München. Der frühere CSU-Vorsitzende Erwin Huber kritisiert Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Zu dem antisemitischen Flugblatt, das Aiwanger als Schüler in der Tasche gehabt, aber nicht selbst erstellt haben will, sagte Huber dem "Spiegel": "Das glaubt ihm keiner. Ich komme ja aus der Dialektzone Aiwanger. Das glauben ihm die Leute nicht einmal bei uns in Niederbayern."
Bayerns Vize-Ministerpräsident habe "geschickt die Opferrolle gespielt, dazu kam eine ländliche, anti-münchnerische Stimmung". Aber Aiwanger vor der Landtagswahl im vergangenen Jahr aus der bayerischen Regierung zu werfen, "das hätte den Freien Wählern noch mehr Auftrieb gegeben", so Huber. Seither gebe es vonseiten der CSU "eine stärkere Abgrenzung, wir sehen die Freien Wähler heute kritischer als vorher".
Der frühere CSU-Vorsitzende wünscht sich seinen Nachfolger Markus Söder in einer neuen Rolle: "Er sollte in die Bundespolitik wechseln", sagte Huber dem "Spiegel". Allerdings nicht als Kanzlerkandidat der Unionsparteien, für diesen Posten sieht Huber Friedrich Merz in der Favoritenrolle: "Wenn der CDU-Vorsitzende sagt, dass er das machen will, dann ist die Sache de facto entschieden."
Der bayerische Ministerpräsident Söder dagegen könne sich nach einem Wechsel in die Bundespolitik künftig "neben einem Kanzler Merz in einer Schlüsselrolle profilieren und dann dessen Nachfolger werden". Das neue Wahlrecht auf Bundesebene bedrohe die CSU existenziell, sagte Huber dem "Spiegel" mit Blick auf Söder: "Und in solch einer Situation muss der Beste, den wir haben, nach vorne." Es sei "eine historische, ja heilige Pflicht für den CSU-Vorsitzenden, in der Gefahr an der Spitze des Heeres in die Schlacht zu ziehen".
Für beide Unionsparteien sei Söders Wechsel nach Berlin "sehr wichtig", denn mit der aktuellen Aufstellung liegen die Schwesterparteien nur bei rund 30 Prozent in den Umfragen. "Das reicht für eine starke Bundesregierung nicht aus", so Huber. Ziel müsse eine Zweierkoalition sein und deshalb brauche die Union "deutlich über 35 Prozent", um dann "mit der FDP oder den Grünen regieren zu können". Friedrich Merz werde "ein guter Bundeskanzler", er habe "national und international große politische Erfahrung und die Reife für dieses Amt. Er ist kein Jungspund", sagte Huber dem "Spiegel".
Spekulationen in den Unionsparteien, wonach Söder der nächste Bundespräsident werden könnte, hält Huber für wenig seriös: Als Steinmeier-Nachfolger brauche es jemanden, "der die Gesellschaft wieder zusammenführt". Söder sei "ein hochtalentierter Politiker, aber er ist kein Versöhnertyp". Der CSU-Chef habe "seine Stärken" in der aktiven Tagespolitik.
Huber sieht CDU und CSU in einer Mitverantwortung für Angriffe auf Grünenpolitiker im Wahlkampf. Auch aus dem Unionslager werde "verbal massiv eingeprügelt" auf die Grünen, sagte Huber dem "Spiegel". Die Partei werde "für alles verantwortlich gemacht, was aus dem großen grünen Spektrum in die Welt hinausposaunt wird". Die Grünen müssten "den Kopf hinhalten für Dinge, die sie selber nie gemacht oder gefordert haben".
Huber kritisierte zudem den CSU-Vorsitzenden Markus Söder für den Vergleich der Grünen-Umweltministerin Steffi Lemke mit Margot Honecker: "Das ist eine Grenzüberschreitung. Wenn so etwas von Amtsträgern kommt, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass dieses schlechte Beispiel Schule macht."
Söders Absage an eine Koalition mit den Grünen nennt Huber "strategisch kurzsichtig". Die CDU scheine das mittlerweile zu begreifen, "wir in der CSU noch nicht". Er halte die Spaltung der Gesellschaft "und die sich andeutende Zersplitterung des Parteiensystems für sehr ernst". Huber zum "Spiegel": "Das gab es so noch nie in 75 Jahren Bundesrepublik, das erinnert an die Weimarer Republik." Deshalb müsse "die Gemeinsamkeit der Demokraten" praktiziert werden. Während die CDU das bereits seit Jahren mache, "indem sie etwa hier und da mit den Grünen koaliert, fehlt uns das als CSU".
Der 77-Jährige lobte die CDU für die Betonung des Konservativen im neuen Grundsatzprogramm, "Leitkultur inklusive". Unter Angela Merkel und Horst Seehofer habe es bei den Unionsparteien "einen Bruch" gegeben, "die beiden waren im eigentlichen Sinne keine Konservativen". Jetzt mit Merz schwenke die Union zurück. Zugleich warnte Huber CDU und CSU vor Identitätspolitik: "Wir sollten allerdings Kulturkämpfe um vermeintliche Sprach- und Denkverbote, all diese Gehässigkeiten sein lassen, denn damit werden am Ende nur die Rechtsextremen gestärkt."
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