Leipzig/Region. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass die deutschen Städte und Kommunen grundsätzlich berechtigt sind, Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zu verhängen, wenn die Grenzwerte für Stickoxide deutlich überschritten werden. Nun äußern sich die Abgeordneten aus unserer Region zu dem Urteil.
regionalHeute.de veröffentlicht die Stellungnahmen in der Reihenfolge ihres Eingangs.
Carsten Müller (CDU), Bundestagsabgeordneter aus Braunschweig
„Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist zu respektieren, wenngleich ich eine andere Entscheidung für geboten hielte. Fahrverbote und das Aussperren von Diesel-Pkw aus den Städten lehne ich grundsätzlich ab. Ein solcher Bann ist unsozial, schränkt die Mobilität ein und verursacht enorme finanzielle Schäden. Dieselfahrzeuge werden von vielen Bürgern, von Handwerksfirmen und Mittelständlern eingesetzt und können nicht einfach ausgetauscht werden – das sind oft sehr langfristige Investitionen. Zudem sehe ich bei der Umsetzung und Kontrolle von Fahrverboten große Herausforderungen: Hier werden bei Polizei und städtischen Ordnungsämtern personelle Ressourcen gebunden, die dann an anderer Stelle fehlen.
„Bessere Luft ohne Diskriminierungen und Verbote“
Es ist unstrittig, dass der Ausstoß von Stickoxiden weiter reduziert werden muss. Wir sind hier schon auf einem guten Weg: Nach Untersuchungen des Umweltbundesamtes war zwischen 1990 und 2015 eine erhebliche Reduktion der Emissionsbelastung durch Stickstoffdioxid um über 1,7 Millionen Tonnen bzw. rund 60 Prozent zu verzeichnen gewesen. Dieser Rückgang erfolgte in allen Bereichen, am deutlichsten jedoch im Verkehr mit einem Minus von einer Million Tonnen – trotz einer deutlich gesteigerten Verkehrsleistung. So sank auch am Hotspot Stuttgart-Neckartor die Anzahl der Stunden, in denen der erlaubte Ein-Stunden-Grenzwert für Stickstoffdioxid von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter überschritten wurde, von 853 im Jahr 2006 auf 35 im Jahr 2016 und auf lediglich drei in 2017.
Nachrüstung von Diesel-Bussen überlegenswert
Um die Emission weiter zu senken, ist ein kluger Ansatz ohne Verbote und Diskriminierungen notwendig. Der Abgasstandard EURO 6 in Kombination mit einem transparenten Real-Driving-Emissions-Verfahren (RDE) zwingt die Automobilindustrie dazu, Technologien für saubere, schadstoffarme Fahrzeuge zu entwickeln. Ergänzt durch Softwarenachrüstungen bei älteren Diesel-Fahrzeugen, intelligenter Verkehrssteuerung sowie einen attraktiven öffentlichen Personennahverkehr wird dies zu einer besseren Luftqualität führen. Die Nachrüstung von Diesel-Bussen halte ich für überlegenswert. Ein richtiger Schritt ist es auch, dass die Bundesregierung bereits heute emissionsarme Antriebe fördert – von Elektromobilität über Gasantriebe bis hin zur Brennstoffzelle.
Im neuen Koalitionsvertrag haben wir zudem vereinbart, dass wir gemeinsam mit Ländern und Kommunen die Anstrengungen für eine Verbesserung der Luftqualität insbesondere in besonders belasteten Innenstädten erheblich verstärken werden. Wir wollen die Kommunen dabei unterstützen, die Emissionsgrenzwerte im Rahmen ihrer Luftreinhaltepläne mit anderen Maßnahmen als mit pauschalen Fahrverboten einzuhalten. Darin sehe ich genau den richtigen Ansatz,“ erklärt der Braunschweiger CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Müller.
Falko Mohrs (SPD), Bundestagsabgeordneter aus Wolfsburg:
“Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ist heute zu dem Schluss gekommen, dass Kommunen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhängen können, wenn keine anderen angemessenen Mittel zur Luftreinhaltung zur Verfügung stehen, um die Grenzwerte einzuhalten. Unser Ziel bleibt es, dass Fahrverbote für Dieselfahrzeuge weiter vermieden werden. Fahrverbote müssen eine lokale Ausnahme bleiben. Wolfsburg, Helmstedt, Gifhorn oder Braunschweig sind davon aktuell ohnehin nicht betroffen.
"Nicht ganze Städte mit Fahrverboten belegen"
Wir unterstützen die Kommunen, um mit alternativen Maßnahmen saubere Luft und bezahlbare Mobilität gleichzeitig sicherzustellen. Dazu braucht es vor Ort neue Mobilitätskonzepte. Mit dem Sofortprogramm „Saubere Luft 2017-2020“ werden wir jährlich 1 Mrd. Euro aus dem Bund dafür zur Verfügung stellen. Technische Nachrüstung von Euro 5 und Euro 6 – Fahrzeugen können einen weiteren Beitrag leisten, sofern sie technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll sind. Denkbar sind auch höhere Kaufprämien für Neufahrzeuge, damit sich auch kleinere Handwerker oder Besitzer von älteren Dieselfahrzeugen einen Umstieg auf sauberere Fahrzeuge leisten können.
Wenn die Situation in den Kommunen eine bundesweite Regelung für differenzierte Durchfahrtsverbote oder Durchfahrtsbeschränkungen notwendig werden lässt, werden wir auf der Bundesebene handeln. Wichtig ist mir, dass wir nicht ganze Städte mit Fahrverboten belegen sondern schauen, ob es nicht ausreicht besonders betroffene Straßen vom Durchgangsverkehr zu befreien. Anlieger und dort arbeitende Unternehmen müssen weiterhin Zufahrt haben. Die neue Bundesregierung sollte Länder und Kommunen kurzfristig einladen, um weitere Maßnahmenpakete zu erörtern.”
Immacolata Glosemeyer (SPD), Landtagsabgeordnete aus Wolfsburg:
Die SPD-Landtagsabgeordnete Immacolata Glosemeyer erklärt dazu: „Als Abgeordnete und als Wolfsburgerin bin ich der Meinung, dass Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in deutschen Innenstädten ungeachtet des Urteils unbedingt vermieden werden müssen! Millionen von Bürgerinnen und Bürgern mit Diesel-Fahrzeugen dürfen wir jetzt nicht mit Fahrverboten bestrafen, weil diese umweltschädlicher sind als lange Zeit proklamiert. Insbesondere für kleine Unternehmen und Handwerksbetriebe wäre das existenzbedrohend.“
Die Stickoxidbelastung ist in einigen Städten in Niedersachsen nach wie vor zu hoch. „Dass wir dieses Problem so schnell wie möglich angehen müssen, steht völlig außer Frage. Ich bin jedoch dafür, dass alternativen Maßnahmen ausgeschöpft werden müssen, um die drohenden Diesel-Fahrverbote zu verhindern“, so Glosemeyer. Die SPD-Landtagsabgeordnete begrüßt den Vorstoß des niedersächsischen Umweltministers Olaf Lies, der konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Luftqualität in den Städten vorgelegt hat: „Mit der Stärkung des ÖPNV, einer intelligenten Verkehrssteuerung, neuen Logistikkonzepten und laufenden Software-Updates können Fahrverbote in Niedersachsen noch abgewendet werden.“
Hubertus Heil (SPD), Bundestagsabgeordneter aus Peine:
„Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ist heute zu dem Schluss gekommen, dass Kommunen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge verhängen können, wenn keine anderen angemessenen Mittel zur Luftreinhaltung zur Verfügung stehen, um die Grenzwerte einzuhalten. Unser Ziel bleibt es, dass Fahrverbote für Dieselfahrzeuge weiter vermieden werden. Fahrverbote müssen eine lokale Ausnahme bleiben. Wolfsburg, Helmstedt, Gifhorn oder Braunschweig sind davon aktuell ohnehin nicht betroffen.Wir unterstützen die Kommunen, um mit alternativen Maßnahmen saubere Luft und bezahlbare Mobilität gleichzeitig sicherzustellen. Dazu braucht es vor Ort neue Mobilitätskonzepte. Mit dem Sofortprogramm „Saubere Luft 2017-2020“ werden wir jährlich 1 Mrd. Euro aus dem Bund dafür zur Verfügung stellen."
Maßnahmenpaket muss erörtert werden
„Technische Nachrüstung von Euro 5 und Euro 6 – Fahrzeugen können einen weiteren Beitrag leisten, sofern sie technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll sind. Denkbar sind auch höhere Kaufprämien für Neufahrzeuge, damit sich auch kleinere Handwerker oder Besitzer von älteren Dieselfahrzeugen einen Umstieg auf sauberere Fahrzeuge leisten können. Wenn die Situation in den Kommunen eine bundesweite Regelung für differenzierte Durchfahrtsverbote oder Durchfahrtsbeschränkungen notwendig werden lässt, werden wir auf der Bundesebene handeln. Wichtig ist mir, dass wir nicht ganze Städte mit Fahrverboten belegen sondern schauen, ob es nicht ausreicht besonders betroffene Straßen vom Durchgangsverkehr zu befreien. Anlieger und dort arbeitende Unternehmen müssen weiterhin Zufahrt haben. Die neue Bundesregierung sollte Länder und Kommunen kurzfristig einladen, um weitere Maßnahmenpakete zu erörtern."
Marcus Bosse (SPD), Landtagsabgeordneter aus Wolfenbüttel:
Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Lantagsfraktion Marcus Bosse erklärt: „Die Stickoxidbelastung ist auch in einigen Städten in Niedersachsen nach wie vor zu hoch. Dass wir an dieser Situation so schnell wie möglich etwas ändern müssen, steht völlig außer Frage. Wir plädieren jedoch dafür, alle alternativen Maßnahmen und Möglichkeiten auszuschöpfen, um die drohenden Diesel-Fahrverbote zu verhindern – insbesondere vor dem Hintergrund, dass derartige Verbote in der Praxis vermutlich überhaupt nicht durchsetzbar oder kontrollierbar wären.“
Stefan Klein (SPD), Landtagsabgeordneter aus Salzgitter:
Der wirtschafts- und verkehrspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfaktion, Stefan Klein, erklärt dazu: „Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in deutschen Innenstädten müssen ungeachtet des heutigen Urteils unbedingt vermieden werden. Millionen von Bürgerinnen und Bürgern haben solche Fahrzeuge in dem berechtigten Glauben angeschafft, dass sie umweltfreundlicher seien als Benziner – diese Menschen dürfen wir jetzt nicht mit Fahrverboten bestrafen. Insbesondere für kleine und mittlere Handwerksbetriebe wäre dies existenzbedrohend.“
Die beiden SPD-Politiker, Bosse und Klein, begrüßen den Vorstoß des niedersächsischen Umweltministers Olaf Lies, der bereits konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Luftqualität in den Städten vorgelegt hat: „Wir unterstützen den Umweltminister in seinen Bemühungen um Alternativen zu Fahrverboten. Mit einem Maßnahmenmix aus einer Stärkung des ÖPNV, einer intelligenten Verkehrssteuerung und neuen Logistikkonzepten können wir Fahrverbote in Niedersachsen noch abwenden.“
Jörn Domeier (SPD), Landtagsabgeordneter aus Helmstedt:
„Ganz klar muss die Luftqualität verbessert werden, den Diesel, als technische deutsche Meisterleistung aber zu verteufeln, dies hilft nicht weiter. Kurzum: Fahrverbote für Dieselwagen ist die Enteignung von vielen älteren Fahrzeugen und von Millionen Menschen die mit gutem Gewissen, auch für den Umweltschutz, sich ein Dieselfahrzeug zugelegt haben. Von Fahrzeugen die im Handwerk, für Sozialdienste unterwegs sind und oftmals auch für Personen, die gerade deswegen einen Diesel gekauft haben, weil er eben weniger CO2 ausstößt und generell weniger Kraftstoff verbraucht. Mit der neuesten Euro-Norm 6d-Temp ist das Problem komplett gelöst, mit einem notwendigen Softwareupdate sind auch Euro 6 Fahrzeuge seit 2014 sehr gut. Diese Technik gilt es weiterzuentwickeln. Das geht aber nur, wenn wir aufhören diese Technik kaputt zu reden. Die Weiterentwicklung der Dieseltechnologie muss auch bei den Autobauern Priorität erhalten. Wir brauchen eine Bandbreite von Lösungen. Hybridfahrzeuge mit kombiniertem Elektro-Benzin-Antrieb haben ebenso eine Berechtigung wie Dieselhybrid. Diesel- und Elektroautos sind in einer Kombination eine gegenseitige wunderbare Ergänzung. Ich setze weiter auf den Diesel und ich werde auch zukünftig weiter einen Diesel fahren."
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