Streit um Corona-Wirtschaftshilfen eskaliert: "Man kann die Welt nicht besser meckern!"

Aus einer eigentlich positiven Mitteilung der Verwaltung zur Aktion "Dein Gutschein für Salzgitter" entwickelte sich eine Diskussion darum, dass man noch vieles besser machen müsse, um den Unternehmen zu helfen.

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Die Ratssitzung vom gestrigen Mittwoch im Hotel am See in Salzgitter
Die Ratssitzung vom gestrigen Mittwoch im Hotel am See in Salzgitter | Foto: Rudolf Karliczek

Salzgitter. Die Aktion "Ihr Gutschein für Salzgitter" mit welcher der Einzelhandel in Salzgitter zu Zeiten des Corona-Lockdowns unkompliziert unterstützt und angekurbelt werden sollte, war ein voller Erfolg. Das war der Tenor des Sachstandsbericht, die CDU-Ratsherr Nuno Matos da Silva am gestrigen Mittwoch dem Rat präsentierte. Auf die gute Nachricht folgte ein erbitterter Schlagabtausch zwischen den Fraktionen, nachdem Sascha Pitkamin (Die Grünen) schwere Vorwürfe erhob, dass man deutlich mehr hätte machen können, aber der Wille dazu fehlte.


"Ihr Gutschein für Salzgitter" hätte besser kaum laufen können. Am 12. Mai 2020 hatte der Verwaltungsausschuss die Aktion beschlossen. Die operative Umsetzung der Aktion übernahm die Wirtschafts- und Innovationsförderung Salzgitter GmbH (WIS) in enger Abstimmung mit Wirtschaft, Verwaltung und Politik. Dazu wurden Teilnahmebedingungen, Datenschutzvereinbarungen, Formulare, die Gutscheinkarten und ein Internetportal entwickelt. Auf diesem waren 147 registrierte Unternehmen zu finden, bei denen die Gutscheine eingelöst werden konnten.

Insgesamt wurden 106.310 Gutscheinkarten für die vom 15. Juni bis zum 25. Juli laufende Aktion versendet. Im Aktionszeitraum wurden 56.957 (53,58 Prozent der versandten Gutscheine) bei den Unternehmen eingelöst und an diese eine Gesamtsumme von 284.785 EUR ausgezahlt. Die Reaktionen der Beteiligten Unternehmen wie auch der Bürgerinnen und Bürger auf die Gutscheinaktion seien sehr positiv ausgefallen.

"Es muss noch vieles folgen"


Auch Sascha Pitkamin lobt die Gutscheinaktion: "Sie hat gezeigt, was man bewegen kann, wenn alle am selben Strang ziehen." Es dürfe aber nicht die einzige Aktion sein. Es müsse noch vieles folgen, um den Unternehmen, die unverschuldet in Not geraten sind zu unterstützen. "Es gab viele kreative Ideen, die teilweise auch nichts gekostet haben, die man hätte umsetzen können. Leider ist das nicht geschehen. Ich muss hier einfach die Noten ungenügend und mangelhaft ausstellen!", konstatiert der Grüne Ratsherr.

Er erklärt seine Meinung beispielhaft an einer aus seiner Sicht gescheiterten Aktion: "Schon im Juni gab es die Idee dem den Gastronomiebetrieben zu erlauben, statt bis 22 Uhr bis 23 Uhr Getränke auszuschenken." Rein rechtlich sei das auch kein Problem: "Aber es hat zwei Monate gedauert bis man sich dazu durchgerungen hat. Es hieß, die Unternehmen dürfen ja sowieso elf Tage im Jahr länger aufhaben, wenn sie das beantragen. Man hat dann als Kompromiss gesagt wir verzichten auf Anträge. Der Betrieb kann um 17 Uhr sagen, wir machen das und abends einfach bis um 23 Uhr aufhaben." Pitkamin erklärt, dass diese Information an die Betriebe jedoch überhaupt nicht weitergeleitet wurde. "Ende August kam die Meldung: 'Das machen wir unbedingt' und bis heute habe ich nichts davon gelesen. Da muss man sich auch mal gefallen lassen, dass man eine Benotung von ungenügend oder mangelhaft bekommt."

Es geht um jede Wurst


Dies sei nicht der einzige Vorschlag gewesen. "Doch immer wieder mangelte es am Willen", meint Pitkamin und fährt fort: "Mir wurde gesagt, wenn Ihnen das so wichtig ist, dann gehen sie doch den politischen Weg. Ich fand das zynisch." Der Grünen-Ratsherr betont, dass häufig Vorschläge belächelt worden seien, wenn es darum ging, dass vielleicht "nur ein paar Bratwürste und ein paar Bier" mehr verkauft werden könnten. Aus seiner Sicht gehe es aber genau darum. "Ich möchte sie dafür sensibilisieren, dass es manchmal auch um Kleinigkeiten geht. Für diese Unternehmen ist das wichtig."

"Man kann die Welt nicht besser meckern, man kann sie nur besser machen."

- Michael Letter, Ratsherr der SPD



Michael Letter (SPD) lobt in seinem Redebeitrag die ausgesprochen gute Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Oberbürgermeister und den Fraktionen mit- und untereinander im Rahmen der Gutscheinaktion: "Ich möchte die Note mangelhaft mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Nochmal ganz deutlich, die Verwaltung und die WIS haben aus unserer Sicht eine 1 verdient, wenn ich mich auch mal als Oberlehrer aufspielen darf. Man kann die Welt nicht besser meckern, man kann sie nur besser machen."

Marcel Bürger (Grüne) stellt klar, dass es gar nicht um die Gutscheinaktion gehe: "Es ist der Umgang mit Ideen innerhalb des Wirtschaftskreises, der bemängelt wurde. Da kann ich Herrn Pitkamin nur zustimmen. Er hat doch deutlich gemacht, wo die Problemlage ist. Es geht vor allem auch darum für den Weihnachtsmarkt zu denken, wenn wir das aber tun wollen, müssen wir das jetzt tun. Schausteller brauchen Sicherheit und die müssen wir ihnen geben. Das ist, was Herr Pitkamin möchte. So hab ich ihn kennen und schätzen gelernt und das hat nichts damit zu tun, dass er als Oberlehrer auftreten möchte."

"Reden Sie doch mal über gute Dinge"


Ercan Vanli (CDU) bedankt sich ebenfalls besonders bei Wirtschaftsdezernent Jan Bohling für die positive Zusammenarbeit während der Gutscheinaktion und richtet sich an Pitkamin: "Sie reden nur über die schlechten dinge, reden sie doch Mal über die guten Dinge, die Aktionen die wir umgesetzt haben." Beispielhaft nennt Vanli die kurzfristige Erweiterung der Wohnmobilstellplatzkapazitäten und verspricht, dass man sich im Wirtschaftsbeirat künftig auch zu neuen Projekten beraten werde.

"Das Positivgerede hatten wir 30 Kilometer weiter östlich"


Ralf Ludwig, Ratsherr der FDP, hält die Kritik für berechtigt: "Wir können uns hier nicht hinstellen und nur das Positive benennen, wir müssen auch das Negative benennen. Er hat nicht abgelästert über die Gutscheinaktion, sondern gesagt was schlecht gelaufen ist und das ist die Aufgabe von einem Parlament. Das Positivgerede hatten wir 30 Kilometer weiter östlich, da wurde alles positiv geredet, obwohl eigentlich alles Kacke war. Die Linken wissen das vielleicht noch ein bisschen besser. Aber wir müssen doch hier das negative benennen können."

"Ich werde diese Vorschläge machen"


Abschließend äußert sich auch Pitkamin noch einmal zur Debatte um positives und negatives: "Klar. Kritik äußern, ohne Vorschläge zu machen geht gar nicht. Die Geschichte mit den Stellplätzen hat geklappt. Es hilft aber keiner Firma in dem Maße, wenn ein Wohnmobilstellplatz zusätzlich da ist, der nicht belegt wurde, weil es so lange gedauert hat. Aber ich werde, und das ist ja der Punkt, daran können sie uns messen, ich werde diese Vorschläge machen und dann kann man die diskutieren. Und dann kann man hinterher sagen: 'Pitkamin ist ein Schwätzer', oder 'Es hat Hand und Fuß'. Und dann werden wir mal sehen was passiert."


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