Goslar. In der vorletzten Woche beriefen SPD und FDP eine aktuelle Stunde im Rat der Stadt Goslar ein, um über Unstimmigkeiten im Vergabeverfahren zur Brachflächensanierung Kattenberg zu informieren. Dabei unterstellten sie dem Oberbürgermeister wegen eines fehlenden Dokuments Aktenmanipulation - legten das ihnen angeblich vorliegende Schreiben jedoch nicht vor. In einem gemeinsamen Schreiben an Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk, das regionalHeute.de vorliegt, erklären die federführenden Ratsherren Stefan Eble (SPD) und Stephan Kahl (FDP) nun erstmals, weshalb das Dokument trotz scharfer Kritik unter Verschluss gehalten wird - Junk müsste es zunächst freigeben. Doch das ist nicht alles - die aktuelle Stunde sei wohl zunächst zu einem ganz anderen Zweck einberufen worden.
Bei dem fehlenden Schreiben handelt es sich um ein Beschwerdeschreiben der Investorengruppe Folkert Bruns und Hans-Joachim Tessner, die sich neben der Klosterkammer für das Kattenberg-Grundstück interessiert hatten. Mitten im Ausschreibungsverfahren hatte sich nach Angaben von SPD und FDP eine wichtige Vorraussetzung in der Ausschreibung verändert: Das Sanierungskostenrisiko lag plötzlich nicht mehr beim Investor, sondern bei der Stadt. Ein Punkt, den auch das Rechnungsprüfungsamt der Verwaltung und dem Oberbürgermeister ankreidete, zumal die Möglichkeit zum einseitigen Rücktritt vom Vertrag - ein letzter Ausweg für die Stadt - später auch noch verschwand.
Über die Änderung bezüglich des Sanierungskostenrisikos sei nur die Klosterkammer informiert worden, nicht die Investoren Bruns und Tessner. Diese erfuhren von dem Zuschlag für die Klosterkammer erst aus der Zeitung, woraufhin sie am 24. Februar 2016 ein Beschwerdeschreiben an Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk verfassten. Am 29. Februar habe dann ein Gespräch im Büro des Oberbürgermeisters stattgefunden.
Das geheime Schreiben
Ferner beinhalte das Schreiben auch einen Vermerk eines der Investoren über den Gesprächsablauf, so SPD-Oberbürgermeisterkandidatin Urte Schwerdtner in einer Antwort auf den "offenen Brief" von SPD, CDU, Grünen und Bürgerliste, die sich über Form und Stil der aktuellen Stunde beschwerten. Oberbürgermeister Junk soll demnach die Bitte geäußert haben, das Schreiben nicht zu den Akten nehmen zu müssen. "Seitens der Investoren wurde aber offenbar gerade darauf bestanden, das Schreiben in die Akten aufzunehmen", erklärt Schwerdtner und fährt fort: "Da das betreffende Schreiben nach der Überzeugung der Ratsherren Eble und Kahl zum Zeitpunkt ihrer wiederholten Akteneinsicht nicht Bestandteil der Kattenberg-Akten war und der beigefügte Vermerk ebenfalls als eindeutiger Hinweis darauf zu werten war, dass das für den Vorgang wichtige Schreiben entweder nie zur Akte gelangt oder wieder herausgenommen wurde, sollte die aktuelle Stunde demnach auch zur Aufklärung dieser Fragestellung genutzt werden." Doch weshalb wurde das Schreiben dem Rat nicht zur Verfügung gestellt?
Bürgermeister müsste Dokument freigeben
Eble und Kahl erklären in einem Brief an den Oberbürgermeister, warum sie das Schreiben trotz mehrfacher Aufforderung unter Verschluss hielten: "Da sich dieses Schreiben nach unseren Feststellungen zwar nicht bei den Akten befindet, nach unserer Rechtsauffassung aber Aktenbestandteil ist und wir im Rahmen der Akteneinsicht eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet haben, bitten wir Sie zunächst die Freigabe dieses Schriftstücks - von dem sich eine Kopie in unserem Besitz befindet - zu erklären." In einem interfraktionellen Gespräch am 10. Juni habe der Oberbürgermeister nach einem Abgleich erklärt, selbst im Besitz des Schreibens zu sein. Eble und Kahl weiter: "Daher würden wir Sie bitten, das Schreiben dann von dort aus den anderen Fraktionsvorsitzenden zur Verfügung zu stellen oder anderenfalls uns gegenüber dessen Freigabe zu erklären." Abschließend erklären die Ratsherren: "Nachdem Sie persönlich stets maximale Transparenz in diesem Vorgang zugesichert haben, dürfte eine schnelle Aufklärung auch in Ihrem Interesse liegen."
Kommunalaufsicht prüft Vorgang bereits seit August 2020
regionalHeute.de erfuhr bereits vor der Ratssitzung am 8. Juni von den Ermittlungen der Kommunalaufsicht im Innenministerium bezüglich des Kattenbergs. Wie jedoch nun bekannt wurde, hat diese Ermittlung keineswegs etwas mit dem Vorwurf der Aktenmanipulation zu tun. "Bereits im August 2020 ging bei der Kommunalaufsicht im Innenministerium Hannover die Beschwerde einer Bürgerin zu den Vorgängen rund um das Baugebiet Kattenberg ein", berichtet Urte Schwerdtner. Zu dieser Beschwerde habe es einen Austausch zwischen der Stadtverwaltung und dem Innenministerium gegeben. Wie das Innenministerium unserer Online-Zeitung erklärt, fehlen jedoch nach wie vor Stellungnahmen der Stadtverwaltung, eine Prognose über Ausgang oder Ergebnis der Ermittlungen sei nicht möglich. "Obwohl wir um regelmäßige und umfängliche Information gebeten haben und Herr Dr. Junk allen Fraktionen maximale Transparenz zugesichert hat, wurden wir von diesen Vorgängen im Vorfeld nicht unterrichtet", so Schwerdtner weiter. Aus diesem Grund habe man ursprünglich eine aktuelle Stunde beantragt. Tatsächlich erfolgte dann doch - im nicht öffentlichen Verwaltungsausschuss am 1. Juni - eine Unterrichtung der Ratsmitglieder über das Tätigwerden der Kommunalaufsicht. Das in den Akten fehlende Schreiben der Investoren wurden den Ratsherren Eble und Kahl - mit unbekanntem Absender - erst später zugesandt und dann zum Gegenstand der aktuellen Stunde gemacht.
Schwerdtner räumt Fehler ein
Abschließend geht Schwerdtner in ihrer Antwort auf den offenen Brief von CDU, Grünen, Linken und Bürgerliste auf die Kritik an Form und Stil der vorgebrachten Wortbeiträge der Ratsherren Eble und Kahl ein: "Auch wenn die Vorgehensweise und die Formulierungen in den Redebeiträgen aus heutiger Sicht hätte sensibler erfolgen können, sollte der Focus wieder auf die Sachaufklärung, zu der wir alle verpflichtet sind, gerichtet werden". Junk ließ sich über diese Wortwahl hinterher in seinem Podcast aus, was wiederum SPD und FDP sauer aufstieß. Schwerdtner regt ein persönliches Gespräch an, um eine Grundlage für weitere Zusammenarbeit zu schaffen. Die SPD-Oberbürgermeisterkandidatin abschließend: "Sofern auch ich als Fraktionsvorsitzende Verantwortung dafür trage, dass eine vorherige Information der Fraktionen unterblieben ist, entschuldige ich mich dafür an dieser Stelle. Mir ist nach wie vor die Zusammenarbeit mit Ihnen wichtig. "
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