Ein britischer Soldat erzählt: "Besser als Wolfenbüttel ging es nicht!"

Bis 1994 waren britische Soldaten am Exer stationiert. Nach Ende des Kalten Krieges zogen die Soldaten jedoch wieder ab - gute Erinnerungen behielten sie trotzdem. Ein Gespräch mit einem ehemaligen Panzerspäher.

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Bis 1994 waren britische Soldaten am Exer stationiert. Hier reinigen zwei von ihnen einen Spähpanzer.
Bis 1994 waren britische Soldaten am Exer stationiert. Hier reinigen zwei von ihnen einen Spähpanzer. | Foto: Simon Hogben

Wolfenbüttel. Wo heute Studenten büffeln und das DRK ein Restaurant betreibt, da standen bis vor 26 Jahren Panzer und Geschütze. Denn bis 1994 diente das Gelände am Exer der britischen Armee als Kaserne. Unter den vielen Soldaten, die hier ihren Dienst taten, war auch Simon Hogben, der heute bei Paderborn lebt. Ein Gespräch über den Soldatenalltag, deutsches Bier und Tattoos auf unpassenden Körperteilen.


Als Simon Hogben 1971 in die Royal Army eintrat, war er gerade 15 Jahre alt. "Die Zeiten waren anders, heute geht das in Großbritannien auch nicht mehr", erzählt der heute 64-jährige Ex-Soldat. Er war bereits als Kind bei den "Royal Army Cadets", eine Art Pfadfindergruppe, die direkt der Armee unterstand. Von daher sei der Schritt in die Streitkräfte der logische Schritt gewesen. Zwei Jahre sei er ausgebildet worden, bis er schließlich volljährig war. Dann ging es nach Zypern.

Simon Hogben als Sergeant der britischen Armee. Das Foto entstand 1986 auf einer Übung.
Simon Hogben als Sergeant der britischen Armee. Das Foto entstand 1986 auf einer Übung. Foto: Simon Hogben


In Zypern habe er auf dem Flughafen von Nikosia gedient, als die Türkei 1974 ihre Invasion auf Zypern begann. Der Flughafen wurde zur UN-Schutzzone erklärt, die britischen Soldaten waren also sicher. Und doch tobte der Krieg auf der Insel. Der endete zwar schnell und die Briten gerieten nicht ins Kreuzfeuer, ein flaues Gefühl blieb dennoch. Danach sollte es jedoch anders kommen: Nach einem einzigen Weihnachtsfest zu Hause, ging es für Simon "Pim" Hogben und seine Kameraden nach Wolfenbüttel. Und, so Hogben, besser hätte es nicht laufen können.

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Von deutschem Bier und unpassenden Tänzen


Im Januar 1976 trafen die britischen Soldaten in Wolfenbüttel ein. Deutschland, erzählt Hogben, war eine völlig neue Erfahrung, gerade Wolfenbüttel. "Wolfenbüttel war die beste Stationierung, die man kriegen konnte. Das sage nicht nur ich, das erzählen viele Soldaten, die hier waren." Die Stadt selbst sei schön, vor allem ihre Kneipen, mit Braunschweig in direkter Nähe. Kaum in Deutschland angekommen, merkten die jungen Soldaten vor allem eins: Deutsches und englisches Bier, das sind verschiedene Welten. "Das deutsche Bier hat eine viel stärkere Wirkung."

Das hielt die jungen Soldaten jedoch nicht davon ab die deutschen Kneipen unsicher zu machen: Jägereck, Herzogsschenke, Danziger Eck - keine Kneipe sei vor den "Tommys" sicher gewesen. So lernte Hogben auch seine Frau kennen. An einem Abend tanzte einer seiner Kameraden bereits auf einem Tisch. "Er hatte da so ein Tattoo auf dem Hintern. Wenn er viel getrunken hatte, dann ließ er auch gerne mal die Hosen runter", erinnert sich Hogben. Das Tattoo bestand aus zwei Augen, je eins auf jeder Pobacke. So sollte der Hintern ein Gesicht darstellen.

Pim wurde damals von einer Frau angesprochen, die in der Kneipe arbeitet, er möge doch bitte seinen Kumpel vom Tisch holen oder ihm zumindest seine Hose wieder anziehen. Dabei sei es jedoch nicht geblieben: "Wir sind bis heute verheiratet", erzählt der ehemalige Panzerspäher.

Der eintönige Kasernenalltag


Der Dienst in Wolfenbüttel habe jedoch nicht nur aus Feiern und heruntergelassenen Hosen bestanden, der Kasernenalltag sei eintönig und teils hart gewesen. Viel Sport, viel Arbeit. Die Panzer und Soldaten mussten in Schuss gehalten werden, immerhin war die Rote Armee kaum zwei Stunden Fahrtzeit entfernt. Die "16th/5th The Queen's Royal Lancers" wären an vorderster Front gewesen, wenn der Kalte Krieg heiß geworden wäre. Zumal die in Wolfenbüttel stationierten Soldaten auch Patrouillen an der Grenze fuhren. Ein prägendes Erlebnis für die jungen Soldaten. "Wir sahen die Ferngläser auf der anderen Seite", erinnert sich der damalige Feldwebel. Jeder Schritt sei beobachtet worden.

Entsprechend wollte man vorbereitet sein. Ständig sei es auf Manöver gegangen, in ganz Deutschland. Man übte gemeinsam mit den Amerikanern, der Bundeswehr und anderen Verbündeten. Die Soldaten sollten stets auf den Ernstfall vorbereitet sein. Der damals bestehende Truppenübungsplatz in Braunschweig sei regelmäßig besucht worden. "Wir spielten hart", sagt Hogben in Anlehnung an ein englisches Sprichwort, "wir arbeiteten aber auch hart."

Von der Panzergarage zum Unterrichtsraum


Heute lebt Simon Hogben bei Paderborn, dem Ort seiner letzten Stationierung und ist mittlerweile in Rente. Nachdem er 1992 aus der Armee ausschied, eröffnete er eine Kneipe nahe des noch heute bestehenden Standortes der damaligen britischen Rheinarmee. Er wollte den britischen Soldaten einen Rückzugsort bieten. 1998 schloss die Kneipe, bis zur Rente leitete der heute 64-Jährige einen Lebensmittelladen. Wolfenbüttel ist er bis heute treu geblieben.

Simon Hogben heute. Nach seiner Karriere in der Armee führte er eine Kneipe und einen Lebensmittelladen. Heute lebt der 64-Jährige in Paderborn.
Simon Hogben heute. Nach seiner Karriere in der Armee führte er eine Kneipe und einen Lebensmittelladen. Heute lebt der 64-Jährige in Paderborn. Foto: Simon Hogben


Regelmäßig treffen sich die "Exer-Veteranen" in Wolfenbüttel, immer im selben Restaurant. Mittlerweile hätte sich das ehemalige Regiment auf die ganze Welt verteilt, dennoch kämen sie immer wieder. "Manche kommen aus Kanada oder den Vereinigten Staaten, viele sind aber auch in Deutschland geblieben." Mehrmals hat der Hobbyfotograf seine ehemalige Kaserne besucht. Und jedes Mal freute er sich. "Es ist toll, was sie daraus gemacht haben." Die Kaserne in Langeleben habe man verfallen lassen, mit dem Exer habe man etwas Gutes geschaffen. Besonders eins fiel Hogben jedoch auf: "Die haben aus meiner Panzergarage einen Unterrichtsraum gemacht!"


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