Wolfenbüttel. Wie pflegt man Gemeinschaft in Zeiten des Demographischen Wandels und wie geht Kirche mit den gesellschaftlichen Veränderungen um? Diese Frage interessierte den Ministerpräsidenten Stephan Weil im Land Niedersachsen. Um diese Frage zu beantworten, besuchte der Ministerpräsident die Pfarrei St. Petrus in Wolfenbüttel. Der Bischof von Hildesheim hatte diese Pfarrei mit ihren fünf Kirchorten ausdrücklich empfohlen.
Die Krise als Chance für mehr Eigenverantwortung
Ministerpräsident Weil besuchte die Suppenküche. Foto: Thorsten Raedlein
2,5 Stunden nahm sich Ministerpräsident Stephan Weil am Aschermittwoch Zeit, um die Pfarrei in ihrer Vielfältigkeit kennenzulernen. Denn in den Gemeinden gibt es viele unterschiedliche Aktivitäten, von und für ganz unterschiedliche Menschen und Interessen an verschiedenen Orten. Die Vorsitzende des Pfarremeinderates Christiane Kreiß und Pfarrer Matthias Eggers erläuterten die Prozesse Lokaler Kirchenentwicklung. Es geht darum, dass Ehrenamtliche Verantwortung für die Kirche am Ort übernehmen. Nur so kann Kirche eine Zukunft in den neuen Großpfarrereien haben. Das bedeutet auch, dass Ehrenamtliche zukünftig Dienste übernehmen, die bisher vor allem Priester ausgeführt haben. So werden in Wolfenbüttel demnächst auch Beerdigungsleiter ausgebildet.
„Unser Bild von Pfarrei ist nicht, dass wir alles zusammen machen müssen.“, erläuterte die Vorsitzende des Pfarrgemeinderates Christiane Kreiß. Die Kirchorte vor Ort seien wichtig, dass spiegele sich auch in der „verfassten Pfarrei“, also in den Gremien wieder. Die Pfarrei St. Petrus in Wolfenbüttel ist ein Modellversuch mit ihren Kirchortsräten vor Ort und dem gemeinsamen Pfarrgemeinderat. Eine Herausforderung der Zeit ist sicherlich auch der Priestermangel. Zwei Priester betreuen die fünf Kirchorte der Pfarrei. Da kann man nicht überall dabei sein. „Es fehlt der Pfarrer vor Ort“ merkt Peter Wachsmann von der Kolpingsfamilie aus Schöppenstedt an. Auf der anderen Seite ist aus dieser Not eine ungeheure Lebendigkeit entstanden, nicht nur in der Gemeinde vor Ort, sondern auch in der Stadt. „Die Kolpingsfamilie integriert also die Stadt!“, scherzt der Ministerpräsident anerkennend.
Sich öffnen für die Menschen - Eine Herzenssache
Und nicht nur die Kolpingsfamilie öffnet sich der Stadt, sondern auch andere Gruppen, sei es der Kreuzweg der Schöpfung rund um die Asse, die Unterstützung einer Initiative zur Gründung eines Weltladens in Wolfenbüttel oder die katholische Grundschule, deren Schülerinnen und Schüler sich aktiv mit ihrer Umwelt und der Stadt auseinandersetzen. „Wir betreiben hier Herzensbildung“, erzählt Schuldirektorin Birgit Oppermann. Wichtig dabei sei auch, dass das Kollegium der Schule für die Schule „brenne“. Ein großer Gewinn dabei sei die Nähe zur Petrus-Kirche. Der Ministerpräsident ist sichtlich beeindruckt. Erst recht, als Tim Niemann ihm zusteckt, dass St. Petrus rund 100 Ministranten in den fünf Kirchorten hätte. „Ich bin ganz fasziniert von der Zahl […], ihr müsst da etwas richtig gut machen!“, drückt der Ministerpräsident sein Erstaunen aus. Pfarrer Eggers merkt dazu an, dass die Ministranten sich weitestgehend selbst organisieren.
Bevor es vom Roncalli-Haus in das Haus der Caritas ging, stand ein kurzer Besuch der Suppenküche an. 6000 Menschen werden jedes Jahr hier verköstigt. „Wer sind die Gäste“, fragt der Ministerpräsident. „Ein bunter Blumenstrauß: Rentner, Hartz-IV-Empfänger, einsame Menschen, junge alleinerziehende Mütter.“, antwortet Marianne Effe vom Leitungsteam der Suppenküche.
Im Caritashaus informierte sich Ministerpräsident Stephan Weil über das Stadtteilnetzwerk-Nord-Ost. Gemeinsam mit der Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Thomas und verschiedenen Netzwerkpartnern soll im Nord-Osten Räume geschaffen werden um Menschen verschiedener Generationen und Kulturen zusammenzubringen. Auf einer Zukunftskonferenz mit 70 Personen konnten weitere Partner für das Stadtteilnetzwerk gewonnen worden.
Am Ende des Nachmittags wirkte der Ministerpräsident etwas erschöpft und war „randvoll mit Eindrücken“, wie er selbst sagte. Er war aber auch beeindruckt von der Vielfalt in der Pfarrei.
Wie kann also Gemeinschaft im Schatten des Demographischen Wandels entstehen?
Die Pfarrei St Petrus versucht neue Antworten auf diese Frage zu geben. Kirche darf sich nicht hinter ihren Mauern in einer Parallelwelt verbarrikadieren, sondern muss sich der Welt, bzw. der Stadt öffnen. Das A und O sind die Menschen, die etwas wollen und die sich mit ihren vielfältigen Fähigkeiten einbringen wollen. Es braucht Orte der Begegnung und des Austausches.
„Machen sie weiter so!“, gibt Ministerpräsident der Pfarrei St. Petrus beim Abschied noch mit auf dem Weg.
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