Mustafa Eser: "Hier bin ich zu Hause"

von Sina Rühland


| Foto: Sina Rühland



Wolfenbüttel. Geboren in der türkischen Millionenstadt Izmir und mit zwölf Jahren nach Deutschland eingewandert. Der Wolfenbütteler Sozialpädagoge Mustafa Eser berichtet über seinen Start und sein Ankommen in Deutschland.

Als Mustafa Eser 1969 nach Salzgitter kam, sprach er kein Wort Deutsch. Er verstand weder die Sprache, noch kannte er Kultur und Lebensgewohnheiten. „Meine Mutter war als Gastarbeiterin in Deutschland tätig und holte meine Schwester und mich irgendwann nach – in der Zwischenzeit sind wir bei unserem Vater in Izmir geblieben. Ich muss sagen, ich fand das damals alles spannend. Die neue Sprache fiel mir nicht schwer und ich hatte eine großartige Lehrerin in der Schule, die mir half anzukommen. Die Frau hat mich geprägt.“

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Mustafa Eser in seinem Büro im Rathaus. Foto: Sina Rühland



Eser absolvierte mit 19 Jahren erfolgreich seine Abiturprüfungen, im Anschluss folgte eine Ausbildung. Er entschloss sich in die Pädagogik zu gehen. „Ich wollte etwas im sozialen Bereich machen, das wusste ich. Ich habe erst eine Ausbildung zum Erzieher gemacht, denn mir war eine praktische Ausbildung wichtig. Mit 26 habe ich dann angefangen Sozialpädagogik in Braunschweig zu studieren“, erzählt Eser. Noch während seines Studiums hat er geheiratet, doch die Ehe scheiterte nach einem Jahr. Es hätte einfach nicht gepasst, sagt er. Ein weiteres Jahr später hat er seine Ehefrau kennengelernt, mit der er seit 30 Jahren glücklich zusammen ist. „Wir haben 1992 geheiratet, ein Jahr später kam unsere Tochter zur Welt und 1995 folgte dann unser Sohn.“

Zurück zur Arbeit mit Asylsuchenden


Beruflich bewegte sich Mustafa Eser in seinem studierten Beruf. „Ich habe als Sozialarbeiter an den Berufsbildenden Schulen Fredenberg gearbeitet und Schüler, Lehrer und Eltern beraten. 1993 habe ich dann einen Vertrag bei der Stadt Wolfenbüttel unterschrieben und fing als stellvertretender Leiter im Flüchtlingswohnheim am Exer an.“ Als dieses schloss, wechselte er nach 14 Jahren zum Seniorenservicebüro. Die Arbeit mit und für Senioren hätte ihm immer viel Spaß gemacht, sagt er. Schlussendlich leitete Eser das Büro die vergangenen drei Jahre, bis er am 12. Januar in das Integrationsmanagement der Stadt Wolfenbüttel berufen wurde. „Man hat mich gefragt, ob ich die Stelle annehmen möchte und ich habe mich dafür entschieden.“ Seither steht im Rathaus in der ersten Etage „Mustafa Eser“ an der Tür.

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Arbeit beim Seniorenservicebüro. Foto: Anke Donner )



Nach sieben Jahren Senioren-Arbeit ist der 57-Jährige also wieder zur Flüchtlings-Arbeit zurückgekehrt. Die Stadt Wolfenbüttel hat aufgrund der gestiegenen Flüchtlingszahlen die Errichtung eines neuen Wohnheimes angekündigt. Sobald der Bau aus Containern stehe, solle er die leitende Funktion in der Einrichtung übernehmen, erzählt Eser. „Es steht zwar noch nicht fest, wo die Unterbringung hin soll, aber ich freue mich schon jetzt auf die Arbeit.“ Die bundesweiten Debatten um das Asylrecht, die Kapazitäten der Kommunen und die Situation für Asylsuchende in den Unterbringungen sowie die Rassismus-Debatte beschäftigten ihn natürlich auch. „Ich bewerte die Menschen generell nicht nach Religion, Herkunft und Stellung. Ich frage mich immer: wie kommt die Person rüber? Ich bringe jedem Menschen Respekt entgegen, achte aber auch darauf, nicht ausgenutzt zu werden. Wenn es darum geht den Menschen zu helfen, dann sind alle gleich – da gibt es keine Unterschiede.“

Keine Konfrontation mit Rassismus


Er selbst sei nie mit „Alltagsrassismus“ konfrontiert gewesen, sagt er. „Egal, wo ich war, egal, was ich gemacht ich habe, mit diesen Ressentiments hatte ich nie zutun. Allerdings habe ich mich auch nie meiner Umwelt und der Kultur verschlossen. Um ehrlich zu sein, ich hatte in der Schule nicht mal türkische Freunde – es gab sowie so nur zwei oder drei Schüler in meinem Jahrgang, die aus der Türkei kamen.“ Wenn er selbst auch keine Erfahrungen mit vorurteilsbeladenen Bürgern gemacht hätte, den schlummernden Rassismus in einigen Menschen sehe er schon. „Ich glaube da sind zum Teil diffuse Ängste in den Menschen. Sie haben Angst um ihre Arbeitsplätze, Angst um ihre Rentenzahlungen. Was sie vielleicht nicht sehen – wir brauchen Arbeitskräfte aus dem Ausland, damit die Menschen auch weiterhin ihre Rente erhalten. Manchmal verstehe ich das nicht. Ganz Europa hat doch damals unter der Naziherrschaft gelitten. Warum also jetzt dieser Zuwachs bei rechtsgerichteten Parteien und Bewegungen?“

Über Glaube und Religion


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Horst Luthien und Mustafa Eser. Foto: Thorsten Raedlein



Im Gespräch über die Ängste einiger Menschen vor dem Islam und über Kriege, die vermeintlich im Namen Gottes gefochten werden, erzählt Eser: „Im Namen Gottes sollten keine Kriege geführt werden – egal welcher Glaubensgemeinschaft man sich zugehörig fühlt. Man muss aber auch sagen, dass der Islam in Deutschland zu lange hinter vorgehaltener Hand ausgeübt wurde. Die Bevölkerung muss und möchte mehr über die Religion erfahren.“ Er selbst sei konfessionslos, sagt er. „Ich glaube, aber mein Glaube ist nicht definierbar. Ich glaube, aber Religion interessiert mich nicht.“ Was Mustafa Eser interessiert, das sind Menschen und ihre Geschichten. Deshalb hat er seinen Beruf gewählt. Dass er ihn nun schon seit fast vier Jahrzehnten um und in Wolfenbüttel ausübt, dass hätte auch er vor vielen Jahren nicht gedacht. „Hier bin ich zu Hause und möchte auch nirgendwo anders leben.“


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