[image=5e1764b6785549ede64ccb13]Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der inklusiven Schule in Niedersachsen (CDU/FDP-Fraktionen) sowie die Entwürfe/Anträge der Oppositionsfraktionen zur Inklusion (WolfenbüttelHeute.de berichtete). Zu den Entwürfen nimmt der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte – VNL/VDR wie folgt Stellung (ungekürzt und unkommentiert):
Der VNL/VDR begrüßt und unterstützt den Schritt zur Inklusion ausdrücklich, deren Umsetzung aus unserer Sicht gerade im Sekundarbereich I erst recht spät von der Landesregierung in Angriff genommen worden ist. Grundsätzlich muss bei allen Belangen das Wohl des einzelnen Kindes im Vordergrund stehen. Es dürfte unstrittig sein, dass Inklusion nur dann gelingen kann, wenn gewisse „Grundbedingungen“ stimmen:
• Die personelle Ausstattung der allgemein bildenden Schulen muss so ausgestaltet sein, dass eine optimale Förderung aller Schülerinnen und Schüler ermöglicht wird. Das bedeutet, dass neben besonders qualifizierten Lehrkräften, wie z. B. Förderschullehrkräften, zusätzliches Personal wie Sozialpädagogen, Therapeuten, Assistenzkräfte usw. vorgehalten werden muss. Dieses Personal sollte im Landesdienst stehen.
• Die inklusive Schule ist mit einer ausreichenden Stundenzahl für Förderschullehrkräfte auszustatten, die bisherige Regelung im Primarbereich ist zu knapp bemessen.
• Die räumliche und sächliche Ausstattung der allgemein bildenden Schulen muss den Gegebenheiten angepasst werden.
• Die derzeit hohen Klassenfrequenzen müssen bei inklusiver Beschulung deutlich gesenkt werden, ideal wären 20 Schülerinnen und Schüler pro Klasse.
• Um allen Schülerinnen und Schülern – von den Hochbegabten bis zu denen mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung – gerecht werden zu können, bedarf es geeigneter Lehrmaterialien.
• Die Fortbildung der jetzt im Schuldienst stehenden Lehrkräfte ist zu intensivieren.
• Es muss auch für die Zukunft sichergestellt werden, dass Förderschullehrkräfte mit verschiedenen Förderschwerpunkten ausgebildet werden.
• Alle angehenden Lehrkräfte müssen bereits im Studium und im Vorbereitungsdienst/Referendariat entsprechend ausgebildet werden. Grundsätzlich hält der VNL/VNL die Beibehaltung der Förderschulen vorerst für gerechtfertigt. Es ist jedoch unstrittig, dass sich deren Zahl im Laufe der Zeit deutlich reduzieren wird und dass sich ihre Aufgaben in Richtung Förderzentren ändern werden.
Der Normalfall sollte die gemeinsame Beschulung aller Schülerinnen und Schüler an den allgemein bildenden Schulen sein. Es sollte nur unter sehr engen Grenzen davon abgewichen werden dürfen (siehe Anmerkungen weiter unten). Der Elternwille sollte frei sein. Er darf jedoch nicht dazu missbraucht werden, die Existenzberechtigung einer Schulform zu sichern. Eine nicht-inklusive Beschulung gegen den Willen der Eltern darf nur in äußerst engen Grenzen verfügt werden
können und sollte die Ausnahme sein.
Dies vorausgeschickt nehmen wir im Weiteren schwerpunktmäßig zum Entwurf der Regierungsfraktionen Stellung, da dieser die größte Umsetzungswahrscheinlichkeit hat.
zu § 14 Abs. 4 Satz 2: Es ist für eine Übergangszeit hinnehmbar, dass es lediglich in der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen keinen Primarbereich mehr gibt. Es sollte in regelmäßigen zeitlichen Abständen geprüft werden, welche Förderschwerpunkte aus dem Förderschulbereich an die Regelschulen übertragen werden können.
zu § 59 Abs. 5 (neu): Es wird in der Realität einige wenige Fälle geben, die die Anwendung dieses Regelung notwendig machen. § 59 Abs. 5 darf u. E. nur in sehr engen Grenzen angewandt werden. Es ist festzulegen, wer feststellt, dass dem
individuellen Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung nicht an einer Regelschule entsprochen werden kann. Es muss eindeutige Ausführungsbestimmungen für die Beschulung an einer Förderschule geben.
zu § 61 Abs. 3.5 (neu): Es ist nicht einsichtig, dass eine Behinderung die Ordnungsmaßnahme „Überweisung an eine [andere Schule, hier:] Förderschule“ rechtfertigt. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler, egal wie behindert, eine Gefahr für die Menschen in der Schule darstellt, müssen andere Maßnahmen ergriffen werden als die ‚Zwangseinweisung’ in eine Förderschule.
zu § 37 Abs. 4 (neu): Es ist zu begrüßen und auch wünschenswert, dass Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Sekundarbereich II, die sich in einer Werkstatt für Behinderte befinden, auch dann die Berufsschule besuchen können, wenn sie nicht mehr schulpflichtig sind.
zu § 183 c Abs. 1 (neu): Die Umsetzung der inklusiven Schule erst ab 2013/14 verkennt die Realität, der Bedarf an inklusiver Beschulung ist bereits jetzt reichlich vorhanden, sowohl im Primar- als auch im Sekundarbereich I.
zu § 183 c (neu) Abs. 2 und 3 (neu): Es ist hinnehmbar, dass für eine Übergangszeit der Schulträger sog. „Schwerpunktschulen“ für die inklusive Beschulung vorhalten muss. Es muss sichergestellt sein, dass das anvisierte Jahr 2018 auch wirklich eingehalten wird. Finanzielle Gründe dürfen nicht zu einer Verschiebung führen.
zu § 183 c (neu) Abs. 5 (neu): Die Regelung ist zu begrüßen und menschlich eine Selbstverständlichkeit, die bestehenden Integrationsklassen sind bis zu ihrem Auslaufen ausreichend mit Lehrerstunden und Assistenzkräften zu versorgen.
Abschließend sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Inklusion nicht zum Nulltarif zu haben ist. Inklusion ist ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen, deren zügige Umsetzung dringend geboten ist. Es müssen Barrieren abgebaut werden, nicht nur in Gebäuden, sondern vor allem in den Köpfen, ein sicher langer, aber lohnender Prozess.
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