Kreistagsmandatsträger lehnen Streaming mehrheitlich ab

von Eva Sorembik


Nicht notwendig, hohe Kosten und Missbrauchsgefahr seien die Gründe, weshalb gegen das Streamen der Kreistagssitzung gestimmt wurde. Symbolbild. : Robert Braumann
Nicht notwendig, hohe Kosten und Missbrauchsgefahr seien die Gründe, weshalb gegen das Streamen der Kreistagssitzung gestimmt wurde. Symbolbild. : Robert Braumann | Foto: Robert Braumann

Helmstedt. In seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause beschäftigte sich der Kreistag mit der Frage, ob Kreistagssitzungen künftig per Live-Stream im Internet übertragen werden sollen. Die Mehrheit der Mandatsträger sprach sich bei der Abstimmung gegen ein Live-Streaming aus und folgte damit dem Vorschlag der Verwaltung.


Die Verwaltung hatte ihre Empfehlung gegen ein Live-Streaming der Kreistagssitzungen in erster Linie damit begründet, dass die Kosten bei der aktuellen Haushaltslage zu hoch seien.

regionalHeute.de fragte bei den Vorsitzender der Kreistagsfraktionen sowie den Einzelabgeordneten nach, was sie zu ihrer Abstimmung für oder gegen das Live-Steaming der Kreistagssitzungen im Internet bewegt hatte.

SPD argumentiert: "Kein einziger Landkreis streamt"


Die SPD-Kreistagsfraktion ist der der Beschlussempfehlung der Verwaltung gefolgt. Auf die Frage, welche Argumente zu diesem Abstimmungsverhalten geführt hätten, antwortete Fraktionsvorsitzender Hans Wehking:
"Die von entsprechenden Informationen begleitete Übertragung von Ratssitzungen kann im urbanen Umfeld (Städten und Gemeinden) durchaus sinnvoll sein. Das Aufgabenspektrum eines Landkreises unterscheidet sich aber davon. Daher gibt es (nach entsprechenden Recherchen des Niedersächsischen Landkreistages) in Niedersachsen nicht einen einzigen Landkreis, der derzeit seine Sitzungen im Internet streamt." Die Kostenfrage in diesem Zusammenhang stelle sich für die SPD-Kreistagsfraktion aktuell nicht, würde aber bei entsprechendem Nutzen (zum Beispiel als integraler Bestandteil einer umfassenden e-Government-Lösung) eher eine untergeordnete Rolle spielen, so Wehking weiter.

Grüne betrachten Pro und Kontra


Dietrich Hansmann, Vorsitzender der Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Kreistagsfraktion, teilte auf Nachfrage von regionalHeute.de mit, dass seine Fraktion uneinheitlich abgestimmt hätte, und zwar mit zwei Stimmen für Streaming und einer dagegen. Als Argument für die Übertragung nennt Hansmann die Öffnung der Sitzungen für interessierte Bürger, die aus vielerlei Gründen nicht persönlich vor Ort an den Sitzungen teilnehmen könnten. Die Kontra-Argumentente seien die Kosten und die Missbrauchsgefahr.

FDP/UWG/Ziel-Gruppe stimmte "Ohne Wenn und Aber" für Streaming


Ohne "Wenn-und-Aber", wie Fraktionsvorsitzender Lars Alt betont, habe sowohl die FDP-Fraktion als auch die FDP/UWG/Ziel-Gruppe geschlossen für die Einführung und Archivierung eines Livestreams der Kreistagssitzungen gestimmt. Nach dem Beweggründen für die Abstimmung seiner Fraktion gefragt, führt Jung aus: "Ich frage mich immer noch: Wovor haben die anderen Politiker im Landkreis Helmstedt eigentlich Angst? Ein Livestream der Kreistagssitzungen würde die Transparenz von Entscheidungen erhöhen und gleichzeitig die Distanz zwischen Bürger, Verwaltung und Politik verringern. Ich gebe mich nicht damit zufrieden, dass die bisherigen Sitzungsformate nur eine Handvoll Bürger erreichen. Wir wollten, so wie die Stadt Wolfsburg, den Livestream über Facebook einrichten. Damit wären vierstellige Nutzerzahlen möglich und Politik wäre – auch im Nachhinein – aus dem Wohnzimmer ständig abrufbar. Zudem wären vor allem junge Menschen mit einem Livestream nicht mehr an die zumeist ungünstig terminierten Sitzungszeiten gebunden."

Das Kostenargument der Livestream-Gegner sei komplett aus der Luft gegriffen, so Jung weiter. CDU und SPD hätten seiner Meinung nach schlichtweg Angst vor Transparenz gehabt. Aber auch die Verwaltungsvorlage sei technisch leider nicht auf der Höhe der Zeit gewesen, kritisiert der FDP-Politiker. "Der Kreistag tagt im Landkreis Helmstedt vier bis fünf Mal pro Jahr. Die Umsetzung eines Livestreams der Kreistagssitzungen, zum Beispiel über die Facebook-Live-Videofunktion, wäre mit sehr geringerem finanziellen und technischen Aufwand möglich gewesen. Konkret hätte die Umsetzung jährlich lediglich einen kleinen vierstelligen Betrag gekostet. In Zeiten, in denen Populismus und Politikverdrossenheit immer mehr Platz greifen, wäre dies eine sinnvolle Zukunftsinvestition gewesen. Die Öffentlichkeit einer Kreistagssitzung endet im 21. Jahrhundert nicht mehr an der Tür des Sitzungssaals."

AfD bezeichnet die Kosten für Steaming als 'Peanuts'


Ebenfalls für die Einführung des Streamings hatte die AfD-Fraktion gestimmt. Als Beweggründe für die Abstimmung führt Fraktionsvorsitzender Jozef Rakicky auf Nachfrage von regionalHeute.de aus:"Da die Berichterstattung über die Sitzung bislang lediglich von den zufällig anwesenden Vertretern der Printmedien oder durch die Presseabteilung des Landrates erfolgt, wäre Livestream das geeignete Medium, den interessierten Bürgerinnen und Bürgen die virtuelle Teilnahme an den Kreistagssitzungen zu ermöglichen. Aus Sorge, dass der Livestream ein unverfälschtes Bild der Sitzung wiedergeben würde, haben die großen etablierten Parteien dafür gesorgt, dass Transparenz und politische Teilhabe für die Bürgerinnen und Bürger unterbleibt.".

Zu der Frage, welche Rolle die Kosten bei der Entscheidung gespielt hätten, sagtRakicky:"Wenn man sich vorstellt, welche Kosten zur Selbstdarstellung einzelner Entscheidungsträger der Landkreisverwaltung, zum Beispieldes Landrats, vor allem aber seines Ersten Kreisrats Schlichting, vom Landkreis jährlich aufgewendet werden, wären einmalige Anschaffungskosten für das Livestream-Equipment wirklich nur 'Peanuts'. Es waren ja nicht so sehr finanzielle Überlegungen, sondern irrationale, die die Einführung verhinderten."

Roswitha Engelke (Linke) verweist auf Transparenz


Die Linken-Abgeordnete Roswitha Engelke, die ebenfalls für die Einführung des Live-Stramings gestimmt hatte, verweist bezüglich der Kostenfrage darauf, "dass youtube und auch andere Anbieter einen Livestream kostenlos anbieten. Sich dahingehend zu informieren, dürfte der Verwaltung nicht schwer fallen und, wenn die Verwaltung des Landkreises über eine EDV-Abteilung verfügt, sollten sich zusätzliche Personalkosten für beide Einrichtungen (Livestream und Ratsinformationssystem) erübrigen". Weiter führt sie aus: "Öffentlichkeit der Sitzungen bringt Transparenz in die Arbeit der Verwaltung und der Mandatsträger. Transparenz schafft Bürgernähe und ist aus der modernen Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung nicht mehr wegzudenken. Öffentlichkeit sollte nicht an einer Kostenfrage scheitern."

Für Dorothea Dannehl (CDU) verzerrt Streaming die politische Realität


Die Fraktion der CDU hat bei der Kreistagssitzung unterschiedlich abgestimmt, wobei sich die Mehrheit gegen die Einführung eines Live-Streamings ausgesprochen haben. Laut Dorothea Dannehl, Fraktionsvorsitzender der CDU, habe das hauptsächlich zwei Gründe gehabt. Zum einen wäre das Recht auf das eigene Bild eines der höchsten Güter und sie möchte die Kontrolle darüber haben, welche Darstellungen im Internet vorhanden sind. Der wesentlich wichtigere Grund sei für sie und mehrere ihrer Fraktionskollegen ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit, dass so dargestellt werden würde. Egal wie groß eine Fraktion sei, es wären immer die gleichen Personen zu sehen. "Wenn es um einen einen ehrlichen Umgang mit Informationen gingen, dann doch bitte die Ausschüsse streamen", fasst Dannehl zusammen. "Die Kreistagssitzung ist nur Schattenboxen."


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