Wernigerode. Rund drei Stunden umfasste die Sitzung der Lenkungsgruppe „Waldbrandbekämpfung Harz“, die in der vergangenen Woche nach zuletzt Corona bedingten digitalen Zusammenkünften, nun endlich wieder in Präsenz tagen konnte. Als Sitzungsort diente der Schulungsraum der Feuerwehrtechnischen Zentrale in Wernigerode. Dies teilte der Landkreis Goslar mit.
Goslars Kreisbrandmeister und Lenkungsgruppen-Mitinitiator Uwe Fricke leitete die Sitzung und blickte in diesem Zusammenhang auch auf die bisherigen Arbeitsergebnisse zurück, die sich unter anderem in der Beschaffung unterschiedlicher Einsatzmaterialien niederschlagen. Als Hausherr hatte Kai-Uwe Lohse, Kreisbrandmeister des Landkreises Harz und Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbandes Sachsen-Anhalt, großen Anteil am inhaltlichen Austausch der inzwischen sechsten Lenkungsgruppensitzung. Lohse ließ die Bekämpfung des Großbrandes am Brocken Revue passieren, der im September hunderte Feuerwehrleute auf Trab hielt und den erstmaligen Einsatz von Löschflugzeugen über dem Harz auslöste.
Hilfe aus dem All
Lohse machte dabei zusammen mit seinem Goslarer Amtskollegen wiederholt deutlich, dass der Großbrand auf Norddeutschlands höchstem Berg die Schwierigkeiten bei der Bekämpfung von Feuern offengelegt hat. Dabei wies Lohse jedoch nicht nur auf eine adäquate Ausstattung der Feuerwehren, sowie die Verfügbarkeit von Luftunterstützung hin, sondern er machte auch deutlich, dass die Früherkennung und somit Prävention von Bränden – beispielsweise durch Kameras und Sensoren – verbessert werden muss. Die Feuerwehr im Landkreis Harz will dabei künftig auf Bildmaterial von Satelliten aus dem All setzen. Die entsprechende Vergabe laufe bereits.
Wetterextreme zeigen Klimawandel
Mit Blick auf die Verbesserung der Waldbrandprävention passte auch der Vortrag von Professor Dr. Sándor Fekete von der Technischen Universität Braunschweig. Im Verbundprojekt EXDIMUM der TU Braunschweig untersucht der Informatikprofessor Wasser-Extremereignisse. Nach Aussagen des Professors zeigt sich der Klimawandel nicht nur am Anstieg der Durchschnittstemperatur, sondern auch an der Verstärkung der Wetterextreme. Selbst in den „gemäßigten Breiten“ Mitteleuropas nehmen sowohl Trockenheit, als auch Starkregenereignisse zu.
Im Harz werden diese Probleme laut Fekete besonders deutlich. Die Ausbreitung des Borkenkäfers und das damit verbundene Waldsterben seien beispielsweise Folge langanhaltender Dürre. Fekete kann das auch mit Zahlen und Bildern belegen. So ist beispielsweise die durchschnittliche Niederschlagsmenge in der Stadt Braunlage binnen der letzten Jahre massiv gesunken. Waren es im Zeitraum zwischen den Jahren 2000 bis 2009 im Jahresmittel noch 1.360 Millimeter Regen pro Quadratmeter, so hat sich diese Zahl zwischen 2010 bis 2019 auf 983 Millimeter reduziert. Und das ist auch sichtbar, wie der Professor exemplarisch mit einer Aufnahme der Okertalsperre aus dem Sommer 2022 illustrierte.
Und auch mit dem anderen Extrem – wie Starkregenereignissen – haben die Harzbewohner bereits umfangreiche Erfahrungen gesammelt. Der Braunschweiger Wissenschaftler rief in diesem Zusammenhang das Hochwasserereignis 2017 in Erinnerung, bei dem weite Teile des Goslarer Kreisgebietes überflutet wurden.
Simuliertes Extremwetter
Um mögliche Extremwetterlagen zu simulieren und daraus Schutz- und Handlungsempfehlungen abzuleiten, setzen Fekete und seine Kollegen in ihrem Forschungsprojekt Methoden der Informatik und Informationstechnik unter Nutzung unterschiedlicher Datenquellen ein; die Forscher kombinieren räumlich und zeitlich hochaufgelöste Luftbilder mit Referenzwerten von im Boden installierten Sensoren. So lassen sich digitale Abbilder der Realität schaffen, die es ermöglichen, nachzuvollziehen, wie schnell sich eine bestimmte Landschaft – beispielsweise eine Mulde - mit Wasser füllen dürfte. Aus den so gewonnen Erkenntnissen wollen die Wissenschaftler Prognosen und Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger wie Behörden, Netzbetreiber und Flussgebietsmanager ableiten und einen Beitrag zur Katastrophenprävention leisten.
Während die Lenkungsgruppe „Waldbrandbekämpfung im Harz“ sich vorwiegend auch mit Fragen des abwehrenden Brandschutzes auseinandersetzt, schlug Frank Michael Kruckow, Leiter des Fachbereichs Ordnung, Verkehr und Bevölkerungsschutz beim Landkreis Goslar, den Bogen schließlich zum geplanten Waldbrand-Expertenkreis, den Landrat Dr. Alexander Saipa und Niedersachsens inzwischen ehemaliger Umweltminister und heutiger Wirtschaftsminister Olaf Lies im Zuge des Brockenbrandes ins Gespräch brachten, um präventive Maßnahmen des vorbeugenden Brandschutzes zu planen.
Weitere Ergebnisse folgen
Aufgrund des Zuständigkeitswechsels im niedersächsischen Umweltministerium habe sich die Bildung dieser Expertengruppe bislang etwas verzögert. „Die Kontakte stehen jedoch“, so Kruckow, „und wir gehen aktuell von einem Auftakttreffen im Frühjahr 2023 aus.“ Der Sitzung in Wernigerode wohnte übrigens auch die Göttinger Forscherin Bettina Kietz bei, die Anfang 2020 vor katastrophalen Waldbränden im Harz warnte. Weitere Neuigkeiten aus den Arbeitsergebnissen der Lenkungsgruppe Waldbrand Harz sollen bereits kommenden Monat der Öffentlichkeit präsentiert werden, dann ist ein Termin mit Landrat Dr. Alexander Saipa zur Vorstellung neuer Fahrzeuge geplant. Details sollen zeitnah bekannt gegeben werden.
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