Kommunalwahlrecht für Ausländer?

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Kommunales Wahlrecht für Ausländer aus Drittstaaten? Die meisten Ratsfraktionen sprechen sich dafür aus. Symbolfoto: Balder
Kommunales Wahlrecht für Ausländer aus Drittstaaten? Die meisten Ratsfraktionen sprechen sich dafür aus. Symbolfoto: Balder | Foto: Christina Balder



Goslar. Ohne deutschen Pass zur Wahlurne? Geht es nach der rot-grünen Landesregierung und der FDP, dann soll dies in Zukunft umgesetzt werden. So könnten die rund 175.000 derzeit im Land lebenden Ausländer aus Drittstaaten, künftig bei den Wahlen von Bürgermeistern, Kreistagen und Landräten mitbestimmen. Der Antrag verfolgt das Ziel, sich im Bundesrat mit anderen Bundesländern für die notwendige Änderung des Grundgesetzes einzusetzen. Nur die CDU stimmte im Landtag, gegen den Vorschlag. Wie sehen die Ratsfraktionen der Stadt Goslar das Vorhaben?

Pascal Bothe,CDU-Ratsfraktion Goslar: „Wenn wir aktuell über die Integration von Flüchtlingen diskutieren, dann ist die Diskussion um ein Wahlrecht ein weiterer logischer Schritt. Wer wählen darf, der hat auch die Chance aktiv mitzubestimmen und macht sich Gedanken über seine Stadt - wir diskutieren an vielen Stellen, wie es gelingen kann die Integration weiter voranzutreiben: ein Wahlrecht kann dabei ein sinnvoller Baustein sein.“

Alexander Saipa, SPD-Ratsfraktion Goslar: "Der Niedersächsische Landtag hat sich in seiner Sitzung im Juli mit großer Mehrheit von SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP dafür ausgesprochen, über eine Bundesratsinitiative dahin zu kommen, dass in Niedersachsen künftig alle Menschen, die dauerhaft hier wohnen, bei Kommunalwahlen wählen dürfen – auch wenn sie keine deutsche oder EU-Staatsbürgerschaft haben. Auch ich habe mit großer Freude und Überzeugung dafür gestimmt. Es sind allerdings jeweils eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat und im Bundestag für die Änderung des Grundgesetzes und damit für die Gewährung eines kommunalen Wahlrechts für Nicht-EU-Bürger nötig.

Ich unterstütze diesen Weg ausdrücklich. Als Mitglied des rot-Grünen Arbeitskreises "Migration und Teilhabe" sehe ich große Integrationschancen auf kommunaler Ebene für alle hier lebenden und sich einbringenden Menschen. Wenn EU-Bürger, die seit drei Monaten in Deutschland gemeldet sind, bei Kommunalwahlen wählen dürfen, nicht aber Drittstaatenangehörige, wie zum Beispiel unsere vielen türkischstämmigen Mitbürger, die seit mehr als 40 Jahren in Deutschland leben oder hier geboren sind, widerspricht das meinem und dem Rechtsempfinden eines Großteils der Bevölkerung.

Auch als Kommunalpolitiker muss man diesen Schritt begrüßen. Wir haben im Landkreis Goslar sehr viele Menschen, die sich vor Ort und in der Gesellschaft engagieren, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft. Auch Angehörige von Nicht-EU-Staaten sind Mitglieder in Vereinen in unserem gemeinsamen Gemeinwesen, übernehmen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und prägen das Leben vor Ort mit. Die Möglichkeit der kommunalen politischen Mitbestimmung ist ein wichtiger Schritt zur Integration, um auch diese Menschen zu vollwertigen Mitgliedern der kommunalen Gemeinschaft zu machen.

Ich halte auch die Argumente von der CDU für falsch, dass bei Ermöglichung des kommunalen Wahlrechts die Einbürgerung an sich konterkarieren würde. Niemand lässt sich nur deswegen nicht einbürgern, weil man bei Kommunalwahlen nun mitwählen könne. Die Einbürgerung ist ein tiefer auch emotionaler Schritt, der gewiss nicht nur daran hängt, Ratsmitglieder oder Kreistagsmitglieder wählen zu können.

In Deutschland ist seit über 40 Jahren in der Integrationspolitik nicht immer alles richtig gemacht worden. Nun sollten wir die Chance als weltoffenes Einwanderungsland ergreifen und den vielen Menschen, die keine EU-Staatsangehörigkeit haben, mehr Möglichkeiten der eigenen Integration und Teilhabe an der Gesellschaft, in der sie dauerhaft leben wollen, zu ermöglichen."

Christian Rehse, FDP-Ratsfraktion Goslar: "Nach Ansicht der FDP sollen alle in Niedersachsen lebenden Ausländer bei Kommunalwahlen wählen dürfen und sich auch selbst zur Wahl stellen können. Die Parteien sehen darin einen längst überfälligen Schritt zur Anerkennung und Integration von rund 175.000 Zuwanderern in Niedersachsen, die bislang von den Wahlen ausgeschlossen sind. Diese Meinung unterstützt auch die FDP-Ratsfraktion in Goslar. In Großbritannien und Skandinavien gibt es das Wahlrecht seit Jahrzehnten. Über eine Bundesratsinitiative soll gemäß dem Antrag den Ländern das Recht zugestanden werden, selbst über das Wahlrecht zu entscheiden."

Henning Wehmann, Ratsfraktion der Bürgerliste Goslar: "Ich möchte darauf hinweisen, dass aufgrund der Ferien derzeit keine Fraktionssitzungen stattfinden und eine abgestimmte Fraktionsmeinung insoweit nicht ausdiskutiert werden kann. Darüber hinaus nehmen wir zu Landes- und Bundesthemen nur Stellung, soweit die Stadt Goslar im Besonderen und direkt betroffen ist, was hier nicht der Fall ist. Daher kann ich vor dem Hintergrund des Wahlprogramms der Bürgerliste Goslar zur Zeit nur meine eigene Meinung zu diesem Thema mitteilen:

Die Bürgerliste Goslar hat das Thema "Integration" bereits im Wahlprogramm 2011 unter der Überschrift "Integration ernst nehmen" aufgegriffen. Zu einer aktiven Teilhabe an der Entwicklung einer Stadt gehört selbstverständlich auch das kommunale Wahlrecht. Eine Beschränkung dieses Wahlrechts lediglich auf EU-Ausländer - was bisher schon gegeben ist - ist angesichts des hohen Anteils von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten, Afrika und Asien nicht mehr zeitgemäß. Wir wissen, dass die Krisen und Kriege in den Herkunftsländern dieser Flüchtlinge, zeitnah nicht behoben sein werden und dass die Menschen bei uns für sehr lange Zeiträume bleiben werden. Integration muss daher umfassend erfolgen. Und dazu gehören nicht nur Sprachkurse und Arbeitsmöglichkeiten sondern auch eine aktive Teilhabe an den demokratischen Entscheidungsprozessen in unserer Gesellschaft. Hierfür ist gerade die kommunale Ebene in besonderer Weise geeignet, weil in den Räten Entscheidungen getroffen werden, die einen unmittelbaren Einfluss auf das eigene Lebensumfeld haben. Ein allgemeines kommunales Wahlrecht für alle Einwohner einer Stadt, unabhängig von ihrer Nationalität, ist sinnvoll und bereichert die politische Diskussion in den Räten."

Auch die Ratsfraktion Die Linke, sowie Bündnis90/Grüne und Bürger für Vienenburg haben wir um ein Statement gebeten. Leider haben wir bis zur Veröffentlichung dieses Artikels keine Rückmeldung erhalten. Sollte die Stellungnahme zu einem späteren Zeitpunkt noch erfolgen, wird der Bericht ergänzt.


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