300-jähriges Jubiläum - Sankt Trinitatis und die Gärtner


Ein würdiger Platz für das Gärtnerdenkmal vor der Sankt Trinitatiskirche, mit der auch die 300-jährige Verbundenheit und Zusammengehörigkeit ausgedrückt wird. Foto: Andreas Meißler
Ein würdiger Platz für das Gärtnerdenkmal vor der Sankt Trinitatiskirche, mit der auch die 300-jährige Verbundenheit und Zusammengehörigkeit ausgedrückt wird. Foto: Andreas Meißler

Wolfenbüttel. Jüngst wurde im Rahmen des 300-jährigen Jubiläums der Sankt Trinitatiskirche zu einer thematischen Führung rund um die Gärtner und "ihrer" Kirche eingeladen. Dr. Christoph Schaper führte in seinem einstündigen Vortrag mit dem anschließendem Gang durch die Kirche anschaulich und zugleich kurzweilig durch die vergangenen fünf Jahrhunderte. Dies berichtet das Gärtnermuseum.


Das Leben, der Alltag und die Entwicklungen der hiesigen Gärtner seien anhand zahlreicher Beispiele aus historischen Quellen eindrucksvoll präsentiert worden. Der Vortragende sei zu Beginn seiner Ausführungen auf die Bedeutung der Sankt Trinitatiskirche und ihrer gleichzeitigen Funktion als Garnisonskirche bis 1945 eingegangen. Das intensive militärische Geschehen wurde mit einem eigenen Geistlichen gestaltet und auf den Emporen fanden die Regimenter ihren Sitzplatz. Bis zu 1.200 Plätze hätten einst im größtem Raum Wolfenbüttels zur Verfügung gestanden.

Wochenmärkte bereits seit der frühen Neuzeit


Schaper habe weiter ausgeführt, dass ab 1532, in der Zeit Heinrich des Jüngeren, die Prägung durch die Gärtner stattfand. Altgediente Militärs hätten Gartenland zur Selbstversorgung erhalten. Daraus entwickelten sich mit Beginn des 17. Jahrhunderts erste Berufsgärtner. Das gute Land, die "warme Wanne", und beste Absatzmärkte hätten schließlich zur Blütezeit um den Ersten Weltkrieg mit annähernd 150 Betrieben gezählt.

Erstaunen bei den Gästen: Seit 1570 werde regelmäßig der Wochenmarkt veranstaltet und ab 1590 immer am selben Ort, auf dem Stadtmarkt. Auch den Harz und sein Umland galt es zu versorgen. Eine besondere Bedeutung habe die Belieferung der Berliner Märkte nach dem Zweiten Weltkrieg dank der Braunschweiger BOGA, ein großer Obst- und Gemüsehandel als Vermarktungsgesellschaft von 1947 bis 1999 erlangt. Mit der Wiedervereinigung wurde Berlin für die Wolfenbütteler Erwerbsgärtner bedeutungslos.

"Die Gärtner haben eine längere Geschichte als die Kirche und bildeten immer den Kern der Gemeinde. Die Einwohner innerhalb der Wälle besuchten hingegen die Hauptkirche," so Schaper. Wolfenbüttel war "umzingelt" von Gärtnern. Nach Auflösung der herzoglichen Vorwerke Am Roten Amte und dem Grauen Hof vergrößerten sich ab 1754 mit dem Wegzug des Hofes die Betriebe und der Berufsstand habe eine sehr hohe Ausprägung zur Kirche gezeigt. Laut den erhaltenen Kirchenbüchern habe es sogar Streitfälle um die besten Plätze in der Gemeinde zu Gottesdiensten gegeben. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurde ein Stuhlregister geführt. Hier sind noch heute die Anträge zu den begehrten Sitzplätzen mit Namen in der Gemeindemitte verzeichnet. Sehen und gesehen werden lautete schon damals das Motto. Sogar Familiensitzplätze seien in den Protokollen der Kirchenvorstände, besetzt mit Gärtnern, aufgeführt. Rekordhalter sei Hermann Sapper. Er gehörte unglaubliche 54 Jahre, von 1882 bis 1936, dem Vorstand als Gärtner an.

Von Veranstaltungen und Naturgewalten


Die Ausführungen zum Ablauf des Gärtnerjahres hätten vor allem das aufmerksame Fachpublikum erfreut. Ob zum Kostümfest im Februar, dem Erntebittgottesdienst am Sonntag vor Himmelfahrt - ein "Hagelfängertag" mit eigener Ordnung, dem Erntedankgottesdienst, dem Herbstball Ende November, dem Kinderfest zu Weihnachten oder dem Abschluss in Linnes Garten - die Zuhörer hätten sich eifrig mit ihren Beiträgen beteiligt. Ein besonderes Kapitel bildeten in diesem Zusammenhang die Naturgewalten der vergangenen 200 Jahre mit strengen Wintern, Dürren, Unwettern und Überschwemmungen.

Auch die sich wandelnden Produktpaletten seit dem 16. Jahrhundert, beginnend mit Kohl, Salaten und Möhren, der Erweiterung ab 1700 und nachfolgenden Belieferung des Braunschweiger Hofes, sogar mit Tabak und Spargel, hätten bei den Gästen für Zustimmung gesucht. "Jeder Gärtner hatte schließlich alles im Angebot", erklärte Schaper. Sechs Konservenfabriken habe es in Wolfenbüttel und ab 1905 am Neuen Weg 30 die Breymannsche Gartenbauschule gegeben. 1741 stellten die Gärtner den Antrag auf Errichtung einer Gilde beim Herzog, um die Konkurrenz aus Braunschweig auf Distanz zu halten. Die "politische Berufsvertretung" erhielt keine Genehmigung. In der Folge regelten die Gärtner alle Belange des Lebens eigenständig in Vereinsformen. So habe es unter anderem eine Kuh-, Ziegen-, Schweine- und Pferdekasse gegeben.


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