Niedersachsen. Drei Regierungserklärungen in nur drei Monaten sind in der Regel ungewöhnlich. In der aktuellen Krise hält Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die hohe Taktzahl jedoch für nötig. In seiner heutigen Rede vor dem Landtag, die regionalHeute.de vorliegt, geht es auch um zukünftige Lockerungen. So werden etwa Erleichterungen für Familien und Altenheime angekündigt. Auch weitere soziale Bereiche sollen demnach "intensiv betrachtet" werden. Weil stellt sich außerdem vor die von der Krise betroffenen Unternehmen - und verteidigt Kaufanreize für die Automobilindustrie.
Die aktuelle Situation, so Weil, sei vergleichsweise erfreulich: Die eintreffenden Zahlen von COVID-19 genesener Personen seien wesentlich höher als die Neuerkrankungen. Ein Trend, der sich auch positiv auf die Krankenhäuser auswirke, erklärt Weil. Dadurch, dass aktuell weniger als zehn Prozent der Intensivbetten belegt seien, könnten die Krankenhäuser wieder in einen gewissen Regelbetrieb zurückkehren. Damit würde die Situation in den Hospitälern wieder planbarer. Entwarnung will der Ministerpräsident trotzdem nicht geben - die Situation sei noch nicht ausgestanden. Innerhalb von 72 Stunden könnten die Krankenhäuser im Zweifelsfall wieder in den Krisenmodus versetzt werden, verspricht der SPD-Politiker.
Denn die Krise sei noch nicht ausgestanden. Im Gegenteil. In den kommenden Monaten käme es auf das Verantwortungsbewusstsein der Menschen an, erklärt Weil. Es sei spürbar, wie gespalten die Gesellschaft in der Frage nach Lockerungen sei, aber: "Wir müssen die Gesellschaft jetzt zusammenhalten, wir müssen die Ängste und die Sorgen aufnehmen und gleichzeitig auch Perspektive und Orientierung geben." Ein erster Schritt sei etwa die Erlaubnis für Treffen von Angehörigen aus zwei Haushalten. Die Situation könne sich aber ständig ändern.
Erleichterungen für Familien und Altenheime - Weitere Lockerungen noch im Mai?
Demnach will die Landesregierung im Zwei-Wochen-Takt die Lage neu beurteilen. Das könnte bei gleichbleibend guten Zahlen weitere Lockerungen bedeuten. Um ein Umschlagen der Zahlen zu verhindern, müssten Kontaktbeschränkungen auch weiterhin gelten, ebenso wie die Maskenpflicht im ÖPNV oder Läden. Polizei und Behörden seien angewiesen diese Regelungen "konsequent" durchzusetzen. Sie und die Bereitschaft der Bevölkerung sich an die Vorgaben zu halten, seien die Grundlage für weitere Lockerungen.
Eben diese Lockerungen verspricht Weil nun vor allem für Familien und Altenheime. Demnach soll die Notbetreuung in Kita und Kindergärten Schritt für Schritt ausgeweitet werden, zunächst mit kleineren, aber dafür mehr Gruppen. Gleiches verspricht Weil für die Schüler "jüngerer Jahrgänge". Die sollen nach Willen der Landesregierung noch vor den Sommerferien den Unterricht wieder aufnehmen. Auch Altenheime sollen von den Lockerungen profitieren. Demzufolge sollen Bewohner eine feste Person angeben können, mit der sie persönlichen Kontakt haben können.
Weil spricht sich für Kaufanreize für Autos aus
Niedersachsen, so Weil, arbeite derzeit an einen "Stufenplan", der den Weg zurück in einen "Alltag unter den Bedingungen von Corona" ebnen solle. Ein solcher sei bundesweit einzigartig. Für einen Stufenplan sei aber eins wichtig: "Wir müssen in Phasen denken", erklärt der Ministerpräsident. Die schrittweise Rückkehr in den Alltag sei zwar nötig, keine Gesellschaft könne ewig im Krisenmodus bleiben, sie müsse jedoch unter Abwägung der Tatsachen und aktueller Situationen geschehen. Lockerungen seien nicht Mittel zum Zweck. Weil stellt klar: "Wir wollen nicht Lockerungsweltmeister werden."
Und doch seien die Schäden bereits jetzt spürbar. Die Wirtschaft habe schwer gelitten, die langfristigen Folgen nicht absehbar. Daher sei es nötig der Wirtschaft wieder auf die Füße zu helfen. In der sich abzeichnenden "Durststrecke", die die Industrie in den nächsten Jahren durchleben müsse, sei es wichtig stützend zu wirken. Gerade auch bei der Autoindustrie. "Ich bin sehr dafür, Kaufanreize und Klimaschutz von Anfang an in einem Konzept gemeinsam zu denken, aber ich wende mich strikt dagegen, die niedersächsische Leitindustrie in dieser schwierigen Situation allein zu lassen", erklärt Weil.
Steuerschätzungen für 2020: "Das wird kein guter Tag"
Dabei ginge es nicht einmal allein um Volkswagen selbst, sondern um die "kleineren und mittleren Zuliefererbetriebe", an denen tausende Arbeitsplätze hingen. An dieser Stelle stellt sich Weil deutlich hinter die niedersächsische Autoindustrie und spricht sich für Kaufanreize aus. Die Sicherung der Arbeitsplätze müsse höchste Priorität genießen: "Diejenigen, die Kaufanreize für Fahrzeuge mit starken Worten ablehnen, möchte ich daran erinnern, dass sich wegen dieser Flaute mehrere Hunderttausend Menschen ganz konkret bei uns in Niedersachsen Sorgen um ihre Arbeitsplätze machen."
Bereits jetzt gingen die Steuereinnahmen spürbar zurück. Die Gesellschaft habe sich in den letzten Jahren an eine gute wirtschaftliche Situation gewöhnt und die Arbeitslosigkeit nicht als größeres Problem erkannt. In der Krise könne sich das ändern. Beginnend mit den Staatsfinanzen. In den nächsten Tagen würde das Ergebnis der Niedersächsichen Steuerschätzung eintreffen. "Das wird kein guter Tag werden", so Weil. Bereits jetzt rechnet das Land mit "kräftigen Steuerausfällen" wegen der COVID19-Pandemie.
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