Braunschweig. Der Ortsvorstand der IG Metall Braunschweig hat sich in einem offenen Brief an den CDU-Bundestagsabgeordneten Carsten Müller, den CDU Kreisverband sowie die CDU Ratsfraktion Braunschweig gewandt. Grund dafür seien die aus Sicht der IG Metall befremdlichen Äußerungen des Vorsitzenden des CDU-Landesverbandes Braunschweig und Landtagsabgeordneten Frank Oesterhelweg im Zusammenhang mit dem Protest gegen den bevorstehenden AfD-Bundesparteitag.
Den offenen BriefdesOrtsvorstandes der IG Metall an die Funktionsträger und Mitglieder der CDU in Braunschweig und im Kreisverband werden wir im folgenden ungekürzt veröffentlichen.
Sehr geehrter Herr Müller,
wir wenden uns aufgrund des von Ihrem Landesverbandsvorsitzenden, Herrn Oesterhelweg, am 18. Oktober sowie am 29. Oktober in der Braunschweiger Zeitung veröffentlichten Artikels an Sie.
Herr Oesterhelweg betont, dass er Björn Höcke zwar für einen Nazi hält, aber der Vorstand des Landesverbandes entschieden habe, sich nicht an den Demonstrationen und Kundgebungen gegen den AfD-Parteitag am 30. November und 1. Dezember in Braunschweig zu beteiligen. Als Grund gab Herr Oesterhelweg an, dass „er nicht mit Kommunisten in einer Demo marschieren werde". Diese Haltung befremdet uns als Ortsvorstand der IG Metall Braunschweig sehr!
Zusammenarbeit über Grenzen hinaus
Unsere Organisation ist eine Einheitsgewerkschaft, in der wir über parteipolitische Ansichten, religiöse Auffassungen oder migrationsbedingte Sichtweisen hinweg gemeinsam diskutieren, um Ziele ins Auge zu fassen und die Umsetzung vereint anzugehen. Das begründet unsere Geschlossenheit, Durchsetzungsstärke und unseren Erfolg.
Seit Jahrzehnten arbeitet die Braunschweiger IG Metall und Arbeitnehmerschaft für den Ausbau und die Sicherung von Beschäftigung und guter Arbeit eng mit den vor Ort vertretenen demokratischen Parteien — so auch der CDU — zusammen. Gleiches gilt für alle Gliederungen der IG Metall bundesweit. Die Vertreter Ihrer Partei - der CDU - nehmen an unseren Gewerkschaftstagen teil —wie jüngst Frau Merkel Anfang Oktober in Nürnberg - an Betriebsversammlungen, Ehrungen unserer langjährigen Mitglieder, an 1. Maiveranstaltungen ebenfalls und stehen uns zur Seite, wenn es Probleme bei Beschäftigung oder Finanzierungsschwierigkeiten in den Betrieben gibt. Kurzum - wir haben eine konstruktive Zusammenarbeit.
Sie wiederum laden betriebliche Experten - die unsere Mitglieder und auch parteipolitisch aktiv sind - wie zum Beispiel Uwe Fritsch, den Betriebsratsvorsitzenden von VW Braunschweig und Ortsvorstandsmitglied der IG Metall, zu Ihren Parteitagen oder zu Diskussionsrunden ein und nehmen aufmerksam deren Expertise zur Kenntnis, wenn es in der Arbeitswelt um Wandel, dessen Auswirkungen für die Industrie, um Arbeitsmethoden und neue Technologien und vor allem: um Perspektiven für die Menschen und die Wirtschaft in unserer Region geht.
Aussagen werden zunehmend radikaler
Die Demokratie in unserem Land braucht gerade jetzt einen Schulterschluss aller Demokraten gegen die völkisch nationale Ausdünstung und Ausrichtung einer AfD. Mit ihren zunehmend radikaler werdenden Aussagen und Führungskräften, die von „brandigen Gliedern" sprechen, von „Volksteilen die wir (AfD) verlieren werden, wenn sie zu schwach oder nicht willens sind, mitzumachen" oder von einem „Aderlass" derer, die ihre politischen Ziele nicht teilen und von „fester Hand" sowie einem „Zuchtmeister", den es braucht, wie Björn Höcke sagt, zeigen sie deutlich in welche Richtung ihre Politik geht.
Das Klima, das von diesen Menschen verbreitet wird, ist Nährboden für zahlreiche, schreckliche Taten. Viele Menschen wurden durch rechten Terror ermordet, vor einigen Wochen in Halle waren es zufällig anwesende Passanten, Migranten die aufgrund ihrer Wurzeln ausgewählt wurden, engagierte Bürger, Polizisten, Politiker und nicht zuletzt diesen Sommer Ihr CDU-Parteifreund, der Kasseler Regierungspräsident, Walter Lübcke. Ungezählt die Menschen, die täglich eingeschüchtert werden oder deren Religions- oder Wirkungsstätte, deren Zuhause angegriffen sowie Leib und Leben bedroht wird.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich in der Vergangenheit so viele Menschen klar positioniert, davon distanziert, öffentlich dagegen protestiert haben und mit allen demokratischen Mitteln - wo sie können - gegen solche Übergriffe und ein solches Klima vorgehen. Dieses tun sie unabhängig ihrer Herkunft, ihres Parteibuches oder ihrer religiösen Weltanschauung. Unsere Gesellschaft braucht ganz viel davon, um weiterhin freiheitlich, respektvoll, solidarisch und demokratisch zu existieren.
Hervorheben, was uns verbindet
Überdenken Sie deshalb nochmals die Entscheidung Ihres Landesverbandes und gegebenenfalls auch Ihre eigene Entscheidung - sich den Demonstrationen und Kundgebungennicht anschließen zu wollen. Wir begrüßen sehr die Haltung von CDU-Ratsmitglied, Herrn Thorsten Köster, der öffentlich erklärt hat, an den Protesten teilnehmen zu wollen. Am 30. November wird es darauf ankommen, dass auch Sie sich persönlich gemeinsam mit vielen anderen am Gegenprotestfür unsere Demokratie beteiligen! Wir alle sollten gerade an diesem Tag hervorheben und zeigen was uns Demokratinnen und Demokraten verbindet — nicht das, was im politischen oder persönlichen Diskurs unter Umständen strittig ist. Stark und widerstandsfähig ist eine Gesellschaft immer dann, wenn sie geschlossen gegenüber Angriffen auf die Demokratie auftritt — stellen Sie sich nicht abseits davon!
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