Wolfenbüttel. Wie berichtet, plant die Stadt ab 2019 eine Erhöhung des Hebessatzes der Grundsteuer. Derzeit beschäftigt sich aber das Bundesverfassungsgericht mit den seit 1964 unveränderten Einheitswerten der Steuer und hat bereits durchblicken lassen, dass es diese kritisch sieht. Macht es da Sinn, auf dieser unsicheren Basis eine Erhöhung zu beschließen? Wir veröffentlichen die Stellungnahmen in der Reihenfolge ihrer Rückmeldungen:
Diese Frage stellten wir sowohl der Verwaltung, als auch den Fraktionen im Rat der Stadt Wolfenbüttel.
Thorsten Raedlein, Pressesprecher der Stadt, ist sich sicher:
"Ja, das macht Sinn. Denn noch gilt ja die aktuelle Rechtslage und nur daran kann sich die Verwaltung orientieren. Allerdings ist auch nach einer Entscheidung des Gerichtes nicht damit zu rechnen, dass eine sofortige Umsetzung des Urteils gefordert wird. Üblich sind bei Entscheidungen dieser Art Übergangsfristen. Die Stadt setzt übrigens nur den Hebesatz fest, die Feststellung der Grundlage der Bemessung - in diesem Fall also die seit 1964 geltenden Einheitswerte - erfolgt durch die Länder. Da der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht hat, ist die Grundsteuer eine bundeseinheitliche Steuer. Der Bundesrat muss jedoch Änderungen am Gesetz zustimmen."
Anders sieht dies Klaus-Dieter Heid (AfD):
"Der Hebesatz der Grundsteuer B für die Stadt Wolfenbüttel wurde zum 1. Januar 2017 aufgrund der 2015 beschlossenen stufenweisen Erhöhung des Steuerhebesatzes von bisher 440 auf 460 Prozent angehoben. Nun entscheidet das Bundesverfassungsgericht (Stand 17.01.2018, 13:30 Uhr) über die Rechtskonformität mit dem Grundgesetz. Von dieser zu erwartenden Entscheidung muss natürlich auch eine weitere Diskussion zur Erhöhung der Grundsteuer abhängig gemacht werden.
Überdies ist die AfD-Fraktion im Rat der Stadt der Meinung, dass nur um finanzielle Defizite ausgleichen zu wollen, die Erhöhung der Grundsteuer völlig ungeeignet ist. Hier, so findet die Fraktion, gäbe es ausreichend andere Optionen, Gelder einzusparen. Am Beispiel der Stadt Bochum, wo eine 20 Millionen-Lücke geschlossen werden sollte, warnte der dortige Stadtkämmerer, dass es eine realitätsorientierte Kostenpauschale für die Flüchtlingsaufnahme- und Versorgung geben müsse, weil man ansonsten die Grundsteuer um eben 20 Millionen Euro anheben müsse… Offenbar gibt es also – und zwar nicht nur in Bochum – einen direkten Zusammenhang zwischen den Kosten für eine defizitäre Flüchtlingspolitik und einem gewaltigen Finanzloch in den kommunalen Haushalten!
Die Fraktion der AfD lehnt somit eine Erhöhung der Grundsteuer ab und verweist nochmals darauf, dass ohnehin mit einer Entscheidung gewartet werden müsse, bis das Bundesverfassungsgericht die Einheitswerte, die tatsächlich seit 1964 unverändert bestehen, als weiterhin rechtskonform einstuft. Und auch nach dieser Entscheidung wird es noch eine sehr lange Zeit brauchen, bis es zu einer umsetzbaren Neuordnung kommen kann, sofern das Gericht einen Widerspruch zum Grundgesetz erkennt. Den Bürgern die Wahrheit über alle aktuellen und noch anstehenden Kosten zur sogenannten Integrationspolitik auf den Tisch zu legen, wird so auch auf diesem Weg der versteckten Kostenverteilung zu Lasten der Steuerzahler konterkariert!"
Florian Röpke (Fraktion Linke/Piraten) äußert sich folgendermaßen:
"Zum jetzigen Zeitpunkt kennen wir die Ergebnisse des Bundesverfassungsgerichtes nicht. Man kann aber wohl davon ausgehen, dass es bei Änderungsforderungen zu Gesetzesänderungen aber auch zu dazugehörigen Übergangsfristen kommen wird. Es ist ja zum Beispiel auch so, dass das Bundesverfassungsgericht seit vielen Jahren mit dem Wahlrecht nicht einverstanden ist, auf die entsprechende Reform wartet man bis heute. Daher ergibt es für uns grundsätzlich schon Sinn, nach geltenden Recht Veränderungen vorzunehmen. Sollte es früher oder später zu Änderungen kommen, muss man diese ohnehin umsetzen.
Mit der geplanten Erhöhung um jeweils 10 Hebesatzpunkte 2019 und 2020 sind wir nicht glücklich, unsere Entscheidungsfindung ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Wir sehen natürlich neben der Ausgaben- auch die Einnahmenseite und eine Grundsteuer B, die selbst nach der geplanten Erhöhung noch immer im Rahmen bleiben würde. Bei der Grundsteuer B handelt es sich - neben der Gewerbesteuer - um eine Haupteinnahmequelle von Kommunen und in diesem Sinne dient sie eben auch unserem Wolfenbütteler Gemeinwohl. Man muss nur schauen, was inzwischen alles nicht mehr kostendeckend funktioniert und bezuschusst werden muss, nahezu der gesamte kulturelle Bereich, aber zum Beispiel auch ein Schwimmbad, dazu der große Bereich der Daseinsvorsorge und die so genannten freiwilligen Leistungen der Kommunen - in diesem Lichte erscheint eine Erhöhung - und wir reden nicht über Unsummen - nicht ungerechtfertigt."
Auch Winfried Pink (CDU) sieht keinen direkten Einfluss durch das Bundesverfassungsgericht:
"Die von der Verwaltung geplante und von der Kommunalpolitik noch zu entscheidende Veränderung hat nichts mit der Grundsätzlichkeit dieser Realsteuereinnahme zu tun. Wenn vom Bundesverfassungsgericht ein Systemfehler bei der bisherigen Steuer festgestellt wird, muss dieser korrigiert werden.
Die Grundsteuer ist eine wichtige Einnahmequelle der Gemeinden. Wenn die Hebesätze für die nächstenzwei Jahre beschlossen werden, müssten sie dann bei neuer Gesetzeslage auf diese Rechtssituation angepasst werden. Die mögliche Erhöhung für Wolfenbüttel, steht in Abhängigkeit zu den Ergebnissen der gesamten Haushaltsberatungen. Ob sie erhöht werden muss, hängt von den Beratungsergebnissen der vorberatenden Fachausschüsse ab."
Rudolf Ordon (FDP) sieht die Erhöhung der Grundsteuer generell kritisch:
"Die FDP lehnt die Erhöhung der Grundsteuer B ab. Sie sieht hierfür keine Notwendigkeit. Schon seit Jahren befürwortet die FDP eine sparsamere Haushaltsführung, doch große Koalitionen sowohl auf kommunaler Ebene wie auch auf Bundesebene kommen den Steuerzahler immer wieder teuer zu stehen. So ist die Pro-Kopf-Verschuldung der Wolfenbütteler Bürger in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.
Auch jetzt sind SPD und CDU mehr an teuren Luxusinvestitionen interessiert als an solider Haushaltspolitik. Deutlich wird das unter anderem an dem gemeinsamen Antrag, rund um den Stadtgraben eine Beleuchtung zu installieren, die von einer kleinen Läufergruppe gewünscht wird und mindestens 200.000Euro plus jährliche Folgekosten von 25.000 bis 30.000Euro mit sich bringen wird.
In Anbetracht der kritischen Äußerungen des BVG zur Grundsteuer sollte sich der Rat auf geringere Einnahmen einstellen, ehe er dazu gezwungen werden könnte."
Jürgen Selke-Witzel (Bündnis 90/Die Grünen) ist da anderer Ansicht:
„Die Grüne Ratsfraktion wird die von der Verwaltung vorgeschlagene Anhebung der Grundsteuer B in 2019 und 2020 um jeweils zehn Hebesatzpunkte mittragen. Sie erscheint uns notwendig, weil der ordentliche städtische Ergebnishaushalt weiterhin ein strukturelles Defizit in Millionenhöhe aufweist: 6,32 Millionen Euro in 2018 und fast fünf Millionen Euro in 2019. Dieses Defizit wird in den nächsten Jahren annähernd durch die Grundstücksverkäufe am Södeweg ausgeglichen. Deshalb erscheint die moderate Erhöhung der Grundsteuer B ein sinnvolles Signal an die Bürgerinnen und Bürger, dass die hervorragende kommunale Infrastruktur der Stadt Wolfenbüttel auch einen Preis hat: Zum Beispiel gut ausgestattete Kindertagesstätten und Schulen, ein neues Schwimmbad und kostenlos vorgehaltene Sporthallen, kulturelle Veranstaltungen und eine dienstleistungsorientierte Verwaltung mit freiwilligen Angeboten wie das Seniorenservicebüro. Das dafür notwendige Personal soll auch fair bezahlt werden. Dazu steht die Grüne Ratsfraktion und wird dies auch den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt Wolfenbüttel vermitteln können.
Auch die aktuellen Diskussionen zur Grundsteuer vor dem Bundesverfassungsgericht, die wir natürlich interessiert verfolgen, ändert nichts an der Haltung der Grünen Ratsfraktion. Denn es ist davon auszugehen, dass eine grundsätzliche Änderung bei den Grundsteuern erst nach einer Übergangsfrist von 5bis 10 Jahren greifen würde. Der 2016 gewählte Rat trägt aber bis 2021 die Verantwortung für einen möglichst ausgeglichenen Haushalt!"
Auch die SPD-Fraktion wurde angefragt. Sollte noch eine Stellungnahme eingehen, wird diese selbstverständlich nachgereicht.
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