Berlin. In der SPD-Bundestagsfraktion gibt es angesichts des Erscheinungsbilds von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Kritik an Regierungssprecher Steffen Hebestreit und dem von ihm geleiteten Bundespresseamt (BPA). "Olaf Scholz wirkt leider zu oft zu defensiv und er wird auch nicht richtig in Szene gesetzt, obwohl es dafür ein eigenes Amt in der Regierung gibt", heißt es in einem Analysepapier für eine Klausurtagung der 207 Bundestagsabgeordneten, über die die "Süddeutsche Zeitung" (Samstagausgabe) berichtet.
Intern wird von SPD-Politikern kritisiert, dass es nach dem mutmaßlich islamistischen Terroranschlag von Solingen so gewirkt habe, als sei Friedrich Merz (CDU) der Bundeskanzler. Der CDU-Chef habe mit seinen Auftritten den Ton gesetzt und den Druck für schnelle Verschärfungen auf Scholz und die Ampelkoalition erhöht. In dem Papier heißt es, es gebe insgesamt eine Schieflage bei der Bewertung der Ampelkoalition. "Die fleißigste Regierung wird als schlechteste angesehen und ein tatkräftiger Bundeskanzler wird nicht an seinen Taten gemessen. Diese Kritik ist oft völlig maßlos, auch in den Medien", heißt es darin weiter.
Als besonders kritisch auch für Scholz wird von Bundes- und Landespolitikern die Landtagswahl am 22. September in Brandenburg angesehen, sollte die SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke die Macht verlieren - die SPD regiert hier schon seit 1990. Dann könne auch die erneute Kanzlerkandidatur von Scholz von einigen in Frage gestellt werden, sagten mehrere SPD-Politiker der Zeitung. Allerdings hat der immer wieder als Ersatzkandidat gehandelte Boris Pistorius immer noch nicht entschieden, ob er sich 2025 überhaupt um ein Bundestagsmandat bewerben will.
In dem Papier für die Klausurtagung der SPD-Fraktion am 5. und 6. September in Nauen wird von Scholz mehr Führung gefordert, um den Dauerstreit in der Koalition zu beenden. "Viele in unseren Reihen glauben nicht mehr, dass sich bis zur Bundestagswahl dieses Bild noch ändert - doch es muss sich ändern." Man müsse zudem vor allem ein Rezept gegen die AfD finden. Die SPD müsse die realen Probleme erkennen und auch benennen, an die die AfD anknüpfe und sich "der bitteren Wahrheit bewusst sein, dass Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft nicht vergehen wird", heißt es in dem Papier weiter. "Beherzigen wir Kurt Tucholskys Mahnung aus der Weimarer Republik: `Die Linke redete richtig, aber von Sachen. Die Rechte redete falsch, aber zu den Menschen.`"
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