Landkreis. Nachdem erst gestern das erste Informationssgespräch zwischen Wolfenbüttels Landrätin Christiana Steinbrügge und Helmstedts Ersten Kreisrat Hans Werner Schlichting über die Bühne ging, kochen die Gerüchte einen Tag später schon über. Schlichting hatte in einem Interview von einem konkreten Fusionszeitplan gesprochen, der auch mit der Landrätin abgesprochen sei. Die Reaktionen der Politik im Kreis Wolfenbüttel reichen darauf von überrascht bis stinksauer.
Erst in seiner jüngsten Sitzung im Oktober hatte sich der Wolfenbütteler Kreistag mit diesem Thema beschäftigt (WolfenbüttelHeute.de berichtete). Einstimmig wurde die Landrätin von den Fraktionen beauftragt, lediglich Sondierungsgespräche mit dem Kreis Helmstedt zu führen. Konkrete Fusionspläne müssen, so die Weisung der Politiker, ausdrücklich vom Kreistag beschlossen werden.
CDU-Kreistagsfraktion ist überrascht
Die Absprache eines konkreten Zeitplans irritiert daher CDU-Fraktionschef Uwe Lagosky. "Wir sind sehr überrascht, was da auf uns zurollt", betont er. Seitens der Landrätin habe seine Fraktion keine Informationen über den Verlauf des Treffens bekommen. Was nun vom Ersten Kreisrat an die Öffentlichkeit getragen wurde, sei ein massiver Verstoß gegen den getroffenen Beschluss im Kreistag. Den Druck, den Helmstedt mache, gebe es aus Wolfenbütteler Sicht nicht. "Wir stehen gut da, wir haben keinen Grund zur Eile", so Lagosky. Er unterstrich abermals, dass es einen Zusammenschluss mit Teilen beider Landkreise nicht geben werde.
SPD-Fraktion reagiert gelassen
SPD-Fraktionschef Falk Hensel sieht die Sache gelassener. "Im Grunde hat sich die Lage doch nicht verändert", meint er. Der Zeitplan sei bekannt, da das Land die Entschuldungshilfe in Höhe von rund 96 Millionen Euro nur bei einer Entscheidung bis Mitte nächsten Jahres zugesagt hatte. Bis Januar laufe nun die Prüfung der Finanzkennzahlen in beiden Kreisen. "Sollte es bis Januar keine belastbaren Daten geben, damit die Kreistage beschließen können, dann dauert es halt ein paar Tage länger", so Hensel. Dann müsste man konkret mit dem Land verhandeln, die Zusage für die finanziellen Mittel zu verlängern. Die vom Ersten Kreisrat im Interview gemachten Aussagen, könne er als "Wünsche aus Helmstedt" nachvollziehen. In Wolfenbüttel werde man sich trotzdem nicht jagen lassen.
FDP: Bürger müssen mitgenommen werden
Björn Försterling wurde von der Meldung ebenfalls überrascht. Aus seiner Sicht fehle es nach wie vor an einer zukunftsfähigen Option für beide Landkreise. Es sei ein Fehler nur kurzfristig die Entschuldungshilfe des Landes bekommen zu wollen. „Die Fusion bringt schnelles Geld, aber keine Perspektive. Selbst wenn das Land zahlt bleiben noch mehr als 100 Millionen Euro Schulden bei dem neuen Landkreis und rund 200 Millionen Euro Schulden bei den Mitgliedsgemeinden. Das kann man mit dem eingesparten Geld für einen Landrat nicht abstottern“, so Försterling. Irritiert zeigt sich Försterling auch über die Hinterzimmerpolitik der SPD. „Da trifft sich scheinbar ein SPD-Innenminister, ein SPD-Kreisrat und eine SPD-Landrätin und fusionieren vor sich hin, ohne die eigene Bevölkerung zu informieren und mitzunehmen“, so der FDP-Politiker. „Die drei Beteiligten sollten aus ihrem Hinterzimmer rauskommen und mit den Menschen reden. Dann würde ihnen schnell klar werden, dass die Menschen diese Fusion mehrheitlich ablehnen, weil sie darin keine Perspektive sehen“, so Försterling.
GRÜNE gegen engen Zeitplan
Der enge Zeitplan sorgt beim GRÜNEN-Fraktionsvorsitzenden Bertold Brücher für Kopfschütteln. "Erst müssen die Fakten auf den Tisch", sagt er. Der Termindruck sei nicht aus Wolfenbütteler Sicht aufgekommen. "Wir dürfen uns da auch nicht drängen lassen", unterstreicht er. Sicherlich sei es sinnvoll über eine Fusion – mit wem auch immer – nachzudenken, allerdings müsse man vorher wissen, was man wolle. Perspektivisch – und da lasset sich trefflich an die Erfahrungen mit der Regionsbildung in Hannover denken – dauere ein solcher Regionsbildungsprozess von der ersten gemeinsamen Beschlusslage bis hin zur Konstituierung mehr als 20 Jahre. Und das sei dann gut investierte Zeit, wenn daraus ein stabiles System entstehe.
LINKE: Konstrukt ist strukturell unterfinanziert
Die LINKE lehne nach Worten ihres Fraktionsvorsitzenden Victor Perli eine Fusion mit dem Kreis Helmstedt in der derzeit diskutierten Version ab. "Da entsteht doch nur ein von Anfang an strukturell unterfinanziertes Konstrukt", erklärt er. Aufgrund der ländlichen Prägung des neuen Flächenlandkreises sei das Defizit doch schon vorprogrammiert. Die prognostizierten Steuereinnahmen würden einfach nicht ausreichen, die trotz Entschuldungshilfe verbleibenden Altlasten abzubauen. "Es gibt einfach keine Argumente für eine Fusion", so Perli.
Wolfenbüttels Bürgermeister ist stinksauer
Mit einem Brief reagiert Wolfenbüttels Bürgermeister Thomas Pink auf die neusten Nachrichten in Sachen Fusion. "Sie haben in jüngster Vergangenheit im Rahmen einer von Ihnen initiierten Gesprächsrunde am 1. August zugesichert, alle Beteiligten über die Gesprächsverhandlungen zu einer möglichen Gebietsreform umgehend zu informieren. Nun hat es den Anschein, als seien die Fusionsgespräche bereits weit vorangeschritten, ohne dass eine Einbindung der Beteiligten erfolgt ist beziehungsweise Ihrerseits Informationen Informationen dazu gegeben worden sind. Die heutigen Informationen lassen zumindest die Befürchtung zu, dass in weiteren ,Hinterzimmergesprächen', ohne Einbindung der relevanten Akteure, Fakten geschaffen werden sollen. Außerdem entsteht der Eindruck, dass Herr Erster Kreisrat Schlichting das Verfahren federführend übernimmt", heißt es in dem Schreiben an die Landrätin, dass unserer Redaktion vorliegt. Von Steinbrügge fordert Pink weiterhin eine klare Aussage zu einem dem Anschein nach vorhandenen Zeitplan und zur Höhe der Entschuldungshilfe.
Frank Oesterhelweg: "Dieses Chaos ist unerträglich!"
Der CDU-Landtagsabgeordnete Frank Oesterhelweg hat mit deutlichen Worten auf die "undemokratische und chaotische Vorgehensweise auf dem Weg zur Zwangsfusion der Landkreise Helmstedt und Wolfenbüttel" reagiert. Er bezeichnete den eingeschlagenen und über die Medien mitgeteilten Weg als falsch und forderte erneut, dass seitens des Landkreises Wolfenbüttel hinsichtlich einer möglichen Zusammenarbeit beziehungsweise einer Fusion in alle Richtungen sondiert, aber ohne Einbindung der Öffentlichkeit, der Kommunen und des Kreistages keine Verhandlungen aufgenommen werden. "Es ist nicht akzeptabel, dass wir hier in einer solchen dumm-dreisten und plumpen Art und Weise überfahren werden sollen - nicht mit uns!", so de Landtagsabgeordnete, der das Thema auch im Landtag zur Sprache bringen will. Im Übrigen solle die Landesregierung "endlich" eine moderierende Rolle übernehmen, anstatt immer nur "Öl ins Feuer zu gießen". Außerdem forderte Frank Oesterhelweg eine Sondersitzung des Kreistages, "um das Chaos zu beenden, dem unverantwortlichen Treiben Einhalt zu gebieten und eine einheitliche Linie des Landkreises zu erarbeiten beziehungsweise zu unterstreichen und umzusetzen."
Eine Stellungnahme der Landrätin zum Thema finden Sie hier.
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