Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, die NPD für sechs Jahre von der Parteienfinanzierung auszuschließen, begrüßt. Das Urteil sei "eine Bestätigung für den Kurs, dass man den Feinden der Freiheit nicht viel Raum bieten darf", sagte Scholz bei einer Pressekonferenz am Dienstag.
Man sei bereits mit dem Antrag für ein Verfahren zum Ausschluss aus der Parteienfinanzierung "quasi einem Hinweis des Bundesverfassungsgerichts gefolgt", so der Kanzler. Das Urteil sei "natürlich auch etwas, das wir uns genau anschauen werden, was uns das in anderen Zusammenhängen sagt, die uns interessieren könnten", erklärte Scholz.
Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, sieht das Urteil als Vorbild für ein mögliches Verfahren gegen die AfD. "Das Urteil ist ein wichtiges Werkzeug im Instrumentenkasten unserer wehrhaften Demokratie", sagte der NRW-Ministerpräsident der "Rheinischen Post" (Mittwochausgabe). "Es bestätigt, dass es möglich ist, eine verfassungsfeindliche Partei von der Parteienfinanzierung auszuschließen. Die Option liegt auf dem Tisch und kann genutzt werden." Das solle allen Feinden der Demokratie eine Mahnung sein, so Wüst.
"Die AfD ist keine Protestpartei, sie ist eine gefährliche Nazipartei", sagte er. "Ein Ausschluss der AfD von der Parteienfinanzierung kann erst erfolgen, wenn ein gesichertes Gesamtbild vorliegt und Zweifel am Scheitern ausgeräumt werden - eine Option aber bleibt es."
Jedes Verfahren müsse gut vorbereitet sein. "Das nun erfolgreiche Verfahren hat bewiesen, dass sich gute Vorbereitung und sorgfältiges Arbeiten lohnten", so Wüst. Allerdings müsse die politische Auseinandersetzung mit der AfD im Fokus politischen Handelns stehen.
Grünen-Chef Omid Nouripour bewertet das Urteil als richtungsweisend. "Das Urteil ist eine gute und richtungsweisende Entscheidung für unser Land", sagte Nouripour den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Mittwochausgaben). Nouripour schlug einen Bogen zur Debatte über eine Finanzierung der AfD, indem er in dem Urteil Folgen für alle Parteien beschreibt. "Wer die Axt an die freiheitlich demokratische Grundordnung legt, darf nicht noch Geld dafür vom Staat erhalten. Das gilt für alle Parteien", sagte er.
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt forderte, alle rechtsstaatlichen Mittel im Kampf gegen die AfD zu nutzen. "Wir haben heute gesehen, was die NPD gerade erlebt, dass denen das Geld entzogen wird und die staatliche Parteifinanzierung", sagte die Grünen-Politikerin den TV-Sendern RTL und ntv. "Auch das ist ein rechtsstaatliches Mittel." Zugleich müsse die Politik sich auch inhaltlich mit der AfD auseinandersetzen.
Auch die Unionsfraktion im Bundestag lobt das Urteil. "Das heutige Urteil zeigt, dass Demokratie und Verfassungsstaat in Deutschland wehrhaft sind und wehrhaft bleiben", sagte Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, dem Nachrichtenportal "T-Online".
Die Hürden für ein Parteienverbot seien zu Recht hoch. "Umso besser, dass nun endlich feststeht, dass unter diesen Hürden auch ein Ausschluss von der Finanzierung in Betracht kommt für Parteien, deren qualifiziertes Vorgehen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung festgestellt ist", so Throm weiter.
Ob das Verfahren als Vorbild für den Umgang mit anderen Parteien tauge, "muss die Bundesregierung nun im Rahmen ihrer Verantwortung entscheiden", sagte Throm. "Unter den möglichen Antragsberechtigten liegen allein ihr alle relevanten Informationen, insbesondere solche der Verfassungsschutzbehörden, uneingeschränkt vor."
Der stellvertretende FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle warnte dagegen vor voreiligen Schritten im Umgang mit der AfD. "Die Entscheidung ist nicht ohne Weiteres auf die AfD übertragbar", sagte Kuhle dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Mittwochausgaben). "Es wäre kontraproduktiv, wenn sich die AfD in einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht als Opfer darstellen könnte." Deswegen müsse ein gerichtliches Verfahren gegen die AfD wohlüberlegt sein und dürfe nicht übers Knie gebrochen werden.
Der Berliner Politik- und Sozialwissenschaftler Nils Diederich rechnet nach der Entscheidung nicht mit Konsequenzen für die AfD. "Man muss erst mal nachweisen, dass die Gesamtpartei AfD verfassungswidrige Ziele verfolgt", sagte der emeritierte Professor der Freien Universität der "Rheinischen Post" (Mittwochausgabe). Bisher gebe sich die AfD durchaus als verfassungstreu, auch wenn sie politisch Positionen vertrete, die in Deutschland nicht mehrheitsfähig seien. "Aber das sind zwei Paar Stiefel." Die AfD müsse politisch bekämpft werden, so Diederich. Die anderen Parteien müssten sich darum bemühen, "wieder bei ihren Wählern glaubwürdig zu werden und verloren gegangenes Potenzial zurückzuholen".
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