Braunschweig. Mit den Worten „Noch ist es nicht zu spät!“ lädt die Bürgerinitiative Baumschutz Braunschweig zu ihrer Demonstration "#unfällbar" am kommenden Samstag ein - thematisch passend - um fünf vor zwölf auf den Mittelstreifen der Jasperallee Ecke Ring.
Wie die BI Baumschutz am Montag berichtet, soll es von dort aus „laut und bunt“ zweimal um die Innenstadt und bis vor das Rathaus gehen. Die Bürgerinitiative knüpft nach eigenen Worten damit an die großen Kilimaschutzdemonstrationen 2018 u. A. in Paris, Brüssel, Köln, Berlin und im Hambacher Wald mit jeweils mehreren zehntausend Teilnehmer/innen an. Unterstützt wird sie dabei von 21 weiteren Braunschweiger Initiativen, Parteien und Institutionen.
Den Baum- und Klimaschützer gehe es um fünf Themenbereiche:
Für die Bäume auf der Jasperallee
„Durch den satirischen Fernsehbeitrag bei Extra 3 ist vielen deutlich geworden, wie unbekömmlich die Suppe ist, die die Ratsfraktionen von CDU, SPD und FDP mit ihrem Beschluss, die Bäume zu fällen und zu ersetzen, sich selbst, der Stadt und den Bürger/innen eingebrockt haben. Auch die peinliche Anfrage des Bundes der Steuerzahler hat nachdenklich gemacht. Deshalb wollen wir den Politiker/innen eine Brücke zurück zu ihren Bürger/innen bauen. Die BIBS hat auf unsere Anregung hin einen Antrag an den Rat gestellt. Es geht darum, dass die Jasperallee als Gesamtensemble unter Denkmalschutz steht. Seit etwa hundert Jahren sieht die Jasperallee so aus wie heute, nämlich heterogen mit unterschiedlich alten und großen Bäumen nebeneinander. Dies ist der Zustand, der seit 1995 unter Denkmalschutz steht. Die Stadt wird gebeten, prüfen zu lassen, ob es überhaupt zulässig ist, diesen Zustand wie geplant radikal auszutauschen gegen einen Zustand, wie er nur einmal ganz kurz in den frühen 1900er Jahren existiert hat“ erläutert Sabine Sambou die Strategie der Baumschützer/innen. Edmund Schultz ergänzt: „Am Samstag wollen wir demonstrieren, dass nach wie vor großes öffentliches Interesse am Erhalt der alten Ahorne besteht!“
Für Braunschweigs alte Bäume
Für die BI-Aktive Renate Rosenbaum sind Bäume keine austauschbaren Dekorationsgegenstände, wie manche Architekt/innen das sehen würden, sondern respektable Lebewesen, „die unser Leben nicht nur angenehm bereichern, sondern auch lebensnotwendig für alle sind“. Sie erklärt: „Gerade alte Bäume verdienen besondere Wertschätzung. Ihre riesige Wohlfahrtswirkung für Menschen und Tiere können junge Neupflanzungen erst nach vielen Jahrzehnten ersetzen.“ Die Ehrenamtliche bedauert: „Dies wird viel zu wenig im Planen und Bauen berücksichtigt. Neben der Petrikirche soll eine der letzten grünen Innenstadtoasen so massiv bebaut werden, dass man die Kirche kaum noch sehen kann. Sechs alte Bäume würde das kosten. Die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, eigentlich zur Bewahrung unserer Werte verpflichtet, fällt hunderte fast zweihundertjährige Eichen im Querumer Wald. Das Georg-Eckert-Institut darf mitten in der Stadt in einem eigentlich geschützen Park ein Gebäude bauen. Die Stadt schreibt einen Planungswettbewerb aus, bei dem vom historischen Park Viewegs Garten zwei Böschungen und alle drei Ecken bebaut werden können. Das Marienstift will sich vergrößern und fällt dafür dutzende wertvolle alte Bäume, selbst solche, die nicht im Wege stehen. So etwas muss aufhören! Wir wollen keine Verdichtungen auf Kosten unserer Gesundheit und des Stadtklimas! Wir wünschen uns einen erhaltenden und nachhaltigen Umgang mit unserem städtischen Grün!“
Für viele neue Bäume
„45 verlorene Bäume des Hagenmarkes wurden bis heute nicht ersetzt. Mindestens 1.300 Bäume haben die starken Stürme der letzten Jahre gekostet. Dazu kommen mindestens 1000 weitere seit der Ära des Ex-OB Hoffmann nicht ersetzte Stadtbäume. 1,2 Millionen € würden für Ersatzpflanzungen benötigt, teilte die Stadt 2018 in einer Einwohneranfrage mit. Und trotzdem sollen 392.000 € für das Fällen und Ersetzen größtenteils vitaler Bäume auf der Jasperallee verschwendet werden?“ fragt Baumschützerin Birgit Huvendiek entrüstet. Weiter empört sie sich: „Dazu kommen 44.000 große Waldbäume, die die Flughafengesellschaft aufgrund der Baumfällungen für die Verlängerung ihrer Landebahn ersetzen muss. Sie hat aber keine Mittel und braucht jährlich 4 – 5 Millionen € Zuschüsse vom Braunschweiger Steuerzahler. Die 600.000 Baumstecklinge, die sie auf Ausgleichsflächen pflanzen ließ, wurden offensichtlich nie gepflegt und sind alle eingegangen. Die Fläche sieht heute wie eine Trockensteppe aus. Wir brauchen aber nicht nur den Ersatz der vielen verlorenen Stadtbäume und Grünflächen, sondern auch viele wirklich neue Bäume und Büsche, um unsere Stadt lebenswert und gesund zu gestalten!“
Für eine Baumschutzsatzung
Für Baumschützer Edmund Schultz gehört eine Baumschutzsatzung zu den wichtigsten Zielen:
„Dabei geht es uns nicht darum, Eigenheimbesitzer/innen zu gängeln, wie CDU und FDP immer wieder gerne behaupten, sondern darum, dass die wirklich großen Vernichtungen von Stadtbäumen verhindert oder zumindest minimiert werden. Beispielsweise haben wir in der Weststadt nur mit viel Aufwand erreicht, dass die Deutsche Wohnen dort nicht bis zu 210 Bäume ersatzlos fällt, sondern dass jetzt nur noch 70 Bäume zur Disposition stehen. Mit einer Baumschutzsatzung wäre es gar nicht erst so weit gekommen. Auch die andere der beiden größten Wohnungsgesellschaften Deutschlands, die Vonovia, fällt Bäume und vernichtet Grün ersatzlos. Als börsennotierte Aktiengesellschaften müssen diese Unternehmen Kosten minimieren und ihren Profit maximieren. Bäume und Büsche, die zwar allen nützen, aber keinen Profit abwerfen, bleiben dann auf der Strecke. Hier kann nur eine verbindliche gesetzliche Regelung einen Riegel vorschieben. Im Straßenverkehr oder im Bauwesen ist so etwas ja auch selbstverständlich. Auch die Bahn hätte 2018 das kleine Wäldchen hinter dem Hauptbahnhof mit etwa hundert großen alten Bäumen nicht einfach so, ohne Rücksprache und ohne Not fällen können. Dieses Wäldchen hat die Atemluft für mindestens 500 Menschen erzeugt!“ „Eine Baumschutzsatzung wirkt allein schon dadurch, dass sie stadtweit bei allen Beteiligten zu einer größeren Wertschätzung von Bäumen und Stadtgrün führt. Fast alle Nachbarstädte haben eine Baumschutzsatzung – warum geht das nicht auch in Braunschweig?“ fragt Sabine Sambou.
Für konsequenten Klimaschutz
„Angesichts des Klimawandels ist ein umgehender Kohleausstieg dringend geboten“ meint Thomas Schmidt, „aber dass BS|Energy die Kohle durch Bäume, Grünschnitt und Sperrmüll ersetzen will, lehnen wir entschieden ab.“ Seine Argumente: „Es würde unweigerlich ein Mehrbedarf an lokalem Forstholz entstehen, der noch mehr Vernichtung von Bäumen und Wald bewirken würde. Totholz als Bestandteil gesunder Wälder ist aber wichtig für die Natur und Artenvielfalt. Müllverbrennung mit Quecksilberniederschlag mitten in die Stadt zu holen ist gesundheitsschädlich. Auch der umfangreiche Lkw-Verkehr zur Belieferung des Kraftwerkes wäre eine weitere Belastung für das Stadtklima. Schlußendlich würde dadurch eine wirklich nachhaltige Exit-Strategie sogar verhindert.“ Als mögliche Lösung schlägt er vor: „Kurzfristig kann das Kraftwerk aufwandsarm auf relativ sauberes Erdgas umgerüstet werden, mittelfristig kann Braunschweig die Abwärme des Stahlwerks in Salzgitter nutzen und langfristig werden die erneuerbaren Energien in Kombination mit guter Wärmeisolation, neuen Technologien sowie sparsamerem Umgang mit Ressourcen ausreichen, um unseren Bedarf an Strom und Wärme zu decken.“
"Wir brauchen jeden Baum"
Sabine Sambou denkt global: „Inzwischen lesen wir alle paar Wochen in UN-Klimaberichten von Wissenschaftlern, dass wir Menschen dabei sind, innerhalb von zwei bis fünf Generationen die Lebensbedingungen für alle Lebewesen auf unserer Erde komplett zu zerstören. Wir hätten nur noch ca. zehn Jahre Zeit, einen unumkehrbaren und tödlichen Klimakollaps zu verhindern! Vor diesem Hintergrund ist es kontraproduktiv, dass in Deutschland wie auch in Braunschweig weiter Verbrennungskraftwerke existieren, das Autofahren gefördert wird, Flächen versiegelt und alte Bäume gefällt werden! Bäume bauen CO2 ab und produzieren unsere Atemluft. Wir brauchen daher - jetzt - jeden Baum! Ganz besonders die wertvollen großen alten Bäume – aber auch viele neue!“
Edmund Schultz regt an: „Wie wäre es, als Konsequenz aus dem Vorgenannten aus der geplanten Bahnstadt einen Ökostadtteil für Fußgänger, Radfahrer und ÖPNV-Nutzern zu entwickeln, in dem Solarstrom fließt, alle Bäume stehen bleiben, kaum versiegelt wird und Autos nur in Ausnahmefällen kurz geduldet werden? Die Nähe zum Bahnhof würde eine solche Wohnumgebung gerade für Pendler sicher äußerst attraktiv machen! Dabei sollten einige der Bahnflächen für zukünftige umweltfreundliche Güterransporte auf der Schiene erhalten werden.“
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