Politiker wollen nicht gefilmt werden - Bürger sollen Protokolle lesen

Die Grünen und die PARTEI fordern eine Transparenzpflicht ein, doch die Mehrheit hält dagegen.

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Symbolbild.
Symbolbild. | Foto: Pixabay

Wolfenbüttel. Die Kommunalpolitik in Wolfenbüttel wehrt sich weiterhin standhaft gegen das Streamen und Aufzeichnen von Rats- und Ausschusssitzungen in Bild und Ton. Ein erneuter Versuch der Gruppe Bündnis 90/Die Grünen/Die PARTEI, die Öffentlichkeit auf modernen Wegen an der politischen Arbeit teilhaben zu lassen, schlug - wenn auch knapp - ein erneutes Mal fehl.



Ein Antrag der Gruppe zur jüngsten Ratssitzung sah vor, Film- und Tonaufnahmen aller öffentlichen Sitzungen des Rates und seiner Ausschüsse anzufertigen und für eine gewisse Zeit online zur Verfügung zu stellen. Zudem sollten der Allgemeinheit bestimmte Nutzungsrechte unentgeltlich an dem Material eingeräumt werden. Der zeitversetzte Abruf der Aufnahmen durch interessierte Bürger stand im Vordergrund der Intention, gleichwohl ein Livestreaming der Sitzungen mitgedacht werden sollte.

Arbeitszeiten machen Besuch unmöglich


Das Ganze sollte laut Begründung als Chance begriffen werden, Menschen näher an die politische Entscheidungsfindung vor Ort heranzuführen und damit der sogenannten Politikverdrossenheit das Aufzeigen der ehrenamtlichen Arbeit entgegenzustellen. Dafür sei angesichts der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Bevölkerung das zeitversetzte Verfolgen einer Sitzung unbedingt notwendig, da nicht jeder Interessierte in der Lage sei, die Sitzungen vor Ort zu besuchen.

Doch wie bereits bei Versuchen ähnliche Vorhaben in der Vergangenheit umzusetzen, scheiterte man auch dieses Mal an der mehrheitlichen Ablehnung. Selbst allein die reine Prüfung der Umsetzbarkeit des Vorhabens wollte man nicht zulassen. Da half es auch nicht, dass Gruppensprecher Sascha Poser auf eine Verantwortung verwies, die die Abgeordneten gegenüber der Stadtgesellschaft hätten, Transparenz herzustellen. "Wir sind alimentiert über eine Aufwandsentschädigung durch die Stadt Wolfenbüttel, wir sind Vertreter für Menschen in dieser Stadt und sich dem zu verweigern, da habe ich kein Verständnis für", so Poser.

Transparenz gefordert - "Bürger können Protokolle lesen"


Eine Argumentation, die für den CDU-Fraktionsvorsitzenden Marc Angerstein nicht schlüssig war. "Wir haben Protokolle, die sind im öffentlichen Ratsinformationssystem einsehbar", erwiderte er. Bürger, die sich für die Kommunalpolitik interessieren würden, könnten diese nachlesen und seien deshalb "bestens" über die Beschlüsse der Politik informiert. Zudem schloss er sich der Gruppe BUW/FDP an, die das gesetzlich verankerte Widerspruchsrecht der Abgeordneten als problematisch für Aufzeichnungen sieht. Wie deren Gruppensprecher Vincent Schwarz vortrug, befürchtet man, Sitzungen aufgrund des Widerspruchsrechtes immer wieder pausieren zu müssen, wodurch Arbeitsabläufe erheblich gestört würden.

Poser kündigte am Rande der Sitzung an, den Antrag nach Ablauf der Sperrfrist in sechs Monaten erneut stellen zu wollen. Gut möglich, dass er dann Erfolg haben könnte. Mit 20 Gegenstimmen, 17 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen war es ein äußerst knappes Ergebnis, zumal den Grünen aufgrund Abwesenheit aus den eigenen Reihen zwei Stimmen fehlten.

Es gab eine Live-Übertragung in Wolfenbüttel


Während der Coronapandemie wurde tatsächlich einmal eine Ratssitzung live auf YouTube gestreamt. Mehr als 20 Zuschauer sollen damals live eingeschaltet haben, zudem soll die Aufzeichnung bis zum Morgen darauf insgesamt 186 Mal abgerufen worden sein. Dann wurde es gelöscht. Der FDP-Abgeordnete Rudolf Ordon machte von seinem Widerspruchsrecht gebrauch. Mehr dazu lesen Sie in unserem Archiv-Artikel: "Datenschutzverstoß? Aufzeichnung der Ratssitzung wurde entfernt".

Livestreaming und Aufzeichnungen von kommunalpolitischen Sitzungen werden immer wieder diskutiert. Den Kreistag Wolfenbüttel konnte man in den Jahren 2013 und 2014 live im Internet verfolgen. Aufgrund geringer Zuschauerzahlen, 34 im Durchschnitt, einer schlechten Übertragungsqualität und der Einsparung von Haushaltsmitteln beschloss man Anfang 2015 die Übertragung einzustellen. Der Versuch der Wiederaufnahme scheiterte. An anderen Stelle in der Region findet das Streamen von Sitzungen und/oder das Bereitstellen von Aufzeichnungen in Bild und/oder Ton hingegen Anwendung. So beispielsweise in Braunschweig, Goslar, Helmstedt, Salzgitter und Wolfsburg.


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