Der Rücktritt des CDU-Stadtratsabgeordneten Gert Hungeling hinterlässt Vorwürfe und offene Fragen, basierend auf einem offenbar bereits seit längerem bestehenden Streit zwischen ihm, Bürgermeister Thomas Pink und seinen Fraktionskollegen Prof. Dr. Christoph Helm und Eckbert Schulze. In einem gestern Abend mit unserer Online-Zeitung geführten Gespräch, erhebt Hungeling Anschuldigungen gegen eben diese Personen in Bezug auf die Darstellung seiner eigenen Person (WolfenbüttelHeute.de berichtete).
Heute Vormittag sprachen wir mit Pink, Helm und Schulze über den durch Gert Hungeling dargelegten vorangegangenen Schriftverkehr, in welchem ihm eine Rufmordkampagne gegen den Bürgermeister vorgeworfen wird und er dies als Verleumdung zurückweist, sowie noch einmal über seinen Rücktritt im Allgemeinen.
Thomas Pink sieht das Ganze gelassen, möchte sich aber nicht weiter zu diesen "zum Teil Verwaltungsinternen Angelegenheiten" äußern. Er bestätigt jedoch, dass es einen Brief von ihm an Hungeling gegeben habe, welcher vom Amt für Rechtsangelegenheiten der Stadt Wolfenbüttel verfasst wurde, in welchem man den CDU-Stadtratsabgeordneten auf die Rechte und Pflichten eines Mandatsträgers hingewiesen habe.
"Er hat sich mir und meinen Mitarbeitern gegenüber unangemessen verhalten und darauf reagieren wir natürlich", berichtet Pink zum Anlass des Briefes.
Marion Buschfeld, Leiterin des Amtes für Rechtsangelegenheiten bei der Stadt Wolfenbüttel und eigentliche Verfasserin des Schreibens ergänzt, dass Herrn Hungeling "manche Entscheidungen der Stadt bezüglich verschiedener Bauanträge nicht gefallen" haben. Seinen aus diesem Schreiben resultierenden Eindruck der Nötigung könne Buschfeld nicht nachvollziehen. Es wäre rein subjektiv, wie man die Sache interpretiert. "Ich mache diese Arbeit seit 30 Jahren und weiß wie man einen solchen Brief verfasst, ohne beleidigend zu werden", erklärt die Amtsleiterin.
Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Wolfenbüttel, Prof. Dr. Christoph Helm, zeigt sich über den Zeitpunkt der Mandatsniederlegung Hungelings überrascht. Grund dafür hätte er schon vor der Sommerpause gehabt. In der letzten Zeit hätte es keine neuen Entwicklungen gegeben, die seinen jetzigen Schritt rechtfertigen würden.
"Ich hätte einen Rücktritt vor der Sommerpause vermutet. Als das nicht geschah, glaubte ich, man könnte die Konflikte lösen und wieder vernünftig miteinander arbeiten", offenbart Helm. Und weiter: "Es wäre auch schlimm gewesen, wenn es sich jetzt noch länger hingezogen hätte."
Hungeling sei von den Christdemokraten als neues Mitglied der Fraktion "mit offenen Armen" empfangen wurden. Man habe ihm jede Chance geboten, sich in den Sitzungen zu verwirklichen. "Wir hätten uns gewünscht, dass er sich mehr in den Sitzungen eingebracht hätte. Er hat oft gefehlt", berichtet Helm.
Zum von der CDU-Stadtratsfraktion in einem Schreiben vorgebrachten Vorwurf der Rufmordkampagne erklärt der Fraktionsvorsitzende, dass Hungeling "den Bürgermeister in seiner Funktion stark kritisiert und angegriffen" habe. Dies soll gemäß dem Motto: "der kann nichts, der tut nichts, der taugt nichts", geschehen sein. Dagegen habe man sich mit dem besagten Schreiben des Amtes für Rechtsangelegenheiten gewehrt.
Der CDU-Stadtverbandvorsitzende Eckbert Schulze hat kein Interesse das Thema weiter zu diskutieren. Man habe sich nichts vorzuwerfen und nehme Abstand davon "mit Schmutz zu werfen." Das sei nicht Stil der Fraktion. Gleichwohl teilt er mit, dass das CDU-Schreiben auch auf Bitten von Fraktionsmitgliedern entstanden sei und nach mehreren von Hungeling ausgeschlagenen Gesprächseinladungen erfolgte. Abschließend bemerkt Schulze: "Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende."
Vertreter der anderen dem Rat der Stadt Wolfenbüttel angehörenden Parteien zeigten sich auf Nachfrage von WolfenbüttelHeute.de allesamt überrascht vom Rücktritt Hungelings. Wir fragten sie nach ihrer Meinung zur Arbeit im Rat.
"Die Entscheidung überrascht mich. Wir haben wohl mitbekommen, dass es Unstimmigkeiten gab, jedoch nicht geahnt, dass diese so schwerwiegend sind. In jeder Partei gibt es Uneinigkeit, die muss man dann diskutieren und dann ist die Sache auch aus der Welt. Man könnte meinen, man müsse sich um die CDU-Fraktion Sorgen machen. Hungeling ist ja nicht dererste der zurücktritt. Gut, dass die Ferien vorbei sind. Aber das Sommertheater war klasse! Die Arbeit im Rat ist sehr konstruktiv. Wir haben das Gefühl, etwas in den Menschen zu bewegen. Ich empfinde die Zusammenarbeit als angenehm."
Markus Brix, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90 / Die Grünen
"Es kommt nicht überraschend. Wenn man die CDU mal beobachtet, stellt man schnell fest, dass dort Nachholbedarf besteht. In der CDU wird erwartet, dass man der Fraktionslinie folgt und man immer eine geschlossene und einstimmige Meinung wieder gibt. Ich finde es schade, dass Hungeling geht. Ein Charakterkopf wie Hungeling ist mit anderen Vorstellungen in die Politik gegangen und wurde enttäuscht. Mir wird er als Querdenker fehlen. Im Allgemeinen ist die Arbeit im Rat lebhafter geworden. Nicht zuletzt durch die kleinen Parteien, wie die Grünen und die Piraten. Es wird mehr diskutiert als früher, das finde ich wichtig und gut."
Rudolf Ordon, FDP
"Ich kann dazu nicht viel sagen. Herr Hungeling hat seine Entscheidung getroffen. Die Arbeit im Rat kann ich noch nicht richtig beurteilen, da ich erst wenige Sitzungen mit erlebt habe. Mit Herrn Hungeling habe ich so auch noch nicht persönlich gesprochen. Oft ist es aber im Rat so, dass Entscheidungen nur noch abgenickt werden. Das ist auch nicht unbedingt verkehrt. Meist wurden die Themen in kleineren Ausschüssen vorher besprochen und diskutiert. Ich als Einzelperson enthalte mich oft auch, weil ich alleine nicht jeden Beschluss verfolgen kann."
Florian Röpke, parteilos für die Linke
"Den Rücktritt Hungelings kann ich nicht kommentieren. Die Arbeit im Rat erlebe ich als lebhaft, spannend und manchmal auch langwierig bei der Entscheidungsfindung. Ich denke es ist allseits bekannt, dass ich nicht einfach alles abnicke was vorgelegt wird und es durchaus unterschiedliche Vorstellungen gibt. Bei aller politischer Meinungsvielfalt sollte man die menschliche persönliche Ebene hiervon gut trennen können."
Werner Heise, Fraktionsvorsitzender der Piratenpartei
"Ich bin überrascht über die Entscheidung von Herrn Hungeling. Die Arbeit im Rat ist wirklich gut. Die Zusammenarbeit zum Wohle der Stadt klappt super. Das ist unser oberstes Gebot. Gemeinsam finden wir immer einen guten Kompromiss. Und wir sind frei in unserer Meinung. Ich möchte an dieser Stelle auch sagen, dass wir einen gut funktionierenden Verwaltungsapparat haben, der eine wirklich gute Arbeit leistet."
Elke Wesche, als Ratsmitglied für die SPD
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