Berlin. Die FDP hat irritiert auf die Forderung des Queerbeauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), reagiert, das Selbstbestimmungsgesetz noch einmal nachzubessern. "Dass Sven Lehmann als Teil der Bundesregierung im Rahmen der Ressortabstimmung scharfe Kritik an dem Gesetzentwurf übt, den er selbst mit ausgehandelt hat, verwundert mich sehr", sagte der queerpolitische Sprecher Jürgen Lenders (FDP) der "Welt".
"Das Gesetz wird das Leben für trans- und intergeschlechtliche Menschen deutlich verbessern und die geschlechtliche Vielfalt und Selbstbestimmung anerkennen, für die wir Freie Demokraten stehen." Am Hausrecht sowie am Diskriminierungsschutz im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ändere sich nichts, das stelle der Entwurf klar. "Für das parlamentarische Verfahren wünsche ich mir eine sachliche Diskussion und dass wir mehr aus der Sicht der Betroffenen denken." Lehmann hatte in seiner Stellungnahme zum Selbstbestimmungsrecht an mehreren Passagen Überarbeitungsbedarf angemeldet, die "unnötigerweise den Geist des Misstrauens" atmeten.
So mahnte er die Streichung des Paragrafen 6 Absatz 2 des Gesetzes an, in dem ausgeführt wird, dass für den Zugang zu Einrichtungen und Räumen sowie für die Teilnahme an Veranstaltungen das Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers unberührt bleibt - etwa in Frauensaunen oder Frauenfitnessstudios. Der entsprechende Paragraf löse bei den Betroffenen "massive Ängste vor neuen Ausschlüssen aus, auch angesichts transfeindlicher Entwicklungen überall auf der Welt", so Lehmann. Kritisch sieht Lehmann auch, dass nahe Angehörige von dem geplanten Offenbarungsverbot, also dem Verbot des Zwangs-Outings von Transpersonen, ausgenommen werden sollen. Die queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kathrin Vogeler, schloss sich Lehmanns Kritik an.
"In Betroffenenkreisen wird der Referentenentwurf aus dem Hause Buschmann bereits `Misstrauensgesetz` statt Selbstbestimmungsgesetz genannt", sagte sie der "Welt". Diese Kritik sei mehr als berechtigt, Lehmanns Änderungsvorstoß "gut begründet und nachvollziehbar". Ausgerechnet Familienangehörige vom Offenbarungsverbot auszunehmen, sei ein "Schlag ins Gesicht derjenigen, die aufgrund ihrer Transition von ihren Angehörigen psychisch unter Druck gesetzt werden", so Vogler. Die Passage zum Hausrecht lese sie ebenfalls als Erlaubnis zu ungerechtfertigter Diskriminierung.
"Es ist absolut unüblich, in einem Gesetz oder einer Gesetzesbegründung anzugeben, dass andere Gesetze davon nicht berührt werden. Die Betroffenen lesen hier zu Recht heraus, dass sie weiter Diskriminierung ausgesetzt werden sollen, ohne sich dagegen wehren zu können." Für Günter Krings (CDU), rechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, legt Lehmanns Kritik "die ganze Widersprüchlichkeit offen, an denen das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz der Ampel leidet". Einerseits solle die "Geschlechterzuordnung weitgehend beliebig" erfolgen; andererseits werde beim Zugang zu Saunen, Fitnessstudios oder Umkleidekabinen dann doch wieder in bestimmten Fällen anhand des "biologischen Geschlechts" differenziert - im Widerspruch zum AGG. Der Entwurf sei daher "nicht mehr zu retten", so Krings.
"Anders als die Bundesregierung stehen wir als Union für eine Politik, die nicht ausschließlich auf die Empfindungen von Transgender-Personen, sondern auch auf die Empfindungen anderer Menschen Rücksicht nimmt." Dazu gehörten etwa auch Frauen, die eine Sauna oder eine Sportumkleide nutzten. "Das ist für uns nicht so sehr eine Frage von Missbrauchsgefahren, sondern eine Frage des respektvollen Umgangs miteinander." Die AfD-Fraktion lehnt das Gesetz in Gänze ab.
"Das Selbstbestimmungsgesetz ist zutiefst frauenverachtend und leugnet biologische Tatsachen", sagte der familienpolitische Sprecher der Fraktion, Martin Reichardt. Lehmann schieße die "berechtigte Sorge" von Frauen, die in ihren "ureigenen Schutzräumen" nicht mit einem "biologischen Mann konfrontiert" werden möchten, in den Wind. Ein "biologischer Mann" bleibe "ein Mann", auch wenn er sich zur Frau "erklärt" habe. Die Rechte und die Sicherheit von Frauen gerieten dabei immer mehr "ins Abseits", so der AfD-Politiker.
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