Entscheidung gefallen! Hier kommt das Kriegerdenkmal jetzt hin

Die Denkmalpflege hatte eine Stellungnahme abgegeben, doch es kam anders.

von


Zuletzt stand das Denkmal seitlich vor dem Zeughaus.
Zuletzt stand das Denkmal seitlich vor dem Zeughaus. | Foto: Archiv/regionalHeute.de

Wolfenbüttel. Jahrelang diskutierte die Politik über die Wiederaufstellung des Kriegerdenkmals und einen geeigneten Standort dafür. Jetzt hat der Rat der Stadt Wolfenbüttel eine Entscheidung getroffen. Und die fiel nicht nur knapp aus, sondern widersetzte sich auch der Einschätzung des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege.



Das Kriegerdenkmal von 1880 erinnert an den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 und ist den 52 in diesem Krieg gefallenen Soldaten aus dem Landkreis Wolfenbüttel gewidmet. Der einstige Kreisbaumeister Carl Müller entwarf das sieben Meter hohe Monument für den Schlossplatz. Wie die Stadt Wolfenbüttel schreibt, wurde das Denkmal in den mehr als 140 Jahren seiner Existenz mehrfach verändert. 1959 wurde es im Rahmen einer Umgestaltung des Schlossplatzes vor das Zeughaus gesetzt und bei einer erneuten Umgestaltung im Jahr 2016 dann abgebaut und eingelagert.

Jahre der Diskussion


Eigentlich hatten die Ratsabgeordneten im Zuge der Schlossplatz-Umgestaltung bereits vor mehr als zehn Jahren beschlossen, dass das Denkmal auch wieder aufgestellt wird. Doch die Jahre vergingen und die politischen Akteure und Meinungen änderten sich. So wurde zuletzt viel darüber diskutiert, ob man das Denkmal überhaupt wieder aufstellen sollte und falls ja, in Gänze oder nur mit Fragmenten der letzten Version. Die Hauptfrage war am Ende jedoch: Wo soll es stehen?

Während die einen die Wallanlagen am Stadtgraben bevorzugten, sprachen sich die anderen für eine unmittelbare Wiederaufstellung des Kriegerdenkmals am Schlossplatz aus. Letzteren Standort haben auch die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Wolfenbüttel sowie das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege präferiert. Doch die Ratsabgeordneten widersetzten sich mehrheitlich der Fachexpertise und folgten einem Vorschlag der Stadtverwaltung, das Kriegerdenkmal am Stadtgraben wiederzuerrichten. Am Schlossplatz soll dann nur eine Hinweistafel über den ursprünglichen Standort informieren. Die Entscheidung gegen den Schlossplatz fiel mit 19 zu 17 Stimmen und einer Enthaltung sehr knapp aus

Geheime Abstimmung über den Standort


Absolut ungewohnt und bei solch einem Thema vielleicht auch ein Novum traf der Rat der Stadt Wolfenbüttel diese Entscheidung in geheimer Abstimmung. Beantragt hatte das die CDU-Fraktion, damit sich jeder von einem möglichen Fraktionszwang lösen sollte. Der SPD-Fraktionsvorsitzende begrüßte dies nicht, sollte seiner Meinung nach doch jeder sehen wie sich die einzelnen Abgeordneten verhalten. Er kündigte zudem an, dass sich die Sozialdemokraten für den Standort Stadtgraben aussprechen würden. Die Stellungnahme der Denkmalpflege las er selbst auf eine Art, die vielleicht nur jemand verstehen könne, so Achilles, der aus der Verwaltungsarbeit käme. "Die Denkmalpflege der Stadt hat geschrieben: 'Das ist die schlechteste aller Alternativen.' Das bedeutet aber, es gibt Alternativen. Und das Landesamt hat geschrieben: 'Idealerweise.' Das bedeutet: Es gibt auch Alternativen", trug der SPD-Fraktionsvorsitzende seine Interpretation der Lesart vor.

Er stützte im Weiteren die Aussage des Grünen-Abgeordneten Leonhard Pröttel, der meinte, dass eine Gesellschaft die idealen Standorte identifizieren würde. "Ich lasse mich nicht dazu drücken, weil es da mal gestanden hat, muss es da wieder hin. Dann würden wir noch im Sumpf leben, hier in Wolfenbüttel", sagt Achilles. Warum er jedoch den Stadtgraben als idealen Standort betrachtet, ließ er offen.

Friedhof für historische Monumente


Rudolf Ordon sprach sich für die Gruppe CDU/FDP in einer zehn Minuten langen Rede für den Schlossplatz aus. Gleich zu Beginn hielt er der Stadtverwaltung widersprüchliches Verhalten vor. Noch 2024 habe die Verwaltung in einer Vorlage festgehalten: "Die Wallanlagen fungieren derzeit als Abstellplatz oder Friedhof für historische Monumente, was kein angemessener Umgang mit Denkmälern ist." Das Gedenken an die Opfer des Krieges gehöre zur Geschichte der Stadt und nicht auf den "Friedhof für historische Monumente", so Ordon.

Für Stefan Brix (Bündnis 90/Die Grünen) ist Denkmalschutz eine begründete Willkür. "Und in dieser Freiheit begründe ich meine willkürliche Entscheidung für den Aufstellungsort des Kriegerdenkmals am Stadtgraben eben damit, dass Kriegerdenkmäler dieser speziellen Art zur deutschen Geschichte gehören, die ich nicht vergessen will. Ich will sie aber auch nicht einen zentralen Platz Wolfenbüttels bestimmen lassen, der der Renaissance und der Aufklärung den Rahmen und den Boden geben sollte. Kriegerdenkmal und Dammfeste haben wenig miteinander zu tun", begründet Brix.

"Feststunde der Demokratie"


All die Diskussionen um das Kriegerdenkmal sind für Bürgermeister Ivica Lukanic (parteilos) "eine Feststunde der Demokratie", für die er dankbar sei. Eine Auffassung, wie Gesellschaft mit Denkmälern umgehen kann. Er verteidigte noch einmal den Vorschlag der Verwaltung, das Kriegerdenkmal künftig am Stadtgraben zu platzieren. Hier stünden bereits das Flakartillerie-Denkmal von 1956 sowie der Artilleriebrunnen, der einst vor der Trinitatiskirche stand. "Stellen Sie sich vor, dass diese sehr unterschiedlichen Denkmale, die alle was zu erzählen haben über die Stadt Wolfenbüttel, die sehr verbunden sind mit der Identität unserer eigenen Geschichte und die uns heute und nur heute bei dieser Entscheidung eine Neuinterpretation der Geschichte erlauben, an einem Standort stehen und wir erzählen diese Geschichte am Standort", erklärt Lukanic. Es sei ihm wichtig, da es daran fehle.

Die Geschichten der Denkmäler seien für Lukanic nicht ausreichend erzählt und am Stadtgraben könne er sich vorstellen, dass diese dort in einem räumlichen Kontext künftig erzählt werden. "Konservieren wir und orientieren wir uns auf die Denkmalpflege oder haben wir etwas mehr Mut, genau uns mit dieser Geschichte zu befassen, in unserer Tradition als Wolfenbüttelerinnen und Wolfenbütteler, in der wir verpflichtet sind, insbesondere durch die Werke von Lessing und auch im gesamten Kontext der künstlerisch Schaffenden hier in der Stadt?", fragte Lukanic die Abgeordneten.

Politikunfähigkeit statt Demokratie


Das, was man in der gesamten Debatte zu den beiden Standorten für das Kriegerdenkmal erlebt habe, sei das, was Demokratie stark mache, meinte Lukanic abschließend noch einmal. Selbst wenn es so lange gedauert habe. Damit widersprach der Bürgermeister dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Marc Angerstein, der die lange Dauer der Debatte mit deutlichen Worten zuvor kritisiert hatte. "Das kann man sehen als Ausdruck von Demokratie oder man kann es sehen, so wie es die meisten Bürger inzwischen sehen, als Politikunfähigkeit. Wir sind nicht in der Lage, innerhalb von zweieinhalb Jahren einen Beschluss zu fassen in so einem Thema. Das ist eigentlich ein Zeichen, auch dafür, dass Wolfenbüttel offenbar keine anderen Probleme hat, als sich über Standortfragen von historischen Denkmalen so lange, so intensiv zu beschäftigen", so Angerstein.

Bis das Kriegerdenkmal nun tatsächlich wieder aufgestellt wird, werden sicherlich noch viele Monate ins Land ziehen. Das Denkmal befindet sich mittlerweile in einem sanierungsbedürftigen Zustand und muss restauriert werden. Die Kosten für Restaurierung und Wiederaufstellung werden auf rund 80.000 Euro beziffert.