"Negative Rahmenbedingungen" für medizinische Hochschule

von Alec Pein


Bürger für Vienenburg, Bürgerliste Goslar, Grüne und Linke verweisen zwar auf bereits gescheiterte, ähnliche Vorhaben, begrüßen den CDU-Antrag aber offenbar als Diskussionsgrundlage. Symbolfoto: Max Förster
Bürger für Vienenburg, Bürgerliste Goslar, Grüne und Linke verweisen zwar auf bereits gescheiterte, ähnliche Vorhaben, begrüßen den CDU-Antrag aber offenbar als Diskussionsgrundlage. Symbolfoto: Max Förster | Foto: Max Förster



Goslar. Die CDU-Ratsfraktion reichte kürzlich einen Antrag mit der Forderung ein, die Stadt möge Gespräche mit dem Ziel der Gründung einer "GmbH Medizinischen Hochschule Harz" initiieren (regionalHeute.de berichtete). Eine Nachfrage von regionalHeute.de bei den anderen Ratsfraktionen ergab zwar eine überwiegend positive Meinung zu der Idee, eine medizinische Hochschule in Goslar anzusiedeln. Bezweifelt wird aber, dass die nötigen Protagonisten aus Stadt, Landkreis, Asklepios Harzkliniken und der privaten Nervenklinik Dr. Fontheim, erfolgreich an einem Tisch zusammen gebracht werden können. Außerdem wird ein tragfähiges Konzept und der Fokus auf die Stärkung der ärztlichen Versorgung auf dem Land, bisher vermisst.

Die CDU begründet ihren Antrag mit mangelndem ärztlichem Nachwuchs in der Region und der Möglichkeit mit der Vergabe von Stipendien an einer in Goslar angesiedelten Hochschule in privater Trägerschaft, künftig mehr junge Ärzte an die Region binden zu können.

Die Ratsfraktionen Bündnis90/Die Grünen, Bürgerliste Goslar, Die Linken und Bürger für Vienenburg (SPD und FDP reagierten bisher nicht) bewerten die Idee grundsätzlich positiv, allerdings nicht frei von kritischen Untertönen. In der jüngsten Vergangenheit habe es, erinnert Rüdiger Wohltmann (Die Linke), mehrere Versuche eine Fachhochschule beziehungsweise Hochschule in Goslar einzurichten gegeben, die leider alle gescheitert seien. Auf diese verweist auch Henning Wehrmann (Bürgerliste Goslar): Sie hätten jede dieser Initiativen (Fachhochschulpläne der Ostfalia und der FH Iserlohn, sowie der türkischen Uni Izmir) immer - unabhängig vom Antragsteller - unterstützt, allerdings hätten diese sich schon aus finanziellen Gründen sowie strenger Akkreditierungsverfahren eben nicht durchsetzen können.

Landkreis als Gesundheitsregion



"Der Antrag der CDU-Ratsfraktion ist insoweit interessant und zu unterstützen als die Nachfrage nach derartigen Studienplätzen nachweislich vorhanden ist und der Landkreis Goslar sich laut seinem Zukunftsprogramm als Gesundheitsregion ausrichten will.", erklärt Wehrmann. Weil die Asklepios Harz Kliniken kein akademisches Lehrkrankenhaus mehr seien und der Wissenschaftsrat des Landes Niedersachsen neuen Hochschulplänen nur zustimmen werde, wenn neben der Lehre auch Forschung angeboten werde, sieht die Bürgerliste das Vorhaben aber inmitten negativer Rahmenbedingungen. Auch Kooperationen mit anderen Institutionen in nächster Nähe seien wegen der Ausrichtung der TU Clausthal oder des Energieforschungszentrums eher unwahrscheinlich. Trotzdem befürworte man vorerst die Überweisung der Vorlage an die Fachausschüsse, so Wehrmann.

"Die Abdeckung des notwendigen Forschungsbereichs einer Medizinischen Hochschule durch Kooperation mit TU Clausthal und EFZN, wie soll das möglich sein? Gibt es fachlich überhaupt Schnittpunkte?", fragen sich auch die Grünen, die ebenso die tatsächliche Erfolgschancen eines Akkreditierungsverfahren durch das Land und die langfristige Kooperation mit den Asklepios Kliniken in Frage stellen. Grundsätzlich soll aus Sicht der Grünen-Ratsfraktion, trotz positiver Bewertung, sofern es sich nicht um eine der "üblichen Wahlkampfblasen" handele, vorerst kein Geld in die Hand genommen werden, bis ein tragfähiges Konzept stehe. Bisher sei der Antrag "nichts weiter als eine Idee".

Rüdiger Wohltmann (Die Linke) regt an, vor der Einrichtung einer Projektgruppe, wie es von der CDU gefordert wird, eine tiefergehende Information stattfinden zu lassen. So sollte zuerst ein Referent der in Brandenburg ansässigen und von der CDU als Modellbeispiel genannten Hochschule eingeladen werden.

Ärztemangel auf dem Land



Bei den Linken habe sich, nach wiederholten Anfragen, in den letzten Jahren ergeben, dass in naher Zukunft besonders im ländlichen Raum eine ärztliche Unterversorgung entstehe. Deshalb wäre eine medizinische Hochschule sicher ein Baustein einem Ärztemangel allgemein entgegenzuwirken, auch wenn sich die Frage stelle warum es sich dabei um eine "private Hochschule" handeln müsse. Eine Hochschule allein werde, so Wohltmann, jedoch nicht ausreichen: Besonders der Landesgesetzgeber sei gefordert, denn für die freien Ärztestellen im öffentlichen Dienst, die bereits jetzt nicht besetzt werden könnten, sei eine höhere Dotierung erforderlich.

Detlef Vollheyde (Bürger für Vienenburg), der sich mit dem Immenröder Arzt Dr. Wolfgang Baur für die Stellungnahme verständigte, erklärt ebenfalls, dass besonders der Landkreis an "richtigen Landärzten verarmt". Im Stadtgebiet gebe es dagegen eine gewisse Ärztekonzentration. "Die Einrichtung einer privaten Hochschule könne dafür sorgen, dass grundsätzlich mehr Mediziner ausgebildet werden, aber ob sich diese dann auf dem Lande niederlassen, beziehungsweise von Kassenärztlichen Vereinigung auch zugelassen werden, erscheint fraglich.", so Vollheyde. Es müsste also zusätzlich in Richtung der Ansiedelung von Arztpraxen im ländlichen Raum motiviert werden, da eine städtische Facharztpraxis bisher lukrativer sei.

Außerdem weist Vollheyde darauf hin, dass das vorgezeigte Brandenburger Modell eher "Kindern begüterter Eltern" eine Chance auf Teilnahme ermögliche. Ein solches Modell sollte nicht in Betracht kommen, vielmehr müsse die Chancengleichheit in der Ausbildung immer Vorrang haben und das Thema müsste ohnehin vom and erarbeitet werden: "Die Stadt Goslar kann ja selbst nicht in einen Gründungsprozess eingreifen, sondern wenn überhaupt nur mögliche Entscheider zueinander bringen. Wir müssen den Zukunftsvertrag erfüllen. Gerade jetzt in Vorwahlzeiten sprudeln geradezu die Investitionswünsche der großen Parteien, wohlwissend, dass sie sich eigentlich nicht durchsetzen lassen. Wir hoffen, dass dies nicht unter Umständen auch das Kalkül der Antragsteller war.", so Vollheyde abschließend.




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