Hitzige Diskussion nach Stellungnahme zur Regionsdebatte

von Thorsten Raedlein


| Foto: Landkreis Wolfenbüttel



Wolfenbüttel. Ausgerechnet eine Erklärung der Landrätin zur Regionsdebatte, die die Einigkeit des Kreistages belegen sollte, sorgte in der Kreistagssitzung am Montag für gehörig Zoff unter den Abgeordneten. CDU und FDP fühlten sich überrumpelt und vor vollendete Tatsachen gestellt, der SPD-Fraktionsvorsitzende Falk Hensel warf der CDU daraufhin lautstark und sichtlich pikiert eine mangelhafte Sitzungsvorbereitung vor…

Kaum hatte die Landrätin den Kreistagsmitgliedern die ihren einleitenden Worten zu Folge in der Fraktionsvorsitzendenrunde abgestimmte Erklärung unter dem Tagesordnungspunkt "Unterrichtung durch die Landrätin über wichtige Angelegenheiten" verlesen, begann in Reihen der CDU das große Kopfschütteln. "Ich habe mir von der Erklärung nur zwei Sachen gemerkt. Die Fusion darf nur Vorteile für den Landkreis haben und es gibt eine Klausur zu diesem Thema. Eine gemeinsame Stellungnahme können wir doch erst danach abgeben", übte CDU-Fraktionsvorsitzender Uwe Lagosky Kritik an der Art und Weise, wie mit den Abgeordneten umgegangen werde. Frank Oesterhelweg (CDU) ergänzte: "Wir können uns doch jetzt nicht so nebenbei mit diesem wichtigen Punkt beschäftigen. Uns treibt hier doch keiner, das Thema muss in einem abgestimmten Verfahren vernünftig besprochen werden." Auch Björn Försterling (FDP) schloss sich dieser Meinung an. Die Erklärung erinnere ihn aufgrund der Fülle an Information an die "AGB bei Haustürgeschäften".

Dann platzte Falk Hensel der Kragen. "Ich finde es erschreckend, wie schlecht Sie vorbereitet sind", rief er mit erhobener Stimme in Richtung Lagosky und Oesterhelweg. Der Beschluss, so vorzugehen, wie es die Landrätin nun getan habe, sei gemeinsam getroffen worden und sei an das Protokoll der letzten Kreisausschusssitzung angefügt worden. "So ein Vorgehen in einer so wichtigen Angelegenheit, kann ich nicht verstehen. Mangelhafte Kommunikation innerhalb der Fraktion unterstellte Christiane Wagner-Judith (Grüne) der CDU.

"Dieser Ton steht Ihnen nicht zu", forderte Oesterhelweg schließlich Hensel zur Mäßigung auf. "Wir täten gut daran, eine ordentliche und abgestimmte Haltung abzugeben", sagte er. Sicherlich könne er in vielen Teilen den Worten der Landrätin folgen, der Kreis habe jedoch die Zeit, in Ruhe und gemeinsam über die Formulierungen nachzudenken. Björn Försterling: "Eine ausführliche Diskussion im Kreistag ist wichtig."

Die Rückkehr zur sachlichen Diskussion regte Marcus Bosse (SPD) an. "Der Kreisausschuss hat die Landrätin gebeten die Erklärung vorzubereiten", betonte er. Dies habe sie getan, die Erklärung wurde per Mail mit der Bitte um Weitergabe an die Fraktionsmitglieder an die Fraktionsvorsitzenden verschickt. "Die Landrätin hat alles richtig gemacht", unterstrich er. Am Ende brauche der Kreis ein abgestimmtes Papier. "Die Zeit sollten wir uns nehmen", versuchte er die Wogen zu glätten.

Der Wortlaut der von der Landrätin verlesenen Erklärung:


Stellungnahme zur Regionsdebatte

Für ein solidarisches Miteinander in derRegion

Die aktuelle Regionsdebatte zeigt, dass der Gedanke einer stärkeren regionalen Zusammenarbeit von vielen politischen und gesellschaftlichen Akteuren geteilt wird. Die Ansichten darüber, welche Wege dafür die richtigen sind, sind jedoch sehr unterschiedlich. Die aktuelle Diskussion wird ausschließlich aus der Perspektive der kreisfreien Städte geführt. Sie folgt dem Ansatz ökonomischer Konzentration und hat dabei den Ausbau städtischer Zentren im Blick - Stichwort „Metropolstrategie“. Solche Dominanzstrategien lehnen alle im Kreistag vertretenen Parteien und die Verwaltungsspitze des Landkreises Wolfenbüttel entschieden ab.

Unsere Region braucht gleichberechtigte Chancen und Entwicklungsbedingungen in allen ihren Teilen. Gerade angesichts des demografischen Wandels ist es wichtig, die Potenziale im ländlichen Raum gezielt zu entwickeln und zu fördern. Das gilt für wirtschaftliche Entwicklung und ebenso für kommunale Infrastrukturen, wie Breitband, Verkehr, Bildung oder Gesundheitsversorgung. Ziel muss es sein, in allen Gebieten attraktive Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen und zu erhalten. Jedoch nicht zu Lasten der ländlichen Gebiete, sondern in einem solidarischen Miteinander in der Region. Allen Menschen muss eine realisti- sche Perspektive geboten werden, ganz gleich in welchem Teil der Region sie leben.

Der Landkreis Wolfenbüttel wird sich konstruktiv an solchen Entwicklungsprozessen beteiligen. Kontraproduktiv ist es, wenn immer neue Modelle auf den Markt geworfen werden. Die Art und Weise, wie dabei über Köpfe und Verantwortlichkeiten hinweg agiert wird, ist inak‐ zeptabel und widerspricht dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Über ihre Zukunft entscheiden die Räte und Kreistage selbst! Zuvor haben die Bürgerinnen und Bürger das Wort.

Dabei gilt: Alle Gemeinden und Samtgemeinden sind uns wichtig. Esgibt keine Gemeinden erster und zweiter Klasse. Der Zusammenhalt des Landkreises Wolfenbüttel steht nicht in Frage. Unser Fundament ist solide: Schuldenstand, Arbeitslosen- und Soziallastenquote sind vergleichsweise niedrig, die Wahlbeteiligung ist hoch. Die zentrale Herausforderung der nächsten Jahre ist der demografische Wandel. Damit untrennbar verbunden sind wirtschaftliche Entwicklung, Erreichbarkeit und Daseinsvorsorge im ländlichen Raum. Wir wollen den ländlichen Raum zum Vorreiter machen: Für eine nachhaltige Entwicklung mit hoher Lebensqualität.

Fortschrittliche und soziale Politikfür den Landkreis Wolfenbüttel begreift diese Aufgabe als Verpflichtung und Chance, den Wandel aktiv zu gestalten. Gebietsveränderungen sind dabei allenfalls Teil der Lösung. Vorrangig geht es darum, die Zusammenarbeit von Gemeinden, Städten und Landkreisen zu intensivieren. Unter der Maxime „Dezentrales Handeln und regionale Koordination” sollte es darum gehen, wie sich die Stadt-Umland-Beziehungen zum Nutzen der hier lebenden Menschen auf das Bestmögliche ergänzen. Daran wollen wir mit aller Kraft arbeiten.

Überlegungen zu Gebietsreformen sind auf jeden Fall daran zu messen, ob sie Vorteile für alle Beteiligten bieten: für den Landkreis, die möglichen Fusionspartner und vor allem für die betroffenen Menschen. Kreistagsabgeordnete, Samtgemeindebürgermeisterinnen und - bürgermeister, Landrätin und Verwaltungsleitung werden sich im Rahmen einer Klausurtagung im April mit den Perspektiven für den Landkreis Wolfenbüttel beschäftigen.


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