Kein Mörder ist sicher - Polizei öffnet alte Akten

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Polizeipräsident Michael Pientka (2.v.l.) stellte auf einer Pressekonferenz die Ermittlungsgruppe "Cold Cases" und ihre Leiterin Melanie Wilharm (r.) vor. Fotos: Werner Heise
Polizeipräsident Michael Pientka (2.v.l.) stellte auf einer Pressekonferenz die Ermittlungsgruppe "Cold Cases" und ihre Leiterin Melanie Wilharm (r.) vor. Fotos: Werner Heise | Foto: Werner Heise

Region. Ungeklärte Todes- und Vermisstenfälle, deren Aktendeckel bei den Ermittlungsbehörden bereits geschlossen waren - sogenannte "Cold Cases" - werden jetzt ganz gezielt neu aufgerollt. Hierfür hat die in unserer Region zuständige Polizeidirektion Braunschweig eine eigene Ermittlungsgruppe geschaffen, die ihre Arbeit bereits aufgenommen hat.


Mord verjährt nicht! Diesen bekannten Passus des Strafgesetzbuches unterstrich Polizeipräsident Michael Pientka noch einmal, als er die Ermittlungsgruppe "Cold Cases" am heutigen Freitag der Presse vorstellte. 42 Fälle in unserer Region tragen stand heute den Status "Cold Case". 36 Tötungsdelikte und sechs Vermisstenfälle, bei denen es unerklärlich ist, warum die vermisste Person verschwunden ist. Der älteste Fall ist aus dem Jahr 1946, der jüngste aus 2016.

Bislang wurden diese Fälle bei freier Kapazität neben dem tagesaktuellen Polizeigeschäft bearbeitet, erklärt Pientka. Im Zuge einer landesweiten Strategie wolle man dies nun aber ändern und den Fällen mehr Priorität gewähren. Auch unter dem Aspekt des Versuchs den Hinterbliebenen die quälende Ungewissheit zu nehmen. Fortan beschäftigen sich insgesamt sechs Mitarbeiter mit den Fällen, die viel Arbeit mit sich bringen. Die Akten von damals müssen digitalisiert und für die heutige Ermittlungssoftware aufbereitet werden, was aufgrund des Zustands der zum Teil sehr alten Unterlagen mit Problemen behaftet sei. Zudem handele es sich um unzählige Dokumente, die fallweise ganze Schrankwände einnehmen würden. Für einen bestimmten Fall aus Wolfsburg benötige man gar zwei Transporter, die die Unterlagen von einem Ort zum anderen bringen, sagt Kriminaldirektor Oliver Grotha, Leiter des Dezernats "Kriminalitätsbekämpfung".

Hoffnung liegt in neuen technischen Verfahren


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Melanie Wilharm, Leiterin der Ermittlungsgruppe "Cold Cases" Foto: Werner Heise



Alle Fälle werden noch einmal gesichtet, kategorisiert und nach Erfolgsaussicht priorisiert. Dabei setzt die Gruppe vor allem auf die Frage der Verfügbarkeit neuer technischer Verfahren, die es seinerzeit noch nicht gegeben hat. Denn: alle Fälle seien zwar bereits "ausermittelt", aber eben unter dem Standard der damaligen Vorgehensweise und Möglichkeiten aufgenommen worden. Die Leiterin der Ermittlungsgruppe, Melanie Wilharm, hofft hier beispielsweise auf neue DNA-Auswertungen. Als ihre Motivation für diesen neuen Job benennt sie die Gefühle der Hinterbliebenen, die sie sogleich aber auch als mögliche Schwierigkeit für ihre Aufgabe bewertet. Wie werden diese reagieren, wenn man sie nach Jahrzehnten noch einmal mit Fragen konfrontiert?

Mit Rücksicht auf die Angehörigen möchte die Polizei keine Angaben machen welche Fälle genau sie jetzt noch einmal aufrollen wird und verweist lediglich auf alte Presseberichterstattungen. Hier findet sich zum Beispiel der bis heute ungeklärte Tod von Angelika Gaubatz aus dem Jahre 1972. Die damals 16-Jährige kehrte am 12. Juni 1972 nicht mehr von ihrer Arbeitsstelle zurück. Ihre Leiche wurde später in einem Getreidefeld in der Nähe von Timmerlah gefunden. Aber auch der mysteriöse Tod des damals 17-jährigen Tom-Finn Knorz im November 2014 ist per Definition ein Cold Case.

Lesen Sie zum Thema auch unsere "Cold Case"-Serie aus dem Archiv.


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