Goslar. Der Bauausschuss der Stadt Goslar hat den Bebauungsplan für das Neubaugebiet Fliegerhorst Nord mit einer Gegenstimme von den Grünen unverändert beschlossen. Nach etwa zweistündiger Beratung kann Investor Folkert Bruns nun Wohnquartiere auf dem Gelände entwickeln. Der Rat wird am 26. Januar den endgültigen Beschluss fassen. Bürgerliste und Grüne haben bereits ihre Ablehnung angekündigt. Die gestellten Änderungsanträge sollen für die nächste Sitzung im März aufbereitet werden und als Verwaltungsvorlage mit allgemeinen Verbesserungen der Begrünung und Verkehrsinfrastruktur auf dem Areal erneut diskutiert werden.
Bereits vor drei Tagen waren die Besucherplätze in der heutigen Sitzung ausgebucht. Ungewöhnlich voll wurde daher das GoTEC-Tagungszentrum am Energiecampus. Mit dabei waren neben dem Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk auch der Investor Folkert Bruns, der sich im Verlauf der Sitzung bereit für die Anlage weiterer Grünanlagen auf seinen Flächen zeigte. Unter anderem durch die kurzfristige Berichterstattung von regionalHeute.de zum vermuteten Standort der "Russenkaserne" auf dem Fliegerhorst gelang Dr. Friedhart Knolle, nicht stimmberechtigtes Ausschussmitglied für die Umweltverbände, eine Intervention zugunsten einer Namensänderung der Straße auf diesem Gebiet. Der Name "Girlitzweg" wurde damit aus der Abstimmung genommen. "Die Möglichkeit des Gedenkens an diesem Ort sollte sinnvoll machbar sein. Das muss ja auch nicht innerhalb von Minuten beschlossen werden", so Knolle bei der Abstimmung der Straßennamen. Sein Einwand fand breite Zustimmung.
"Wollen wir das nun oder wollen wir es nicht?"
Obgleich der Bebauungsplan im Bauausschuss nur mit Gegenstimme des Grünen Holger Plaschke (Die Bürgerliste ist Mitglied im Ausschuss, aber nicht stimmberechtigt) mit großer Mehrheit beschlossen wurde, wirkten weder Gäste, noch Mandatsträger nach der Marathonsitzung wirklich zufrieden. Eine knappe Stunde dauerte es allein, bis die ersten Anträge zu dem Thema überhaupt besprochen wurde. Der Oberbürgermeister spricht angesichts der zahlreichen Änderungsanträge ein Machtwort: "Ich finde diese Taktik interessant. Es geht um den Bebauungsplan - und um den für sich politisch zu rechtfertigen, muss man jetzt irgendwas anders machen. Wir haben da jetzt ein Jahr dran gearbeitet. Wollen wir das nun oder wollen wir es nicht? Das sollte man im Bauausschuss klar besprechen!" Allein die CDU brachte zum Sitzungstag noch drei Anträge ein, die zum Teil noch nicht einmal allen vorlagen.
Wie viel Bebauungsplan steckt im Änderungsantrag?
Unklar sei der Verwaltung jedoch bei den meisten Änderungsanträgen gewesen, ob diese sich auch auf den Bebauungsplan auswirken. Letztlich wurden alle Änderungsanträge gesammelt in den kommenden Bauausschuss am 11. März überstellt. Die Verwaltung soll sie zusammenfassen und somit umfassendes Verbesserungspotenzial am Fliegerhorst gesammelt zur Abstimmung stellen. Das betrifft beispielsweise größere Grünstreifen und bessere Wegeverbindungen zum Grauhöfer Holz und dem angrenzenden Jürgenohl, wie die FDP forderte oder Radwegeinfrastruktur und Tempo 30 Zonen, die aus dem Änderungsantrag der SPD hervorgingen. Der Antrag der Grünen, die von Investor Bruns mutmaßlich rechtswidrig bereits im Vorfeld abgeholzte Fläche wieder aufzuforsten, fiel jedoch bereits am heutigen Donnerstag krachend durch.
Kein Beschluss - zu viele Fragen offen
Der FDP-Änderungsantrag für mehrere Grünstreifen auf dem Areal des Fliegerhorstes zur Erholung und Steigerung der Aufenthaltsqualität, sowie bessere Wegebeziehungen mit Jürgenohl und dem angrenzenden Wald wurde im Ausschuss ebenfalls diskutiert. Dieser war vor der Sitzung aufgrund von bekannt gewordenen Problemen mit der Umsetzbarkeit aufgrund der Zugriffe auf bereits verkaufte Privatgrundstücke noch einmal geändert worden. Helmut Borrmann, Fachdienstleiter des Bereichs Stadtplanung, zeigte sich offen: "Wir hatten sehr früh im Bebauungsplan in allen Gesprächen mit Investoren klargemacht, dass wir Wege wollen. Wir finden das gut, das mit den Grünstreifen noch einmal anzureichern." Über den Köpfen der Ausschussmitglieder zeigen sich dennoch Fragezeichen - Wie ist die Lage vor Ort? Wie würden diese Grünstreifen aussehen? Ist das Bebauungsplanrelevant? Investor Folkert Bruns schaltet sich ein: "Links vom Görgweg sind viele Bäume wegen Sturmschäden nicht mehr vorhanden, da könnte man wunderbar aufforsten. Auch hinter den Grundstücken gibt es Sturmschäden." Der Investor nennt weitere Bereiche, in denen sich grüne Oasen anlegen ließen.
Investor stimmt weiterer Aufforstung zu
Oberbürgermeister Junk kommt zur Sache: "Wenn ich das richtig verstanden habe, dürften wir solche Grünflächen also in den Erschließungsvertrag reinschreiben und sie machen das dann auf ihre Kosten? Der städtische Haushalt ist wegen Corona etwas schwierig." Bruns stimmt zu. Fragen bestehen immer noch wegen der Eigentumsverhältnisse.
Von links nach rechts: Claus-Eberhard Roschanski, Ratsherr der CDU, Ralf-Peter Jordan, Ratsherr der CDU und Dr. Frank Schober, ebenfalls Ratsherr der CDU. Foto: Marvin König
Ausschussmitglied Dr. Frank Schober (CDU) spricht gar davon, den Antrag zu beerdigen: "Das ist Kuddelmuddel, was hier auf dem Tisch liegt. Echter Kuddelmuddel." Die Diskussion geht weiter. Ausschussvorsitzender Manfred Dieber will den Vorgang erstmal an die Verwaltung geben. Schober: "Ja was geben wir denn an die Verwaltung. Dieser Antrag ist Mumpitz in Bezug auf das, was wir beschließen sollen." Am Ende können sich die Ausschussmitglieder darauf einigen, die Änderungsanträge zu bündeln und am 11. März in einer neuen Vorlage zusammengefasst im nächsten Bauausschuss zu behandeln.
Bevölkerungserfolg und gemischte Gefühle
Am Ende steht der Bebauungsplan mit den Gegenstimmen der Grünen. In der anschließenden Einwohnerfragestunde äußern Bürger weitere Kritik: "Wieso musste man die Grundstücke bis auf den letzten Quadratmeter ausquetschen?", fragt Bürger Andreas Caputo. Es geht bei dem neuen Quartier nicht nur um "Peanuts": Nach Angaben des Investors Dirk Felsmann, welcher auf dem Fliegerhorst mit seinem Partner ebenfalls Wohnquartiere entwickelt, finden dort zukünftig 1.000 Bewohner ein Zuhause. 500 neue Arbeitsplätze entstehen. In 80 Prozent der Haushalte sei darüber hinaus mindestens ein Mitglied vorher nicht in Goslar wohnhaft gewesen. Was für viele jedoch offenbar bleibt ist ein "scheiss Bebauungsplan", wie man es nach dem Ausschuss aus dem Gästebereich raunen hört. Zu schmale Straßen, zu kleine Grundstücke, zu wenig öffentliches Grün, Brandschutzbedenken bei nur 20 Metern Abstand zum Wald, nur ein kleiner Spielplatz. Ignorierte Bedenken und Unzufriedenheit auf nahezu allen Seiten.
Günther Pieksa, Autor und Mitglied im Arbeitskreis Fliegerhorst, macht seinem Unmut Luft: "Ich finde es eine Frechheit von Herrn Borrmann zu sagen, wir kamen erst in den letzten Tagen damit an. Der Arbeitskreis Fliegerhorst fordert seit Jahren Grünstreifen." Borrmann kann nicht direkt beantworten, wie viel öffentliche Grünfläche sich auf dem Fliegerhorst befinden wird. "Es gibt auch keine Norm dafür. Aber wir haben wohl sehr viel weniger Versiegelung als in einem Gewerbegebiet." Martin Mahnkopf (SPD) spricht von einem geglückten Kompromiss. "Kompromiss" ist jedoch auch das Wort, was wohl am häufigsten in dieser Sitzung gefallen ist.
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