Anlässlich des Antrags zum Ausbau von Fernsehprogrammangeboten für Hör- und Sehbeeinträchtigte der SPD-Landtagsfraktion die Rede der kulturpolitischen Sprecherin der SPD Daniela Behrens im Original-Wortlaut:
Eine halbe Million Menschen können in Niedersachsen wegen ihrer Hör- oder Sehbehinderung Fernsehsendungen nicht verstehen. Ihnen entgehen damit wichtige Informationen, weil die privaten Fernsehsender sowie öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten ihre Sendungen in der Regel nicht mit Untertiteln versehen oder in Gebärdensprache übersetzen. Hörfilme bzw. Audiodeskription, in denen man Handlungen und Schritte genau in Ton beschreibt, werden nur vereinzelt angeboten. Bei den Gehörlosen und Hörgeschädigten sind die Untertitelung und Gebärdensprach-Einblendung wichtig.
Aber nicht nur Menschen mit Behinderungen leiden unter diesen Barrieren. Auch ältere Menschen sind bei ihrer Fernsehnutzung zunehmend eingeschränkt. Wir dürfen das nicht hinnehmen und müssen hier zu Verbesserungen kommen.
Die Fernsehsender bemühen sich seit Jahren, dieses Defizit abzustellen und barrierefreie Angebote auszubauen. Vor allem der NDR ist hier zu loben. Er beteiligt sich an der Entwicklung von neuen Diensten und baut Untertitel-Angebot langsam aber kontinuierlich aus. Wir müssen diese Entwicklung unterstützen und stärken.
Unser Antrag „Barrierefreiheit auch fürs Fernsehen erreichen – Programmangebote für Hör- und Sehbeeinträchtigte ausbauen“ der SPD-Fraktion soll zwei Funktionen erfüllen:
Wir wollten einen Überblick zu bekommen über die Situation der Barrierefreiheit der Fernsehangebote der in Niedersachsen beheimateten Sender, also NDR und RTL;
Und wir wollten einen politischen Impuls erzeugen für einen verstärkten Ausbau der barrierefreien Angebote im Fernsehen.
Das ist nötig, denn die Verbände und Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen erwarten das von uns. Und angesichts der neuen Struktur des Rundfunkbeitrags, den wir am Dienstag mit großer Mehrheit beschlossen haben, sind wir besonders in der Pflicht, denn Menschen mit Behinderungen werden stärker zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beitragen. Ich mache hier aber auch deutlich: Für die Finanzierung von barrierefreien Fernsehangeboten sind alle Gebührenzahler – mit und ohne Behinderung – verantwortlich!
Schon im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist diese Herausforderung und Aufgabe ausdrücklich anerkannt und aufgenommen worden. Der Ausbau passiert bisher aber in kleinen Schritten.
Meine Damen und Herren.
Wir haben also den Antrag im November vergangenen Jahres eingebracht. Wir hatten eine intensive Debatte im Fachausschuss und eine Anhörung, in der uns Vertreter des NDR und von RTL die Problematik um den Ausbau von barrierefreien Angeboten nahe gebracht haben. Er ist nämlich technisch anspruchsvoll und komplex bei der Integration ins Programm und er ist mit Kosten verbunden.
Sie alle wissen, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) prüft die Mittelanmeldung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Eine Anerkennung von Mitteln für den Ausbau der Barrierefreiheit gibt es bisher nicht. Es gibt nur eine allgemeine Formulierung in den KEF-Grundsätzen, die wenig belastend ist. Wir brauchen eine ausdrückliche Anerkennung des Bedarfs. Dies haben wir im Antrag formuliert. Das nützt auch dem NDR.
Aufgrund der Anhörung und der Erkenntnisse haben wir den ursprünglichen Antrag modifiziert – er liegt Ihnen als Änderungsantrag vor -, haben als Bezugsgröße alle Sendungen des Tages definiert und als Ausbauziel eine Ausbauquote von 60 Prozent bis 2020 festgelegt. 60 Prozent aller Sendungen eines Tages sollen mit Audiodeskription, Untertiteln oder Gebärdensprachverdolmetschung ausgestrahlt werden.
Dieses Ziel ist realistisch. Das hat der NDR in der Anhörung deutlich gemacht. Im internationalen Vergleich sind wir bisher Mittelmaß. Dass barrierefreies Fernsehen möglich ist, zeigt uns das gute Beispiel Großbritannien: 100 Prozent der BBC-Sendungen sind mit Untertiteln versehen; bei 6 Prozent der Sendungen werden Dolmetscher eingeblendet. Deutschland sollte sich England als Vorbild nehmen! Aber auch andere europäische Nachbarn sind besser. Der ORF in Österreich liegt zum Beispiel bei 50 Prozent seines Angebots. Dort ist in der letzten ORF-Gesetzesnovelle sogar ein Etappenplan zum barrierefreien Angebot festgelegt worden.
Wir müssen also mehr tun. Dies ist Inhalt unseres Antrags. Hinter dem, meine Damen und Herren, könnte sich heute eigentlich unser gesamtes Haus versammelt und damit ein deutliches Zeichen für den Ausbau der Barrierefreiheit im Fernsehen setzen. Wir könnten heute deutlich machen, dass wir die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen Wert schätzen und unterstützen.
Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, CDU und FDP wollen heute ablehnen. Das hat mich in der letzten Sitzung im Fachausschuss überrascht und enttäuscht. Die Begründungen kann ich bis heute nicht nachvollziehen. Welche Ablehnungsgründe wurden vorgebracht:
Man bräuchte noch Zeit für die Beratung (nach 7 Monaten schwer zu verstehen),
man wolle keine Kosten und Gebührenerhöhungen verursachen (das tun wir gar nicht, denn die Bedarfsanmeldung für die Programmgestaltung des NDR erfolgt losgelöst und autark von der Politik und wird von der KEF geprüft) und
man wolle den Privaten keine Vorgaben machen (auch das tun wir nicht, denn der Antrag richtet lediglich einen Appell an den privaten Rundfunk).
Also wirkliche Gründe für eine Ablehnung, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, gibt es nicht. Geben Sie sich heute einen Ruck, damit wir ein deutliches Signal an den Rundfunk sowie an die Menschen mit Behinderungen setzen können.
Ich danke den Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und die Linke, die den Änderungsantrag mit unterzeichnen und diesen wichtigen Appell mittragen.
Ich fände es fatal, wenn der niedersächsische Landtag heute den Ausbau der Barrierefreiheit im Fernsehen ablehnt. Das wäre ein Armutsbeweis der schwarz-gelben Medienpolitik und ein fatales Signal an alle Menschen mit Behinderungen. Vielen Dank!”
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