Berlin. Der Wahlkampf-Vorstoß von Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck für eine stärkere Besteuerung von Milliardären in Deutschland zugunsten von Schulsanierungen und Lehrerzuwachs stößt auf breiten Widerspruch.
Die Union warf Habeck Unkenntnis des Steuersystems vor: "Die Wirtschafts- und Steuerpolitik der Grünen krankt an einer grundsätzlich falschen Herangehensweise", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), der "Welt" (Montagsausgabe). "Anstatt nur einzelne Gruppen oder Branchen zu be- oder entlasten, müssen die Standortbedingungen in Deutschland insgesamt verbessert werden." Habeck habe eine Wirtschaftspolitik mitzuverantworten, die zu einer langanhaltenden Rezession geführt habe. "Dem Wirtschaftsminister sollte bekannt sein, dass Steuern nicht zweckgebunden eingenommen werden dürfen", so Frei.
"Das könnte am Ende eine Luftnummer werden", so Frei. "Der Vorschlag taugt vielleicht für das Schaufenster, bringt aber in der Realität nichts. Ohnehin ist Schulpolitik Sache der Bundesländer, und der Schulbau obliegt den Kommunen." Für die Union stehe zwar fest, dass starke Schultern mehr leisten müssten als schwache Schultern; die Schieflage im gegenwärtigen Steuersystem betreffe aber vor allem die Mittelschicht, die über alle Gebühr belastet werde und dringend entlastet werden müsse. "Ohnehin leidet der Staat zurzeit nicht an einem Mangel an Steuereinnahmen, sondern an fehlenden Prioritäten."
FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer sagte der "Welt", der Staat habe mit "ineffizientem Sozialstaat und ideologisch getriebenen Subventionen" ein Ausgabenproblem. "Dieses neidgetriebene Denken der Grünen ist Teil des Standortproblems. Wir brauchen den Mentalitätswechsel hin zu Wirtschafts- und Leistungsfreundlichkeit, genau das sieht die FDP auch als Teil der Wirtschaftswende. Deutschland wurde groß und einflussreich durch freies Unternehmertum, da müssen wir wieder hin."
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler kritisierte Habecks Vorschlag unterdessen als "linken Populismus". "Eine Milliardärssteuer würde viele große Familienunternehmen hart treffen und Wohlstand und Arbeitsplätze gefährden", sagte Schäffler der Zeitung. "Für die wirklich Reichen gibt es außerdem immer Mittel und Wege, ihr Vermögen dem Zugriff des Staates zu entziehen. Man sieht an dem Vorschlag, dass der Wirtschaftsminister von Wirtschaft schlicht keine Ahnung hat."
Der SPD-Wirtschaftspolitiker Bernd Westphal unterstützte indes Habecks Vorstoß: "Zur Ankurbelung der Wirtschaft braucht es staatliche Investitionen in die Modernisierung unseres Landes und auch in bessere Bildung." Zur Finanzierung müssten breitere Schultern einen höheren Beitrag leisten.
"Dazu gibt es mehrere Vorschläge von der SPD, und auch der Impuls von Robert Habeck, Milliardäre mit einer Sondersteuer mehr in die Verantwortung zu nehmen, ist sinnvoll." Wenn 30 Prozent der privaten Haushalte über weniger als 2000 Euro monatlich verfügten, fehle die Kaufkraft, um die Konjunktur anzukurbeln. "Deshalb gibt es enormen Handlungsbedarf für mehr soziale Gerechtigkeit."
Und auch von seinen Grünen bekam Habeck Rückendeckung. Fraktionschefin Katharina Dröge sagte, eine höhere Besteuerung von Milliardären sei eine Frage der Fairness. "Superreiche können mehr dazu beitragen, dass wir gut sanierte Schulen mit ausreichend Personal haben, in denen Kinder gerne lernen. Das stärkt nicht nur die Chancengleichheit, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt."
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel sprach von "purem Populismus" und einem "Ablenkungsmanöver" Habecks von "seinem Totalversagen" als Wirtschaftsminister. "Nicht nur die Wirtschaft ist im freien Fall - trotz Rekordsteuereinnahmen hinterlässt die gescheiterte Ampel nach drei Jahren völlig zerrüttete Staatsfinanzen", sagte Weidel der "Welt". "Geld - nicht nur für unsere Schulen - wäre genug da."
Kernproblem sei die Verschwendung von Steuergeld "für eine grünideologische Politik: Insbesondere die Energiewende, die wirtschaftsfeindliche `Transformation` hin zu einem CO2-neutralen Standort, Geldgeschenke in alle Welt sowie die Politik der ungezügelten Massenmigration sind schlicht nicht bezahlbar." Deutschland brauche "statt noch mehr Umverteilung und Steuern, die dazu führen, dass Investitionen aus Deutschland abgezogen werden", wirtschaftliche Freiheit und unternehmerische Anreize.
Linke-Parteichef Jan van Aken nannte Habecks Vorstoß "niedlich". "Die sechs Milliarden zahlen die Milliardäre Deutschlands zusammen doch aus der Portokasse." Er finde ja eigentlich, dass es gar keine Milliardäre geben sollte. "Deshalb kann man da oben auch stärker zulangen. Eine Vermögenssteuer nach dem Modell der Linken würde jährlich 108 Milliarden bringen und langfristig Milliardäre abschaffen."
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