis der Ermittlungen für den Beamten nicht möglich gewesen, vor Ort zu erkennen, dass der später Angeschossene lediglich eine ungeladene Schreckschusswaffe in der Hand hielt, denn diese sah einer echten Waffe täuschend ähnlich. Im Hinblick auf die akute Angriffssituation durch den Geschädigten konnte es dem Beamten auch nicht zugemutet werden, sich direkt in die Gefahrensituation zu begeben, um die Waffe möglicherweise aus der Nähe weiter untersuchen zu können.

Der Beamte habe auch die Grenzen des ihm nach seiner Auffassung in dieser Situation zustehenden Notwehrrechts nicht überschritten. Nach dem allgemeinen notwehrrechtlichen Grundsatz ist der Verteidiger berechtigt, dasjenige Abwehrmittel zu wählen, das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr gewährleistet. Unter mehreren Abwehrmöglichkeiten ist er auf die für den Angreifer weniger einschneidende Abwehrmöglichkeit nur dann verwiesen, wenn ihm genug Zeit zur Auswahl sowie zur Abschätzung der Gefährlichkeit zur Verfügung steht und die für den Angreifer weniger gefährliche Abwehr geeignet ist, die Gefahr zweifelsfrei und sofort auszuräumen. Ein nicht bloß geringes Risiko, dass das mildere Mittel fehlschlägt und dann keine Gelegenheit mehr für den Einsatz des stärkeren bleibt, braucht der Verteidiger zur Schonung des rechtswidrig Angreifenden nicht einzugehen.

Polizistsoll sich als solcher zu erkennen gegeben haben


Zwar kann der lebensgefährliche Einsatz einer Schusswaffe nur das letzte Mittel der Verteidigung sein. Allerdings seien vorliegend mildere Mittel zur Abwendung der Gefahr als der Gebrauch der Schusswaffe nicht ersichtlich gewesen. Der Beamte habe nach Auswertung aller Zeugenaussagen den später Angeschossenen zunächst darauf hingewiesen, dass er Polizeibeamte vor sich habe und ihn zudem mehrfach lautstark aufgefordert, die Waffe wegzulegen. Erst dann habe er mehrere Schüsse abgegeben, wobei der später Angeschossene auch nach den ersten Schüssen des Beamten seine Waffe nicht sinken ließ.

Angehörige haben Beschwerde eingelegt


Dabeisei davon auszugehen, dass die abgegebenen Schüsse nicht dazu dienen sollten, den Geschädigten zu töten, sondern nur dazu, ihn kampfunfähig zu machen. Nach den Bekundungen einer Beamtin werde davon ausgegangen, dass erst der letzte Schuss den Angeschossenen traf und zu den todesursächlichen Verletzungen geführt habe. Dies ergibt sich auch aus den rechtsmedizinischen Feststellungen, wonach die erlittenen Verletzungen derart schwer waren, dass von einem unmittelbaren Kreislaufversagen auszugehen ist. Das Ermittlungsverfahren ist daher gemäßParagraph 170 Absatz 2 StPO eingestellt worden. Gegen die Einstellung des Verfahrens wurde von Angehörigen Beschwerde eingelegt. Die Akten befinden sich derzeit bei der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig zur Entscheidung über die Beschwerde.

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