Braunschweig. In Leiferde hat sich Protest gegen die von der Stadt geplante neue Okerbrücke gebildet. Kritisiert werden unter anderem eine mögliche Zerstörung der naturbelassenen Okeraue und Steuerverschwendung. regionalHeute.de fragte die Fraktionen im Stadtrat nach ihrem Standpunkt. Die Reihenfolge der Statements richtet sich dabei nach deren Eingang.
Folgendes Statement erreichte uns von Ratsherr Mathias Möller (FDP):
„Für beide Seiten gibt es gute Argumente. Es stimmt, dass auch Fördermittel immer unser aller Steuern sind und die Förderfähigkeit allein kein Grund sein darf, sich für die teurere Variante zu entscheiden. Wir glauben jedoch, dass der geplante Neubau bei allen möglichen Nachteilen die bessere Variante ist: Alleine die Möglichkeit einer Buslinie zwischen Stöckheim und Leiferde bedeutet für uns ein Stück Zukunftsfähigkeit – und letzten Endes auch Umweltschutz. Wir glauben, dass die Stadt bei ihren Plänen den Naturschutz durch die enge Abstimmung mit den zuständigen Stellen ausreichend beachten wird. Die Angst der Anwohner vor mehr Verkehr ist verständlich, doch wird gerade die enge Kurvenführung auf der Strecke sicher viele Lastwagenfahrer abschrecken – ein zu hohes Tempo ist dadurch unserer Meinung nach ebenfalls nicht zu erwarten. Nicht zuletzt sind für uns die Entscheidungen im Stadtbezirksrat ein gewichtiges Argument. Dort sitzen die von den Bürgern für ihren Ort gewählten Vertreter, die die Lage dort genau kennen. Der Stadtbezirksrat hat in Vertretung der Bürger für die Nordvariante gestimmt. Dem schließen wir uns an.“
Ratsfrau Beate Gries (Bündnis 90/Die Grünen) nimmt zu diesem Thema folgendermaßen Stellung:
„Den Protest in Leiferde gegen die geplante neue Okerbrücke können wir gut nachvollziehen. Auch unsere Ratsfraktion ist von diesem Brückenprojekt und der favorisierten „Nordtrasse“ nicht überzeugt.
Wir haben der Beschlussvorlage der Fachverwaltung daher im Planungs- und Umweltausschuss (PlUA) am 9.August 2017 auch nicht zugestimmt. Das geplante Bauwerk erscheint uns zu groß dimensioniert und könnte folgende negative Auswirkungen haben: Erhöhtes Gefahrenpotential durch höheres Verkehrsaufkommen (inklusive Schwerlastverkehr) und höhere Geschwindigkeit (70 km/h), deutliche Belastung der Okeraue durch größere Eingriffe in Natur und Umwelt sowie erhebliche Kosten für die öffentliche Hand (zirka 4,5 Millionen Euro). Wie bei der Berkenbuschbrücke in Rüningen scheint es hier vor allem darum zu gehen, Fördermittel des Landes Niedersachsen zu erhalten, um die Haushaltsbelastung für die Stadt Braunschweig zu senken. Für die Steuerzahlerist es allerdings egal, ob der Brückenneubau aus dem Landes- oder aus dem Stadthaushalt bezahlt wird.
Unseres Erachtens ist es gar nicht unbedingt notwendig, an dieser Stelle eine neue Brücke für den PKW- und LKW-Verkehr zu errichten. Die bisherigen Verkehrsbelastungen rechtfertigen das unserer Auffassung nach jedenfalls nicht. Wir haben deshalb vorgeschlagen, eine Kosten-Nutzen-Analyse vorzunehmen, was aber von der Verwaltung sowie von SPD und CDU abgelehnt wurde. Für den Fuß- und Radverkehr würde auch eine deutlich kleinere Lösung ausreichen. Uns ist bewusst, dass es in Leiferde auch viele Befürworterder großen Okerbrücke gibt, da wir auch positive Reaktionen auf die Ausbaupläne erhalten haben. Trotzdem werden wir uns auch mit den weiteren Vorlagen zur Fischerbrücke kritisch auseinandersetzen. Wir hoffen, dass es doch noch gelingt, eine kleinere und weniger Verkehr erzeugende Brücke zu bauen.“
BIBS-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Büchs erklärt:
„Die nachhaltigen Proteste vieler Bürgerinnen und Bürger aus Leiferde zeigen, dass die Meinung der Bürgerschaft nicht so einhellig ist, wie es der einstimmige Bezirksratsbeschluss vermuten lässt. Die BIBS-Fraktion meint dazu: Eine neue Brücke ja, aber nicht auf Kosten der Natur und der Sicherheit von Fußgängern und Radfahrern.
Um Fördermittel des Landes beantragen zu können, darf die Brücke keine Traglastbeschränkung aufweisen und muss auf freier Strecke für 70km/h zugelassen sein. Das geht nur mit der Nordtrasse. Diese Trasse bedeutet aber nicht nur freie Fahrt für LKW und höhere Geschwindigkeiten, sondern auch erheblich stärkere Eingriffe in die Natur als die ‚kleiner‘ und ‚langsamer‘ ausgelegte Südtrasse (zum Beispiel muss eine sehr alte Schwarzpappel fallen - eine stark gefährdete Baumart). Wie beim Neubau der Berkenbuschbrücke in Stöckheim haben Verwaltung, CDU und SPD jedoch nur Augen für die Förderfähigkeit. Dem werden die aus Sicht der BIBS-Fraktion sehr berechtigten Bedenken von Leiferder Bürger völlig untergeordnet. Typisch für Braunschweig: Der Natur- und Umweltschutz zieht mal wieder den Kürzeren.
Da die Unterlagen zu den Umweltauswirkungen im Planungs- und Umweltausschuss am 9.August 2017 noch gar nicht vorlagen, hätte die Entscheidung für eine bestimmte Trasse beziehungsweise Planungsvariante noch nicht getroffen werden dürfen. SPD, CDU und Verwaltung ist die Zerstörung der Okeraue dort offensichtlich egal.
Die BIBS-Fraktion unterstützt den Protest und fordert die Verwaltung und die großen Parteien auf, den Beschluss zurückzunehmen. Nach Vorliegen aller Unterlagen muss die Sachlage unter direkter Beteiligung der Leiferder Bürgerinnen und Bürger neu bewertet werden."
Stellungnahme der Linksfraktion zum Neubau der Okerbrücke Leiferde:
Die Linksfraktion hält die Kritik am geplanten Neubau der Okerbrücke Leiferde für begründet. Die in der Planung der Stadt auch dargestellte Südtrasse dieses Brückenneubaus wäre günstiger, bedeutete einen geringeren Eingriff in die Landschaft der Okeraue und wäre zugleich für den Bedarf des lokalen Kfz-Verkehrs völlig ausreichend. Wieso wurde dennoch die Nordtrasse beschlossen? Der Grund ist eine Förderrichtlinie des Landes Niedersachsen. Die teurere Nordtrasse wird mit 2,0 Millionen Euro gefördert, die günstigere Südtrasse nur mit 0,5 Millionen Euro. Hier besteht erheblicher Handlungsbedarf für die neue Landesregierung.
Kurt Schrader, CDU-Ratsherr aus Stöckheim und gut mit dem geplanten Neubau der Okerbrücke bei Leiferde vertraut, nimmt folgendermaßen Stellung:
„Oberste Priorität hat für die CDU-Fraktion – und natürlich auch für mich persönlich – die schnellstmögliche Wiederherstellung der direkten Wegeverbindung zwischen Stöckheim und Leiferde. Heute kommen zwar noch Fußgänger und Radfahrer über die alte Fischerbrücke, für den Autoverkehr ist sie aber seit Juni 2016 gesperrt und das bringt große Probleme mit sich. Denn in Leiferde gibt es keinerlei Einkaufsmöglichkeiten, keinen Wochenmarkt, keine Fachärzte. In Stöckheim ist dies sehr wohl vorhanden, doch mit dem Auto kommt man heute nur über große Umwege dahin. Die überwältigende Mehrheit der Leiferder spricht sich deshalb vehement für einen schnellen Neubau aus und diese Forderung begleiten wir politisch!
Der örtliche Bezirksrat Stöckheim Leiferde, dem ich selbst als Mitglied angehöre, hat sich einstimmig für die jetzt in Planung befindliche Variante ausgesprochen. Wir sind den Mitgliedern des Planungs- und Umweltausschusses dankbar, dass sie unserem Beschluss – und damit dem Wunsch der Leiferder Bürgerinnen und Bürger –mit großer Mehrheit gefolgt sind.
An dieser Stelle will ich ausdrücklich die Verwaltung loben, denn sie hat alle Interessen abgewogen und dabei natürlich auch den Eingriff in die Natur möglichst geringgehalten. Wir dürfen bitte nicht vergessen, dass beim Hochwasser in diesem Sommer die jetzige Okerbrücke vom Wasser überspült wurde. Die neue Brücke muss also schon aus Sicherheitsgründen so konzipiert und gebaut werden, dass sie einem Hochwasser standhält. Auch kann ich die Befürchtungen, dass mit der neuen Brücke der Schwerlastverkehr stark zunehmen würde, nicht nachvollziehen. Denn auf beiden Seiten der Oker schlängeln sich die Straßen zur Brücke hin und machen somit ein Befahren durch LKW schwierig. Nicht zuletzt darf auch die Landesförderung nicht vergessen werden, denn die offizielle Freigabe für Lastwagen bringt uns einen Zuschuss in Höhe von rund zwei Millionen Euro. Geld, dass wir an anderer Stelle für Kindergärten und Schulen einsetzen können. Wir nehmen die vorgebrachten Sorgen sehr ernst, für uns gibt es derzeit aber keinen Grund, vom eingeschlagenen Weg abzuweichen.
Wir werden aber natürlich den weiteren Planungs- und Bauprozess konstruktiv begleiten und stets darauf achten, dass die befürchteten Szenarien nicht eintreten.“
Ratsherr Christian Bley von Die Fraktion P² (Piraten, Die Partei) nimmt folgendermaßen Stellung:
Die Abwägung zwischen einer reinen Fußgänger- und Fahrradbrücke und einer Brücke, die auch von Kraftfahrzeugen genutzt werden kann, war nicht einfach; gerade vor dem Hintergrund der Lebensqualität und dem Erhalt der Okerauen und des Okerwanderweges.
Die Brücke zwischen Leiferde und Stöckheim stellt eine wichtige Wegeverbindung zwischen den Stadtteilen dar. Sie ermöglicht somit auch eine Anbindung der Einwohner, die aus unterschiedlichsten Gründen auf einen PKW angewiesen sind. Für besonders wichtig erachte ich, dass Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei zukünftig wieder die Möglichkeit erhalten, schneller an ihr Ziel zu gelangen.
Die Befürchtungen des zunehmenden LKW-Verkehrs teile ich an dieser Stelle nicht - diese haben sich auch an der Berkenbusch-Brücke nicht bestätigt. Auch hoffe ich, dass sich in der Detailplanung und im Rahmen des Abrisses der alten Brücke noch Möglichkeiten abzeichnen, den Okerwanderweg wieder anzubinden beziehungsweise weiterzuführen.
Nicole Palm, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion und planungspolitische Sprecherin sagt dazu:
"Eine ähnliche Situation mit Bürgerprotesten wie jetzt in Leiferde hatten wir 2012/2013 schon einmal, als in Rüningen intensiv über den Neubau der Brücke an der Berkenbuschstraße diskutiert wurde. Ähnlich wie im Rahmen der aktuellen Neuplanung der Fischerbrücke hat die Verwaltung seinerzeit, um Fördermittel für den Neubau der Brücke in Anspruch nehmen zu können, ein im Verhältnis zur Bestandsbrücke wesentlich größeres Brückenbauwerk geplant. In einem intensiven Dialogprozess zwischen Verwaltung, Politik und Anwohnern konnte seinerzeit erreicht werden, dass durch qualitative Verbesserungen im Umfeld der Brücke das Verkehrsaufkommen in etwa konstant gehalten werden konnte.
Einen solchen Dialogprozess habe ich der Bürgerinitiative in meiner Funktion als Vorsitzende des Planungs- und Umweltausschusses jetzt angeboten. Ein erstes Gespräch dazu wird in Kürze terminiert. Ich bin sicher, dass auch die Verwaltung ein Interesse daran hat, gemeinsam im Dialog eine Lösung zu finden, die von möglichst vielen Leiferder Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen werden kann."
Ergänzend hierzu Matthias Disterheft, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion und örtlicher Bezirksbürgermeister:
"Die Mitglieder des Bezirksrats sind sich grundsätzlich einig, dass die vorgelegte Lösung in die richtige Richtung zielt. Aus unserer Sicht ist jedoch wichtig, dass die Verwaltung in ihren Planungen Lösungen zur LKW-Tauglichkeit der Brücke, zum Hochwasserschutz und zur Umweltverträglichkeit anbietet. Sind diese Punkte erfüllt und gelingt uns hier ein guter Kompromiss, wovon ich überzeugt bin, dürfte es auch mit den Vertreterinnen und Vertretern der Bürgerinitiative einen Konsens geben.
In den Naturraum der Okeraue muss leider moderat eingegriffen werden, dies ist baulich unvermeidbar. Die sechs Schwarzpappeln werden hierbei aber definitiv geschützt, das ist naturschutzrechtlich vorgegeben. Auch den Okerwanderweg wird es weiter wie bisher geben – vorgesehen ist vielmehr, ihn fortan sogar barrierefrei auszugestalten."
Fürdie AfD-Fraktionnimmt Stefan Wirtz Stellung:
"Mit dem Bau einer Brücke in dieser Dimensionierung werden voraussichtlich auch genügende Leistungsreserven eingeplant, die der Lebensdauer des Bauwerks möglicherweise zugute kommen. Ein kraftfahrzeugtauglicher Brückenneubau an dieser Stelle ist unerlässlich nicht nur für die Anwohner als private PKW-Nutzer, sondern auch für die schweren Fahrzeuge der Daseinsvorsorge, etwa Rettungsdienste, Buslinien oder Entsorgungsbetriebe. Zwar sind die zusätzlichen Kosten bedeutend, doch wäre eine zu schwach ausgelegte Brücke ein Engpass, der sich bald als Planungsfehler rächen könnte, wenn der Bedarf sich in einigen Jahren ändern könnte. Bislang war bei der Einwohnerschaft eine mehrheitliche Zustimmung feststellbar, das Projekt wird also überwiegend positiv gesehen. Offenbar können auch alle Auflagen des Natur- und Umweltschutzes eingehalten werden. Die AfD-Fraktion hat hier keine schwerwiegenden Bedenken gegen die Baumaßnahme."
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