Braunschweig. Dass die Landesregierung vor hat, den Standort der JVA Rennelberg mittelfristig zu schließen ist bereits seit 2014 bekannt. Mit Fertigstellung der Sanierung des "Grauen Hauses" auf dem Gelände der JVA Wolfenbüttel und der damit einhergehenden Möglichkeit die in Braunschweig untergebrachten Gefangenen dorthin zu überführen, könnte die Schließung bereits im Jahr 2023 stattfinden (regionalheute.de berichtete). Im Rahmen eines digitalen Town-Hall-Meetings diskutierte die SPD im Westlichen Ringgebiet am gestrigen Montagabend zusammen mit Interessierten über eine mögliche Nachnutzung des Gebäudes und des Grundstückes.
Massive, dicke Wände, kleine Zellen und eine "abenteuerliche Unterbringung" der Mitarbeiter im Verwaltungsgebäude beschreiben derzeit die JVA Rennelberg. Die Beschreibung passt zu der Art Gefängnis, die man sich als Kind immer vorgestellt hat. Der Geist des 19. Jahrhunderts ist hier noch immer spürbar und bietet die perfekte Kulisse für einen Film aus dem Kaiserreich. Zustände, die auch Sebastian Zinke, Vorsitzender des Unterausschusses Justiz und Straffälligenhilfe nicht abstreiten kann. Sicherheitsbedenken bestehen, das Gebäude ist im Inneren marode. Grund genug, um die Gefangenen nach Wolfenbüttel zu überführen, denn auch sie haben das Recht auf eine vernünftige Unterbringung. Doch was passiert anschließend mit dem Gebäude, welches sich im Besitz des Landes befindet?
Für einen schnellen Übergang sei es wichtig, die Überlegungen und Planungen rechtzeitig in Gang zu bringen, denn die Zeit rennt und die politischen Mühlen mahlen bekanntlich langsam, wie auch Diskussionsteilnehmer Jörn Stachura zu bedenken gab. Sollte das Gebäude der JVA Wolfenbüttel im Mai 2023 fertiggestellt sein, würde es bis 2024 dauern, bis das Gebäude leer steht und das Land alle Überprüfungen abgeschlossen habe. Müsse dann eine Nutzung festgelegt werden sei es bereits Ende 2024 und wenn es zu einer Umnutzung komme, gebe es ein Planfeststellungsverfahren und bis dann etwas passiert, sei es bereits 2026. Deswegen sei es umso wichtiger in einem vernünftigen Beteiligungsverfahren Ideen einzubringen, so auch Dr. Thorsten Kornblum, Oberbürgermeisterkandidat der SPD.
Kulturelle Vielfalt schaffen
Ideen gab es am gestrigen Montagabend bereits einige. Dass Kultur und Kunst dabei eine wichtige Rolle spielen sollen, darin waren sich die Beteiligten jedoch einig. So schlug Ulrich Walter zunächst vor eine "Kulturfabrik" mit verschiedenen Kultureinrichtungen, einem Restaurant oder einer Kneipe in dem ehemaligen Gefängnis unterzubringen. Auch Bezirksbürgermeisterin Annette Johannes könnte sich, insbesondere auch mit Bezug auf die anstehende Umnutzung des in der Nähe befindlichen Klinikums in der Holwedestraße ein "Quartier im Quartier" vorstellen. So könnten Bildungsstätten, Kunst und Kultur, ein kleines Hotel aber auch Raum für Handwerk, Kleingewerbe, wie zum Beispiel eine Geldschmiede entstehen. Daneben sollte jedoch auch Raum für gemeinschaftliches Wohnen geschaffen werden.
Dabei war die entscheidende Frage: Wir kann man es schaffen, dass junge Studenten der HBK nach ihrem Abschluss nicht nach Hannover abwandern, sondern in Braunschweig bleiben? Neben der Möglichkeit arbeiten zu können, müsse diesen Menschen auch bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung gestellt werden, so Kornblum weiter. Eine Möglichkeit dies zu schaffen bestehe darin auf dem Gelände der JVA Rennelberg Räume für Start-Ups und Coworking-Spaces zu schaffen. Denn bestimmte Angebote und Nutzungsmöglichkeiten für Künstler seien in Braunschweig nicht vorhanden, wie der Nutzer "Jean" berichtete. Eine Vielfalt von Kulturinstitutionen und die Gelegenheit für junge Künstler zu günstigen Wohn- oder Arbeitsräumen gebe es nicht. Hier müsse angesetzt werden.
Geschichte nicht vergessen
Neben der Nutzungsmöglichkeit von Kunst- und Kultureinrichtungen und der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sollte jedoch auch nicht die historische Vergangenheit des Ortes in Vergessenheit geraten. Die Erinnerungskultur sei ein wichtiger Bestandteil, der bei der Planung einer Nachnutzung nicht vernachlässigt werden sollte, so Stefan Hillger. Denn der Umgang mit den Gefangenen im Kaiserreich sei ein anderer gewesen. So sei die Historie des Ortes eng mit der Geschichte der Stadt Braunschweig verbunden und neben Gefangenen, die ihre Strafe absaßen, habe es auch diejenigen dort gegeben, die schließlich in Wolfenbüttel hingerichtet worden, so Zinke. Die JVA in Wolfenbüttel habe einen Erinnerungsort geschaffen, den es zu betrachten gelte, spiele man mit dem Gedanken etwas Ähnliches auch in Braunschweig zu forcieren.
Alle Ideen sollen nun zunächst gesammelt und in den Entscheidungsprozess mit einbezogen werden.
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