Braunschweig. Beim Braunschweiger Weihnachtsmarkt 2020 ist so ziemlich alles offen. Doch die Schausteller und Betreiber der Weihnachtsmarktstände brauchen Planungssicherheit, wie Annegret Ihbe (SPD) im Wirtschaftsausschuss am heutigen Freitag noch einmal betonte. Deshalb beantragte die SPD-Fraktion, dass die Verwaltung umgehend Konzepte zur Durchführung eines Weihnachtsmarktes erstellen solle. Doch wie werden die Verordnungen des Landes im Dezember aussehen? Vor dem Hintergrund dieser Frage brachten die Ausschussmitglieder ihre Ideen ein. Nicht nur der "Eiszauber" auf dem Kohlmarkt steht auf dem Prüfstand, sogar ein allgemeines Alkoholverbot stand zur Debatte.
Annegret Ihbe wolle mit ihrem klaren Statement für den Weihnachtsmarkt 2020 auch ein politisches Zeichen setzen: "Das Ereignis ist eine ganz besondere Attraktion, und das seit vielen, vielen Jahren. Eine Belebung der Innenstadt und eine Bereicherung für Familien. Die Besucher kommen aus der ganzen Region. Der Weihnachtsmarkt hat große Bedeutung". Gleichbedeutend sei ihr außerdem, dass man die Situation der Schausteller berücksichtigen müsse: "Wenn der Weihnachtsmarkt völlig ausfällt, würde das für Schaustellerinnen und Schausteller wohl das Aus bedeuten."
"Es erfordert auch Mut, das durchzuführen. Denn keiner will, dass der Weihnachtsmarkt Ausgangspunkt einer Infektionswelle ist."
Die Fraktion P2 brachte zudem einen Änderungsantrag ein mit der Bitte, die Belange von Menschen mit körperlichen Einschränkungen besonders zu berücksichtigen: "Die derzeit gültigen Corona-Regeln machen die Entzerrung des Weihnachtsmarktes notwendig. Dadurch hat Braunschweig für dieses Jahr die Chance, die Stände an Orte zu verlegen, die barrierefrei erreichbar sind. Dies stellt nicht nur für Menschen mit Beeinträchtigungen die Chance dar, in diesem Jahr alle Stände gleichberechtigt besuchen zu können, sondern ermöglicht vielen Menschen einen komfortableren Zugang", so der Antrag, den Ratsherr Christian Bley (Fraktion P2) den Mitgliedern im Wirtschaftsausschuss kurz vorstellte. Dies solle auch für andere Veranstaltungen Berücksichtigungen finden. Trotz einiger Diskussionspunkte fand der Antrag Anklang. Wie Udo Sommerfeld beschrieb, heiße es ja nicht, dass die Veranstaltung ausfällt, wenn sie nicht barrierefrei ist - Man sollte eben nur verstärkt darauf achten.
Angriff auf den "Eiszauber"
Andreas Weichelt, Mitglied mit beratender Stimme im Wirtschaftsausschuss, will den "Eiszauber" vom Kohlmarkt verbannen und stellte in der Beratung eine direkte Frage an Wirtschaftsdezernent Gerold Leppa: "Bietet der Eiszauber auf dem Kohlmarkt weiterhin einen Mehrwert für die Innenstadt? Die Beeinträchtigungen bei der Durchführung und gerade während des Auf- und Abbaus sind für die dahinterliegenden Geschäfte sehr groß", begründet Weichelt. Er bittet zu prüfen, ob andere Standorte für die Eisfläche denkbar seien.
Wirtschaftsdezernent Gerold Leppa bejaht die Frage nach den anderen Standorten und berichtet, dass der Antrag zur Sondernutzung des Kohlmarktes für den Eiszauber seit wenigen Wochen vorliege, genehmigt sei dieser jedoch noch nicht. Peter Rosenbaum von der BIBS-Fraktion merkt an: "Klar, der Eiszauber nimmt viel Platz weg. Da könnte man vier oder fünf andere Stände hinbauen. Aber wo ist denn mehr Platz? Vor der Schlossfassade vielleicht?" Ganz verzichten wolle seine Fraktion auf den Eiszauber nicht. Grundsätzlich halte Leppa die Frage nach einem anderen Standort für den Eiszauber für sinnvoll. Er erklärt: "Ich glaube, sowas lässt sich aber nur im Dialog mit dem Veranstalter erklären." Leppa betont jedoch auch, dass man mit der Veranstalterin bereits die Erfahrung gemacht habe, dass diese "ihre Position sehr vehement vertritt."
Der Eiszauber war bereits mehrfach Ziel politischer Debatten. Zuletzt stellten die Grünen die Eisbahn aufgrund ihrer Energieeffizient infrage.
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Kein Alkohol auf dem Weihnachtsmarkt?
Viel Raum in der Debatte nahm auch die Frage nach einem "dezentralen" Weihnachtsmarkt ein. "Generell gibt es ja einige Erfahrungen des Stadtmarketings mit dem Sommerstadtvergnügen, das sah doch nicht schlecht aus, sogar sehr gut. Da sind die Schausteller ja auch an verschiedenen Plätzen verteilt", meint Peter Rosenbaum. Auch Helge Böttcher (Die Grünen) pflichtet bei: "Wir sehen ja am Stadtsommervergnügen sehr gut, dass das klappt. Die Infektionszahlen sind ja dadurch nicht durch die Decke gegangen." Vorteilhaft sei außerdem, dass im Winter durch den Wegfall der Außengastronomie mehr Platz zur Verfügung stünde. "Ein Problem sehe ich aber bei den Glühweinständen", leitet Böttcher ein und erklärt: "Da hat man immer große Menschenansammlungen. Leute nehmen ihr Getränk zu sich, die Schlange beim Bestellen, Leute bringen ihre Becher zurück. Man muss überlegen, ob ein Weihnachtsmarkt auch ohne Alkohol stattfinden kann." Dieser Vorschlag ringt den Ausschussmitgliedern ein deutlich vernehmbares Raunen ab.
Wirtschaftsderzernent Leppa bleibt ernst: "Ob es Glühwein gibt oder nicht, wird der Frage zu unterwerfen sein, was wir überhaupt steuern können", sagt der Wirtschaftsdezernent und erklärt: "Ich würde mir ja jetzt Glühweinwärmer kaufen und die in der Weihnachtszeit verkaufen weil ich ehrlich gesagt die Sorge habe, dass in jedem Garagenhof in Zukunft so eine dezentrale Veranstaltung stattfindet. Das meine ich tatsächlich an der Stelle ernst. Wir müssen ein bisschen darauf achten, dass wir immer auch sehen, wenn wir das mit dem Weihnachtsmarkt machen, was passiert im Rest der Stadt". So führt Leppa an, dass er von den Ordnungsbehörden die Rückmeldung erhalten habe, dass die Idee der Dezentralität durchaus kritisch gesehen werde. "Man muss das immer mitbedenken, aus meiner Sicht, wenn man solche Konzepte erstellt."
Tickets für den Weihnachtsmarkt?
Ausschussmitglied Björn Hinrichs (CDU) zweifelt ebenfalls an der Idee der Dezentralität. Er glaube nicht, dass ein solches Modell erfolgreich sein könne: "Es wird letztendlich so laufen, dass man das an einem Platz zentriert. Man wird ein Ticketsystem brauchen und die Leute werden eine Eintrittskarte kaufen." Hinrichs fragt: "Reicht das dann finanziell aber auch noch für die Schausteller? Im Prinzip kann man das vielleicht sogar durchrechnen. Ich habe eine Fläche und eine bestimmte Anzahl Menschen. Ich hoffe das viele sagen werden ja, ich mache das trotzdem, weil ich mit beim Weihnachtsmarkt dabei sein möchte. Und auch für die Schausteller ist ein Deckungsbetrag immer noch besser als gar kein Gewinn."
"Es wird eine sehr spannende Aufgabe sein, diesen Weihnachtsmarkt zu planen."
Leppa stimmt dem zu. Nach den Regeln, die noch bis zum ersten Oktober gelten, müsse eine Zugangskontrolle gewährleistet werden. "Wir reden dann auch darüber, dass wir für jeden dezentralen Standort auch Personal brauchen, um die Einlasskontrollen durchzuführen. Das ist eine finanzielle Belastung."
Bei Carsten Lehmann (FDP) wirft das eine Frage auf: "Wie würde es sich denn verhalten, wenn man es ähnlich macht wie jetzt mit vereinzelten Angeboten? Wäre das dann ein Weihnachtsmarkt in dem Sinne als geschlossenes Gebilde? Wäre die Erfüllung der Auflagen dann genauso schwierig?" Leppa schmunzelt. Der Veranstaltungsbegriff in diesen Verordnungen sei etwas schwierig: "Wie will jemand, der das liest die verschiedenen Markttypen überhaupt unterscheiden? Wieso ist ein 'Spezialmarkt', wie ein Weihnachtsmarkt einer ist, mit über 2.000 Teilnehmern keine Großveranstaltung?", stellt Leppa die komplizierten Implikationen klar. Das Zulassungsverfahren sei schwierig, und wenn man einen Weihnachtsmarkt nicht korrekt als solchen anmelde, müsste er sonntags geschlossen bleiben.
Frank Graffstedt (SPD) findet, dass die Diskussion eigentlich schon viel weiter geht als das, was der Antrag überhaupt hergibt. "Wir haben bewusst keine Vorgaben in den Antrag geschrieben. Wenn wir alle sagen, das geht so nicht, dann haben wir nichts gewonnen". Graffstedt scherzt: "Ich seh schon die Überschrift: 'Weihnachtsmarkt ohne Alkohol, Vorstoß der Grünen."
Welche Vorgaben werden im Dezember gelten?
Die Verwaltung werde, so Leppa, weiterhin alle Szenarien prüfen. Annegret Ihbe und der Wirtschaftsdezernent stellen fest, dass das Land Niedersachsen ja das Inkrafttreten einer neuen Corona-Verordnung erneut verschoben habe. Da der Antrag am 29. September im Rat der Stadt Braunschweig final beschlossen werden könnte, würde die geltende Verordnung am Tag darauf ablaufen. Damit könnte man dann planen.
Der Wirtschaftsausschuss gibt für beide Anträge - trotz der vielen offenen Fragen - eine einstimmige Beschlussempfehlung ab. Ein Beigeschmack bleibt jedoch. Oliver Schatta (CDU) fasste das Problem der verbindlichen Planung im Laufe der Diskussion zusammen: "Wenn am Ende irgendjemand aus irgendeinem Ministerium sagt, es geht eben doch nicht und alles schon eingekauft, bestellt und eingeplant wurde, dann ist es aus. Das bitte ich zu bedenken."
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