Braunschweig. Bei der Verwaltung gehen regelmäßig Beschwerden über unangemessene Verhaltensweisen, unter anderem von Bettlern und Straßenmusikern, ein. Daher hat die Stadt nun eine Sondernutzungsssatzung erarbeitet, die ein neues Regelwerk für das gemeinsame Zusammenleben in der Innenstadt mit sich bringt. Die Ratsmitglieder segneten dieses in ihrer heutigen Sitzung ab.
„Durch Aufnahme der folgenden Regelungen in die Satzung werden verbindliche Regelungen geschaffen, die unabhängig von den bestehenden Regelungen des Ordnungsrechts ein unmittelbares Handeln zur Verhinderung unerwünschter Verhaltensweisen erleichtern", steht es in der Vorlage der Verwaltung geschrieben. In der Braunschweiger Fußgängerzone sei immer wieder zu beobachten, dass mehrere Personen vor Geschäftsfronten auf Decken verweilen. „Sie führen Hunde mit sich, konsumieren Alkohol, sprechen oder betteln Passanten an", schreibt die Verwaltung. Das soll sich nun ändern. Weil der Stadt aktuell keine Instrumente zur Verfügung stehen, in Einzelfällen gegen Personen vorzugehen, hat die Verwaltung eine entsprechende Sondernutzungssatzung erarbeitet. Diese umfasst Regeln für Bettler, Straßenmusiker und sogenannte „Lagerer", also Personen, „die einen eingerichteten Rast- und Ruheplatz zum Zweck des dauerhaften Verweilens nutzen und hierdurch andere Verkehrsteilnehmer oder Anlieger in ihrem Gemeingebrauch eingeschränkt werden", wie es in der Vorlage erklärt wird.
„Hier besteht Regelungsbedarf"
„Ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht", zitierte der CDU-Fraktionsvorsitzende Thorsten Köster aus der Straßenverkehrsordnung. Ein Satz, der im Straßenverkehr oberste Priorität habe und so auch bei Passanten umgesetzt werden sollte. Die neue Sondernutzungsordnung sei aus Sicht der Union daher„genau richtig". Es gehe nicht darum Menschen komplett aus der Innenstadt zu verdrängen, sondern Respekt und Rücksicht zu verinnerlichen. So sieht das auch die SPD. Ratsherr Detlef Kühn betont: „Hier besteht Regelungsbedarf". Und das werde inder Vorlage der Verwaltung deutlich, in der klar formuliert sei, dass es vermehrt Beschwerden aus der Bevölkerung gebe. Und nicht nur die Passanten würden letztlich von der neuen Sondernutzungsordnung profitieren, sondern auch die Bettler, die sich respektvoll verhalten, ergänzt Gunnar Scherf (AfD).
Heftige Kritik
Die Ausführungen der Verwaltung trafen aber nicht nur auf Zustimmung. Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke äußerten heftige Kritik. „Die Bettelei in unserer Stadt findet an keiner Stelle in so aggressiver Form statt, wie in anderen Städten", verglichUdo Sommerfeld (Die Linken). Sollten diese Beschwerden allerdings wirklich so stimmen, dann soll es nach Auffassung des Ratsherrn eher im Vordergrund stehen, dass dem Menschen, der auf der Straße steht, Hilfe zuteil wird. „Wir können nicht eine bestimmte Bevölkerungsgruppe bevorzugenund eine andere ins Dunkle verbannen", machte Lisa-Marie Jalyschko (Bündnis 90/Die Grünen) deutlich.
„Lagerei" wird zeitlich begrenzt
Doch die Kritik half nicht, die Sondernutzungssatzung wurde mehrheitlich beschlossen. Die Stadt beschränkt daher nun unter anderem ein Verweilen in der Innenstadt auf 60 Minuten. Heißt: Nach einer Stunde müssen sich die „Lagerer" einen anderen Ort zum Verweilen suchen, vorausgesetzt andere Personen werden dadurch belästigt. Um Vorfälle zu reduzieren sollen auchStreet Worker gezielt eingesetzt werden, was laut Verwaltung bereits im Bereich Bohlweg-Kolonaden erfolgreich war.
Straßenmusiker sollen nur noch 30 Minuten an einem Ort spielen dürfen. Symbolfoto: Archiv Foto: regionalHeute.de
Das müssen Straßenmusiker beachten
Auch für Straßenmusiker gibt es neue Regeln, unter anderem die Einführung von expliziten Spielzeiten. Um Störungen von Bewohnern, Passanten und Gewerbetreibenden zu vermeiden, sollen die Musiker zudem auf Verstärkeranlagen verzichten und auch der Verkauf von Tonträgern wird verboten.
Die Regeln für Straßenmusiker in der Übersicht:
- Straßenmusik darf zwischen 10 Uhr und 21.30 Uhr ausgeübt werden.
- Verstärkeranlagen und Tonübertragungsgeräte dürfen nicht eingesetzt werden.
- An einem Standort dürfen maximal 30 Minuten innerhalb eines Zeitraumes zwischen der vollen Stunde bis zur nächsten
- halben Stunde musiziert werden, also z. B. von 11 Uhr bis max. 11.30 Uhr. Anschließend ist der Standort zu wechseln.
- Der neue Standort muss dann mindestens 200 Meter vom bisherigen Standort entfernt sein.
- Zu genehmigten Sondernutzungen in Form von Veranstaltungen ist ebenfalls ein Abstand von 200 Metern einzuhalten.
- Straßenmusiker dürfen an einem Standort nur einmal am Tag auftreten.
Dabei sei die Beschreibung des 30-minütigen Zeitraumes zwischen der vollen und der nächsten halben Stunde dem Umstand geschuldet, dass in der Praxis anderenfalls kaum festgestellt werden könne, wann die 30-minütige Spieldauer an einem Standort verstrichen ist.
Platzverweis für die gesamte Innenstadt
In ihrer neuen Sondernutzungsordnung geht die Stadt auch gegen aggressive Bettler vor. Bei der Begrifflichkeit „Betteln" müsse allerdings zwischen verschiedenen Formen differenziert werden. Während das sogenannte stille Betteln noch vom Gemeingebrauch erfasst und damit zulässig sei, stelle das aggressive und das gewerbsmäßige Betteln eine Sondernutzung dar. Der Zentrale Ordnungsdienst und die Polizei schreiten laut Verwaltung bereits jetzt schon gegen das aggressive, das gewerbsmäßige und organisierte Betteln ein. Bettelnde Personen, die Passanten belästigen, werden aufgefordert, diese Form des Bettelns zu unterlassen; gegebenenfalls werden Platzverweise erteilt und mit der neuen Sondernutzungsordnung sogar für die gesamte Innenstadt. Die Stadt definiert die Bettelformen wie folgt: „Aggressives Betteln liegt vor, wenn angebettelte Personen nachdrücklich oder hartnäckig angesprochen, festgehalten, angefasst werden, ihnen der Weg versperrt wird, sie bedrängend verfolgt oder durch massives Auftreten mehrerer Personen belästigt oder bedroht werden. Gewerbsmäßiges und organisiertes Betteln liegt insbesondere vor, wenn bettelnde Personen z. B. durch Dritte erkennbar gelenkt und ihnen Bettelplätze zugewiesen werden, wenn Bettelerlöse erkennbar durch Dritte übernommen werden oder wenn bettelnde Minderjährige von Erwachsenen beim Betteln überwacht werden.“
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