Lebenshilfe Goslar: "Das Betretungsverbot geht zu weit!"

Trotz aller Lockerungen soll die Behindertenwerkstatt der Lebenshilfe noch bis zum 27. Mai geschlossen bleiben - Für Lebenshilfe-Geschäftsführer Clemens Ahrens nicht nachvollziehbar.

Eigentlich ist schon alles vorbereitet - Nach dem Willen der Landesregierung muss die Werkstatt der Lebenshilfe aber noch immer geschlossen bleiben. Das ist sie nun schon seit über zwei Monaten.
Eigentlich ist schon alles vorbereitet - Nach dem Willen der Landesregierung muss die Werkstatt der Lebenshilfe aber noch immer geschlossen bleiben. Das ist sie nun schon seit über zwei Monaten. | Foto: Lebenshilfe Goslar

Goslar. Die ab heute gültige Niedersächsische Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verlängert das Betretungsverbot für Werkstattbeschäftigte und lockert unter strengen Auflagen das Besuchsverbot in Wohneinrichtungen. Für die Lebenshilfe Goslar sei die neue Verordnung laut einer Pressemitteilung dennoch eine "große Enttäuschung", da die Behindertenwerkstatt wohl noch mindestens bis zum 27. Mai geschlossen bleiben muss. Dies sei nicht nachvollziehbar, wenn im gleichen Zuge Kaufhäuser und Baumärkte offenstehen würden.


Die Angebote der Lebenshilfe Goslar waren seit Beginn der Pandemie-Maßnahmen stark von Betriebsschließungen betroffen. Die Tagesbildungsstätte, der Heilpädagogische Kindergarten, der Sprachheilkindergarten und insbesondere die Werkstatt an der Probsteiburg mussten bereits Mitte März ihren Betrieb einstellen. Zeitgleich benötigten die Mitarbeiter aller Wohnstätten dringend Unterstützung, da die Bewohner nun auch tagsüber in quarantäneähnlichen Situationen rund um die Uhr begleitet und versorgt werden mussten.

Lesen Sie auch: Ungeschützt in der Krise - Werden Behinderteneinrichtungen von der Politik vernachlässigt?

Eine hohe Anforderung für das Betreuungspersonal. „Pädagogische Mitarbeiter aus der Werkstatt und der Schulbegleitung haben sich spontan bereit erklärt auszuhelfen. Ihrer Flexibilität und dem Engagement der Mitarbeiter in den Wohneinrichtungen ist es zu verdanken, dass wir diese Aufgabe erfolgreich gestemmt haben“, so Clemens Ahrens, Geschäftsführer der Lebenshilfe Goslar.

Für alle Einrichtungen der Lebenshilfe wurden schrittweise aufwändige Schutz- und Hygienekonzepte erarbeitet und in die Praxis umgesetzt.

Einige Lockerungen und eine große Enttäuschung


Ab dem 11. Mai sind Besuche in den Wohnstätten unter Einhaltung von Abstandsregelungen und strengen Schutz- und Hygieneanforderungen wieder erlaubt. Das Gesundheitsamt hat das umfangreiche Besuchskonzept der Lebenshilfe überprüft und die Genehmigung erteilt. Nun laufen die letzten Vorbereitungen, damit die Bewohner noch in dieser Woche Besuch empfangen können. „Das ist ein großer Schritt für unsere Bewohner und ein kleiner Schritt in Richtung Normalisierung des Alltags“, meint dazu Clemens Ahrens.

Die neue Verordnung der niedersächsischen Landesregierung ermöglicht ab heute ebenfalls den Regelbetrieb im Heilpädagogischen Kindergarten Lollipop sowie im Sprachheilkindergarten Lummerland. Die in Bad Harzburg gelegenen Kindereinrichtungen werden diesen noch in der laufenden Woche wieder aufnehmen.

Schließung betrifft über 500 Menschen


Die Werkstatt aber bleibt weiterhin geschlossen und das mindestens bis zum 27. Mai. Damit ist diese zentrale Einrichtung der Lebenshilfe Goslar seit mehr als zwei Monaten für die Menschen mit Beeinträchtigung geschlossen. Das ist eine große Enttäuschung für viele Beschäftigte, aber auch für Betreuer, die täglich nachfragen und eine Öffnung herbeisehnen.

Clemens Ahrens bringt das Ausmaß auf den Punkt: „Die Schließung betrifft mehr als 500 Bürger im Landkreis Goslar, denen die Arbeit und die Tagesstruktur genommen wird.“ Für die Werkstatt liege bereits ein ausgefeiltes Hygienekonzept vor, welches größtmöglichen Schutz für die Beschäftigten gewährleisten könne: Abstandsregeln würden sichergestellt, Nachverfolgungen durch eine aufwändige Dokumentation ermöglicht und die Beförderung sei unter strengen Vorgaben ebenfalls geregelt.

"Das Betretungsverbot geht zu weit!"


Viele Menschen mit Beeinträchtigung gehörten zwar laut der Lebenshilfe aufgrund von Vorerkrankungen zur Risikogruppe, aber längst nicht alle. Das bedeute nicht, dass sie nicht arbeiten können, sondern besonderer Schutzmaßnahmen bedürfen.

„Der weitere generelle Ausschluss der Beschäftigten geht aus unserer Sicht zu weit“, hält Clemens Ahrens fest. „Er suggeriert, dass Behinderung gleich Risikogruppe sei, was einer erneuten Diskriminierung gleichkommt. Wenn Kaufhäuser und Baumärkte wieder öffnen können, wenn Sportvereine unter Auflagen ihren Aktivitäten nachgehen dürfen, dann können unter entsprechenden Bedingungen auch Werkstätten für Menschen mit Beeinträchtigung wieder ihren Arbeitsbetrieb aufnehmen.“

Außerdem weist Ahrens auf die psychischen Auswirkungen der Arbeitssperre hin: „Wir bekommen tagtäglich mit, wie bei vielen der Lagerkoller, die Frustration, zum Teil Aggression und auch die Resignation zunimmt. Eine schrittweise Öffnung der Werkstätten ist im Interesse der Beschäftigten deshalb dringend notwendig und auch möglich!“


mehr News aus Goslar


Themen zu diesem Artikel


Kindertagesstätte Bad Harzburg