Zurück zur Wehrpflicht? Das sagen unsere Politiker

Werden junge Männer - und diesmal auch Frauen - bald wieder zum Dienst bei der Bundeswehr verpflichtet?

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Rückkehr zur Wehrpflicht? Das sagen unsere Bundestagsabgeordneten.
Rückkehr zur Wehrpflicht? Das sagen unsere Bundestagsabgeordneten. | Foto: Hintergrundbild über canva, Foto Merten über FDP, Rest regionalHeute.de/Thomas Stödter

Region. Müssen wir angesichts der Aggression Russlands zu einer Wehrpflicht zurückkehren, um unser Land verteidigungsfähig zu halten? Der neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte die Aussetzung jener kürzlich als Fehler bezeichnet. regionalHeute.de fragte die Bundestagsabgeordneten der Region Braunschweig-Wolfsburg nach ihrer Meinung zum Thema. Die Antworten erscheinen in Reihenfolge der Rückmeldungen.


Frank Bsirske (Bündnis90/Die Grünen, Wahlkreis Helmstedt-Wolfsburg): "Eine Rückkehr zur Wehrpflicht halte ich nicht für zielführend. Angesichts der Komplexität heutiger Waffentechnik braucht es Spezialisten. Und angesichts des akuten Fachkräftemangels in unserer Wirtschaft würden die jungen Nachwuchskräfte dort fehlen, wenn sie für 12 bis 18 Monate dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt entzogen würden."

Frank Bsirske (Bündnis90/Die Grünen)
Frank Bsirske (Bündnis90/Die Grünen) Foto: Thomas Stödter


Carsten Müller (CDU, Wahlkreis Braunschweig): "Eine Beendigung der Aussetzung der Wehrpflicht ist nicht zwingend erforderlich, denn die Bedienung von komplexen und kontinuierlich modernisierten Waffensystemen bedarf langer Ausbildungszeiten und ständigem Training, ich möchte sie jedoch auch nicht kategorisch ausschließen. Klar ist für mich: Die Bundeswehr braucht bestens ausgebildete, motivierte und hochprofessionelle Soldatinnen und Soldaten, die ihren Dienst verrichten und dafür von der Gesellschaft anerkannt und respektiert werden. Das erfordert eine gesamtgesellschaftliche Debatte und wir müssen viel stärker in den Blick nehmen, wie ausreichend gut qualifizierte Reservisten für die Bundeswehr gewonnen werden können. Sollte es sich herausstellen, dass nicht genügend Fachkräfte für die Bundeswehr gewonnen werden können, muss auch die Frage der Wehrpflicht neu diskutiert werden."

Carsten Müller (CDU).
Carsten Müller (CDU). Foto: Thomas Stödter


Karoline Otte (Bündnis90/Die Grünen, Wahlkreis Goslar-Northeim-Osterode): "Ich halte die Forderung nach einer Rückkehr zur Wehrpflicht für realitätsfern. Sowohl der neue Verteidigungsminister Pistorius als auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, betonen, dass die Bundeswehr auf besseres Material und teils hoch spezialisierte Fachkräfte angewiesen ist. Eine Wehrpflicht würde hierbei nicht helfen, sondern lediglich Ressourcen verbrauchen, die besser eingesetzt werden können. Zudem bin ich überzeugt davon, dass die Aussetzung der Wehrpflicht 2011 ein bürgerrechtlicher Erfolg war, der jungen Menschen endlich mehr Freiheit in ihrer eigenen Lebensplanung ermöglicht hat."

Karoline Otte (Bündnis90/Die Grünen).
Karoline Otte (Bündnis90/Die Grünen). Foto: Thomas Stödter


Frauke Heiligenstadt (SPD, Wahlkreis Goslar-Northeim-Osterode): "Die Frage nach einer Wehrpflicht wirft viele Fragestellungen auf, die beispielsweise auch im Kontext eines allgemeinen sozialen Pflichtjahrs, wie es der Bundespräsident vorgeschlagen hat, diskutiert werden können. Ich bin etwas skeptisch, dass die Einführung der Wehrpflicht kurzfristige Probleme löst. Denn die Bundeswehr braucht vor allem Personal, das sich lange bindet und sie braucht gut ausgebildetes Personal. Es gibt in fast allen Bereichen der Bundeswehr zu wenig Personal. Gleichzeitig sind wir in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen aber auch mit einem Fachkräftemangel konfrontiert.

Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht würde viele Themen aufwerfen. Wir hatten zuletzt um die 9.200 freiwillig Wehrdienstleistende pro Jahr. Wenn die Wehrpflicht wieder eingeführt würde, würde es wesentlich mehr Wehrdienstleistende geben. Es stellt sich dann die Frage nach der Wehrgerechtigkeit oder nach einer Wehrpflicht auch für Frauen. Weiterhin wäre zu klären, wo Kasernen neu- bzw. ausgebaut werden, wo Ausbilder, Ausrüstung und Munition herkommen und wie das Ganze überhaupt finanziert werden soll. Dieser Prozess kostet nicht nur sehr viel Zeit, sondern auch sehr viel Geld. Man muss bedenken, dass die Aussetzung der Wehrpflicht unter völlig anderen Rahmenbedingungen erfolgte."

Frauke Heiligenstadt (SPD).
Frauke Heiligenstadt (SPD). Foto: Thomas Stödter


Anikó Glogowski-Merten (FDP, Wahlkreis Braunschweig): "Wir werden alles dafür tun, dass die Bundesrepublik ihrer sicherheitspolitischen Verantwortung gerecht wird. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ist dabei für die FDP-Fraktion und mich ausgeschlossen. Die gesamte Debatte ist unzeitgemäß und eine Wiedereinführung würde zulasten der jungen Generation gehen. Stattdessen muss es unser Ziel sein, die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver zu machen und den sicherheitspolitischen Herausforderungen angemessen auszustatten. Wir brauchen keine Scheindebatte über die Wehrpflicht, sondern darüber, wie wir die Bundeswehr professionell und bündnisgerecht stärken."

Anikó Glogowski-Merten (FDP).
Anikó Glogowski-Merten (FDP). Foto: FDP


Dunja Kreiser (SPD, Wahlkreis Salzgitter-Wolfenbüttel): "Unsere Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee von Spezialistinnen und Spezialisten. Besonders deutlich wird das bei der Frage der Cybersicherheit. Wir brauchen hoch ausgebildete Expertinnen und Experten, eine gut ausgestattete Berufsarmee. Dafür hat die Bundesregierung das 100 Milliarden Sondervermögen bereitgestellt. Eine Wehrpflicht, wie wir sie kennen, ist nicht notwendig."

Dunja Kreiser (SPD).
Dunja Kreiser (SPD). Foto: Thomas Stödter


Christos Pantazis (SPD, Wahlkreis Braunschweig): "Ich teile die Ansicht des Bundesverteidigungsministers Boris Pistorius, dass das Aussetzen der Wehrpflicht ein Fehler war. Als Befürworter der Wehrpflicht – im Kontext einer Dienstpflicht im Allgemeinen – halte ich eine Wiedereinführung zum jetzigen Zeitpunkt, aber für wenig realistisch. Ich denke auch nicht, dass uns in der aktuellen Debatte die Wiedereinführung der Wehrpflicht in den kommenden Jahren weiterhelfen würde. Schließlich verfügen wir derzeit auch gar nicht über die Infrastruktur, um diese vielen jungen Menschen auszuwählen, auszustatten und unterzubringen. Oberste Priorität sollte sein, dass wir unsere Bundeswehr ertüchtigen, das Missmanagement beheben und die Liegenschaften instand setzen. Darin liegen die künftigen Herausforderungen, die zuerst angegangen werden sollten, bevor wir weiter über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutieren."

Dr. Christos Pantazis (SPD).
Dr. Christos Pantazis (SPD). Foto: Thomas Stödter


Auch Hubertus Heil (SPD, Wahlkreis Gifhorn-Peine) und Victor Perli (Linke, Wahlkreis Salzgitter-Wolfenbüttel) haben wir zum Thema angefragt. Das Büro von Hubertus Heil teilte mit, dass dieser sich im Urlaub befände und man daher von einer Beantwortung absehe. Von Victor Perli erhielten wir trotz telefonischer Erinnerung an unsere Anfrage keine Reaktion.

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