Wolfenbüttel. Ein Thema, welches im gestrigen Rat der Stadt Wolfenbüttel eine Diskussion ausgelöst hat, ist das Konzept der Stadtbücherei in Wolfenbüttel. Dieses Büchereikonzept wird seit Januar 2017 unter der sozialwissenschaftlichen Leitung von Meinhard Motzko (Praxisinstitut Bremen) mit den Mitarbeiterinnen der Stadtbücherei Wolfenbüttel im Konsens erarbeitet, erläutert die Vorlage.
Es beschreibe die vorgeschlagene zukünftige strategische Ausrichtung der Arbeit. Der Grund, der zu dieser Maßnahme führte, sei das veränderte Mediennutzungsverhalten und das Entstehen neuer Problemlagen im Aufgabenfeld von Bibliotheken wie zum Beispiel Sprachbildungsdefizite im Kindesalter und/ oder funktionaler Analphabetismus. Die Deutsche Bibliotheksstatistik (DBS), die jährlich erhoben wird, spiegele das veränderte Nutzungsverhalten wider.
Dieser Prozess werde über Jahre kritisch beobachtet und werfe Fragen auf, die eine konsequente, grundlegende und umfassende Bestandsaufnahme fordern würden. Die Bibliotheksarbeit müsse überdacht werden, sich neu ausrichten und sich den gesellschaftlich relevanten Herausforderungen und Themen annehmen, führt der Begründungstext weiter aus.
Die Deckung der Projektkosten solle dabei aus dem laufenden Kulturbudget erfolgen, da dort im Haushaltsjahr 2019 Einsparpotenzial zu verzeichnen sei, so der Beschlussvorschlag. Im Rahmen des Zukunftskonzeptes sollen diverse Maßnahmen ergriffen werden. Darunter unter anderem Sprachbildung, Lesekompetenz, Medien- und Recherchekompetenz aber auch kulturelle Bildung und vieles mehr.
"Überraschende Überlegungen"
Insbesondere die geplante Kompetenzförderung für Kinder im Alter bis drei Jahren sorgte für Gesprächsstoff im Rat. AfD-Mitglied Manfred Wolfrum sagte: "Offensichtlich läuft Bücherausleihe nicht mehr wie früher. Was kann man machen, damit Bücherei weiterhin angenommen wird? Viele Überlegungen sind möglich, einige überraschend." Darunter falle auch das Vorhaben die Lesekompetenz von Kindern im Alter von 1 bis 3 Jahren in der Bücherei zu fördern. Bei Familien, wo dies zu Hause nicht möglich ist, sei es fragwürdig, ob diese den Weg in die Bücherei finden würden, um dies dort nachzuholen, so Wolfrum weiter. Auch bei den 6- bis 10-Jährigen stelle sich die Frage, wie die Bücherei Aufgaben erfüllen soll, die schon in der Schule nicht klappen.
Rudolf Ordon von der FDP-Fraktion bezog sich vor allem auf das bundesweite Problem des Rückgangs von Nutzerzahlen in Büchereien. Auch er sieht allerdings Probleme bei der Idee der Sprachförderung. Generell seien die Gedanken um die Sicherung begrüßenswert, jedoch stünden einige Punkte in Konkurrenz zu anderen Bildungseinrichtungen wie Schulen oder Kitas. "Wie kommt die Bücherei an das Klientel, dass der Sprachförderung bedarf?", fragte auch Ordon.
"Lesekompetenz beginnt sehr früh"
Ulrike Krause von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die das Konzept auch zu Beginn vorgestellt hatte, antwortete auf die gestellten Fragen wie folgt: "Lesekompetenz beginnt im Alter von 0 bis 3 Jahren, auch wenn man es nicht glaubt. Da werden viele Wörter im Kopf gespeichert, die Kinder kennen die Bedeutung. Ärzte und Kitas begleiten das Ganze natürlich." Man rede nicht über Akademikereltern, die selbst genug Kompetenzförderung für ihre Kinder ermöglichen könnten, das sei klar.
Leseförderung sei jedoch unverzichtbar, bundesweit seien bereits jetzt viele Menschen, genauer gesagt 14,5 Prozent der Deutsch sprechenden Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, Analphabeten. Die Statistik stamme aus dem Jahr 2011. "Wir haben also schon lange gepennt", so Krause weiter. Leseschwäche sei ein nachwachsendes Problem, denn Analphabeten hätten auch Kinder, denen sie die Sprache dementsprechend auch nicht angemessen vermitteln könnten.
Wirtschaftliche Folgekosten
Krause stelle daraufhin weiter verschiedene Studien vor, die mangelhafte Lesekompetenz in der Bevölkerung belegten. Langfristig werde auch der Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt durch das Problem beeinflusst und die Folgekosten würden sich auch wirtschaftlich bemerkbar machen. "Wenn wir nur wenige Eltern abholen, haben wir schon viel getan. Zumindest für unsere kleine Stadt Wolfenbüttel", schließt Ulrike Krause.
In der abschließenden Abstimmung wurde das Konzept trotz kritischer Stimmen einstimmig angenommen. Eine Nachfrage Klaus-Dieter Heids über schätzbare Zahlen möglicher Nutzer der neu zu schaffenden Angebote für eine eventuelle Kostenrelation, wurde von der Ratsvorsitzenden Hiltrud Bayer in den kommenden Kulturausschuss übertragen.
Das komplette Konzept für die Stadtbücherei kann man unter Tagesordnungspunkt 19.1 hier nachlesen.
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