Schostok zum Gesetz zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung


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Folgend die Rede des Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion Stefan Schostok zum Gesetz zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung im Original-Wortlaut:

Wir befassen uns heute mit einem Antrag der Regierungsfraktionen zu einer Änderung der Niedersächsischen Verfassung.

Damit ist klar, dass es hier nicht um Tagespolitik und auch nicht um Parteipolitik geht. Die jetzt in Rede stehende Änderung ist von allergrößter Bedeutung für die Zukunft unseres Landes.

Es geht um die Umsetzung des im Grundgesetz verankerten strikten Verschuldungsverbots. Und damit um nicht weniger als eine radikale Änderung der Art und Weise, in der seit Jahrzehnten und bis jetzt die Landeshaushalte aufgestellt wurden.

Nach diesem Schuldenverbot müssen in naher Zukunft jährlich 1,5 bis 2 Milliarden Euro, also bis zu 10 Prozent der bisherigen Ausgaben, künftig entweder eingespart oder anders finanziert werden. Das entspricht in etwa zwei Dritteln der bisherigen Sozialausgaben oder einem Drittel der bisherigen Budgets für Bildung, Forschung und Kultur!

Allein diese Dimensionen machen deutlich, dass wir vor einem endgültigen Schuldenverbot gravierende politische und auch verfassungsrechtliche Fragen klären müssen.

Ich muss hier niemanden erinnern, dass Niedersachsen ein Sozialstaat sein muss und dass alle Menschen bei uns ein Recht auf Bildung haben. Ich referiere das nicht aus dem SPD-Programm – da steht das auch drin! Nein, das sind in der Verfassung festgeschriebene Staatsziele! Und es steht noch mehr darin: Kommunale Selbstverwaltung, Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur, Sport.

Wenn wir jetzt also ein neues Schuldenverbot in die Verfassung schreiben, dann muss sichergestellt sein, dass andere Verfassungsgebote nicht verwässert oder unterlaufen werden.

Auf dieser Grundlage ist meine Fraktion grundsätzlich bereit, das Gebot einer nachhaltigen Finanzpolitik in der Verfassung zu verankern!

Aber: Nachhaltig bedeutet für uns: den Haushalt konsolidieren und in die Zukunft investieren können. Für beides muss Vorsorge getroffen werden. Deshalb wäre es unverantwortlich, die Finanzhoheit des Landes massiv zu schwächen und die Menschen in Niedersachsen in schweren Krisen schutzlos zu lassen. Deshalb muss es eine Verankerung von Ausnahmeregeln bei großen Einnahmeverlusten durch schwere Wirtschaftskrisen und bei Sonderausgaben bei Katastrophen geben.

Also: eine Verfassung ändert man nicht mal so eben im Schnellverfahren!

Es gehört zuerst dazu, dass sich keiner aus der Verantwortung für die Vergangenheit stiehlt.

Die Schulden der Vergangenheit sind keine CDU- und keine FDP-, auch keine SPD- oder Grünen-Schulden. Alle ehemaligen, alle jetzigen und auch alle künftigen Regierungsparteien haben die Vergangenheit zu verantworten. Wir alle haben neue Schulden gemacht, wir alle haben Schattenhaushalte und Rücklagen gebildet, und wir alle haben es an Klarheit und Transparenz in der Haushalts- und Finanzpolitik fehlen lassen.

Gerade deshalb sage ich jetzt: Die Einführung eines strikten Schuldenverbots für alle Zukunft muss auch und zu allererst die Stunde der finanzpolitischen Wahrheit sein. Wir brauchen eine ehrliche und vollständige Zwischenbilanz, damit sich Parlament und Öffentlichkeit ein klares Bild von der Finanzlage des Landes verschaffen können. Diese ehrliche Zwischenbilanz muss und kann nur die Regierung liefern!

Es gehört zu den politischen Grundlagen einer Verfassungsänderung, dass in Niedersachsen in Zukunft haushalts- und finanzpolitische Transparenz herrscht.

Und noch etwas ist zweitens nötig, bevor beschlossen werden kann: Wir brauchen eine seriöse Folgenabschätzung zu dem, was wir da beschließen wollen.

Unsere Anforderung an Sie heißt konkret: Es muss eine komplette Finanzplanung bis 2017 vorgelegt werden, in der alle staatlichen Aufgaben definiert, priorisiert und mit Angaben zu ihrer zukünftigen Finanzierung unterlegt sind.

Bislang liegt nur ein simples Balkendiagramm zur Reduktion der Neuverschuldung vor.
Und dazu die lapidare Aussage der Regierung, das Ganze ließe sich schon irgendwie durch Personalabbau und aus zukünftigen Mehreinnahmen finanzieren.
Kein Wort dazu, wie mit zukünftigen Belastungen des Landeshaushalts durch Bundesgesetze umgegangen werden soll!
Keinerlei Gewähr, dass das Land sich nicht auf Kosten der Kommunen saniert!
Nicht mal eine Andeutung dazu, ob und welche Sozial- und Bildungsausgaben im Zweifel gestrichen oder durch höhere Staatseinnahmen gesichert werden sollen!

„Schulden weg und alles andere regelt ein Gesetz“, so einfach dürfen wir uns diese Verfassungsänderung nicht machen!

Anrede,
wir beginnen heute eine Debatte, in der viel mehr gesagt und geklärt werden muss, als heute möglich ist.

Dazu muss die Landesregierung ein politisches Konzept zur Schuldenbremse vorlegen. Mit einer ehrlichen Zwischenbilanz und einer seriösen Folgenabschätzung. Ich denke, das ist nicht zu viel verlangt bei dem, worum es hier geht.

Denn ohne Konzept wäre das Schuldenverbot ein gefährlicher politischer Blindflug. Wir sind bereit, zu reden, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen, wenn sie verhandelbar sind.

Nur dann ist eine verantwortliche Verfassungsänderung möglich. Nur dann ist die Regelung nachhaltige Finanzpolitik zum Wohl des Landes und der Bürgerinnen und Bürger. Es liegt also zunächst an Ihnen, ob wir gemeinsam Erfolg haben – oder ob Sie scheitern!


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