Unfaire Schülerbeförderung? Deutschlandticket nicht für alle

Sophia wohnt mehr als 2 Kilometer von der Schule entfernt, sie bekommt ein Deutschlandticket. Die Wohnung von Jonas liegt 1,9 Kilometer entfernt - er geht leer aus.

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Symbolbild. (erstellt mit Adobe Firefly)
Symbolbild. (erstellt mit Adobe Firefly) | Foto: regionalHeute.de

Region. Es war eine große Überraschung, als der Regionalverband Großraum Braunschweig im Juni ankündigte, dass Schüler zukünftig statt eines regionalen Schülertickets ein Deutschlandticket für die Beförderung bekommen sollen. Doch während sich manche Schüler zum neuen Schuljahr 2024/2025 bereits über den neuen Mobilitätsschub freuen können, stellt sich die Situation in unserer Region noch als großer Flickenteppich heraus - viele Schüler gehen nämlich leer aus.



Was zunächst als angenehmer Bonus aussieht, ist prinzipiell nur eine Sparmaßnahme. Die Kommunen sind verpflichtet, möglichst kostensparend zu arbeiten. Das Deutschlandticket für Schüler war für die Kommunen einfach günstiger als die bisherige Sammel-Schülerzeitkarte (SSZK). Dass damit nun aber ein Teil der Schüler einen theoretischen Vorteil gegenüber ihren Mitschülern hat, das liegt an den Beförderunsgrenzen in unseren kreisfreien Städten und Landkreisen. Denn nur Schüler, die Anspruch auf die bisherige SSZK haben, bekommen auch ein Deutschlandticket. Alle anderen können nur die vergünstigten Schülertickets kaufen, welche dann allerdings maximal regional nutzbar sind.

Welche Schüler einen Anspruch auf Beförderung haben, das regelt jede Kommune selbst. Dies wird durch die Entfernung zwischen Wohnort und Schule definiert, also den Schulweg. Liegt dieser über einer vorher bestimmten Grenze, dann ist ein Schüler zur Beförderung berechtigt.

Dies fällt in unseren kreisfreien Städten und Kommunen mit nur einer Ausnahme recht ähnlich aus und ist an dem niedersächsischen Schulgesetz angelehnt.

So ist die Situation im Großraum Braunschweig


In Braunschweig muss der Abstand mindestens 2 Kilometer betragen. Aktuell trifft dies hier beispielsweise auf etwa 9.000 der 21.000 Schüler zu, die theoretisch anspruchsberechtigt wären - also die 1. bis 10. Klassen der allgemeinbildenden Schulen. Hinzu kommen noch ein paar Ausnahmefälle an Förderschulen oder berufsbildenden Schulen, hier könnten unter gewissen Voraussetzungen (beispielsweise Beeinträchtigungen) ebenfalls die Beförderungskosten übernommen werden. Wer keinen Anspruch auf Schülerbeförderung hat, der könne ein 15-Euro-Schülerticket erwerben.

In Wolfsburg liegt die Entfernung für die Jahrgänge 1 bis 6 bei 2 Kilometern, für die 7. bis 10. Klasse bei 3 Kilometern. Die gleichen Abstände gelten auch für Salzgitter, Peine, Helmstedt.

In Wolfenbüttel und Gifhorn liegt der Abstand für die 1. bis 4. Klasse bei 2 Kilometern, für 5. bis 10. Klasse bei 3 Kilometern und für Schüler an einer berufsbildenden Schule im Sekundarbereich II bei 4 Kilometern.

Eine Ausnahme bildet hier Goslar, da liegt der Abstand bei 2 Kilometern im Primärbereich, 3 und 3,5 Kilometer im Sekundarbereich I und sogar 6 Kilometer für Berufsschüler. Hier kostet das selbst finanzierte Schülerticket 29 Euro.

Für alle Schüler bietet der Regionalverband Großraum Braunschweig übrigens ein 30 Euro-Schüler-Ticket.



Wie viel würde es kosten alle Schüler zu versorgen?


Allen Schülern die Möglichkeit einer Schülerbeförderung in Form eines Deutschlandtickets zur Verfügung zu stellen, würde die Kommunen erheblich mehr Geld kosten.

Dies zeigt das Beispiel Braunschweig:
Eine Sammel-Schülerzeitkarte, welche derzeit in Form eines Deutschlandtickets ausgegeben wird, kostet die Kommune 588 Euro je Schüler für ein Schuljahr.

Wenn für die Berechnung der zusätzlichen Kosten die oben genannte Anzahl von rund 21.000 Schülern bei bisher etwa 9.000 ausgegeben Fahrkarten zugrunde gelegt würde, entspräche dies weiteren rund 12.000 Schülern und somit zusätzlichen rund 7 Millionen Euro Kosten pro Schuljahr.

Mehrkosten in den anderen Kommunen:
- Gifhorn: Berechnung nicht möglich. Benötigte Zahlen aus der amtlichen Schulstatistik liegen noch nicht vor.
- Goslar: Die Kosten beliefen sich inklusive Berufsschüler auf circa 9,1 Millionen Euro pro Jahr. Dies entspräche einer Steigerung zu den heutigen Kosten um etwa 6,8 Millionen Euro.
- Helmstedt: Für ein gesamtes Jahr lägen die Kosten bei der derzeitigen Schülerzahl im Landkreis bei insgesamt rund 5 Millionen Euro.
- Peine: Es wird von einem finanziellen Mehraufwand im mittleren sechsstelligen Bereich ausgegangen.
- Salzgitter: Es wäre mit Kosten von etwa 8.643.600 Euro zu rechnen. Zieht man die Anspruchsberechtigten ab, verblieben immer noch rund 6.762.000 Euro.
- Wolfsburg: Berechnung ist nicht erfolgt.
- Wolfenbüttel: Alle Schüler zu befördern würde 8.349.600 Euro kosten.

Sehen die Verwaltungen Handlungsbedarf?


Die kommunalen Verwaltungen stehen auf Anfrage von regionalHeute.de hinter der Regelung. Diese leite sich aus dem niedersächsischen Schulgesetz ab und es hätte entsprechende Ratsbeschlüsse gegeben. Die Entfernung zwischen Wohnort und Schule sei ein guter Indikator, um die Berechtigung zu regeln.

Verständnis für die ungleiche Behandlung zeigt man allerdings beim Landkreis Goslar:
"Die kostenlose Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) für alle Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende ist ein sicherlich romantischer, aber eben auch sehr kostspieliger Gedanke. Um dies umzusetzen, müssten die Verkehrsträger und Unternehmen mit einer auskömmlichen Menge Geld ausgestattet werden. Dort wiederum benötigt es im Umkehrschluss dann Personal, Fahrzeuge und intakte Infrastruktur. Kann dies nicht geleistet werden, bleibt immer irgendetwas unvollständig und letztlich auch ein Stückweit ungerecht."

Und im Landkreis Peine würde man sich die Situation auch anders wünschen:
"Um bei diesem Thema einen landesweiten Flickenteppich zu vermeiden, wäre es aus unserer Sicht sinnvoll, wenn das Land eine entsprechende Regelung für eine eventuelle Bereitstellung des D-Tickets für alle Schülerinnen und Schüler treffen würde. Dabei müsste allerdings auch die Finanzierbarkeit berücksichtigt und gewährleistet werden."

Wie die Stadt Salzgitter erklärt, wäre es schlicht zu teuer:
"Die Mehrkosten [...] würden nach den aktuell geltenden gesetzlichen Regelungen eine freiwillige Leistung der Stadt Salzgitter darstellen und wären angesichts der finanziellen Leistungsfähigkeit der Stadt aktuell gar nicht zu finanzieren, ohne an anderer Stelle zu Einsparungen in gleicher Höhe zu kommen."

Demnach müsste es schon eine landesweite Neuregelung und Unterstützung bei der Schülerbeförderung geben, um wirklich allen Schülern gleiche Mobilität zu ermöglichen.


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