KolumneHeute: Würden Sie für 143 Euro Ihre Heimat verlassen?

von Sina Rühland


| Foto: Sina Rühland



Braunschweig. Mit seinem neuesten Vorschlag sorgt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) für Diskussionen. Nachdem ihm von seinen europäischen Kollegen zu Ohren kam, dass die Standards für Flüchtlinge zu hoch seien, schlug er vor dem Hintergrund der Balkanflüchtlinge eine Debatte um die Reduzierung des „Taschengeldes“ vor, stattdessen könne man Sachleistungen erbringen. 

"Herr de Maizière, würden Sie für 143 Euro Ihr Haus verkaufen, Ihre Familie und Freunde zurücklassen und in ein fremdes Land flüchten?", diese Frage würde ich unserem Herrn Innenminister ebenso gerne stellen wie dem Rest der Bundesregierung. Der Spiegel-Journalist Sascha Lobo nannte die Damen und Herren in Berlin kürzlich "Problemregierung". Problematisch seien unsere Regierenden deshalb, weil sie einfach keine Antworten auf die großen Themen unserer Zeit fänden. Sie steckten noch immer in einer Zeit, in der gesellschaftliche und politische Illusionen des 20. Jahrhunderts wegbröckelten oder gar zerschellten. Die Illusion de Maizières: Wenn Geldleistungen für Asylsuchende noch in den Erstaufnahmestellen gekürzt würden, dann kämen sie gar nicht erst nach Deutschland. Dabei steht die Höhe der Leistungen schon seit langem in der Kritik, denn der Satz für Geflüchtete liegt noch unter dem Hartz 4-Regelsatz. Wenn ein Mensch also in eine Aufnahmeinrichtung nach Deutschland kommt, dann erhält er anfänglich knapp fünf Euro am Tag, ansonsten Sachleistungen. Etwas mehr Bargeld gibt es dann, wenn er das erste Lager verlässt. Diese Leistungen würden, so de Maizière, Menschen aus den West-Balkan-Ländern nach Deutschland locken, obwohl sie kaum Chancen auf Asyl hätten. Das scheint mir doch sehr kurz gedacht. Nicht nur, dass diese Aussage äußerst unreflektiert herüber kommt, sie tut dem Verhältnis zwischen Mensch und Mensch nicht sonderlich gut. Kritiker warfen de Maizière vor, in Bezug auf die Flüchtlings- und Islamfeindlichkeit, Öl ins Feuer zu gießen. Der Vorschlag würde die Neid-Debatte befeuern und sei in dieser Äußerung "brandgefährlich".

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Die Autorin: RegionalHeute.de-Redakteurin Sina Rühland. Foto:



Sonderlich sensibel und diplomatisch ist de Maizières Idee der Symptombekämpfung sicherlich nicht. Aber ich traue meinen Mitmenschen durchaus zu, diesen ungelenken Lösungsversuch für die hohen Flüchtlingszahlen als obsolete Maßnahme eines in den 50er Jahren geborenen CDU-Politikers zu betrachten. Wer aufgrund dieser Aussage dennoch der Meinung ist, er könne seine politische Meinung nur bei rechten Parteien wiederfinden, dem sollte eines gesagt sein: Nur, weil mein Nachbar mehr Geld hat, bedeutet das nicht, dass ich weniger habe! Oder würden Sie nur wegen 143 Euro im Geldbeutel Ihre Heimat verlassen?


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