Kriegsgewinnler höher besteuern? Das sagen unsere Abgeordneten

Seit Beginn des Ukrainekrieges schnellen die Energiepreise in die Höhe. Ein Tankrabatt sollte Abhilfe schaffen. Doch nun steigen die Preise wieder - wird es Zeit für eine neue Steuer?

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Symbolbild.
Symbolbild. | Foto: Rudolf Karliczek

Region. Seitdem der Tankrabatt durch die Bundesregierung eingeführt wurde, sind die Preise an der Tanke nur kurzzeitig gesunken. Mittlerweile ziehen sie wieder kräftig an - und mit ihnen auch die Gewinne der Ölkonzerne. Als Reaktion darauf haben SPD, Grüne und Linke eine Übergewinnsteuer ins Spiel gebracht, um die zusätzlichen Gewinne abzuschöpfen. Wir haben die Bundestagsabgeordneten der Region nach ihrer Meinung zu dem Vorschlag gefragt. Wir veröffentlichen ihre Statements ungekürzt und unkommentiert. Sie werden in der Reihenfolge ihres Eintreffens geordnet.


Frank Bsirske (Grüne), Helmstedt-Wolfsburg


Der Bundestagsabgeordnete Frank Bsirske (Grüne)
Der Bundestagsabgeordnete Frank Bsirske (Grüne) Foto: Thomas Stödter



"In Zeiten, in denen die Energie- und Lebenshaltungskosten explodieren, die notwendigen sozialen Entlastungspakete Milliardenkosten verursachen und sich das Lohn-Preisgefüge neu ordnet, macht die Einführung einer Übergewinnsteuer Sinn. Italien und Ungarn demonstrieren uns, dass das möglich ist. Außerdem gibt es historische Vorbilder, wie die USA, Großbritannien und Frankreich, die eine solche Steuer genutzt haben. In diesen schwierigen Zeiten darf es keinen Welpenschutz für die Krisenprofite einzelner Branchen geben. Die Politik hat die Pflicht, die Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen und für einen sozialen Ausgleich zu sorgen. Die Bedenken von Finanzminister Christian Lindner und der CDU teile ich nicht. Denn im Energiesektor gibt es nur wenige Unternehmen, die den Markt beherrschen. Von einem funktionierenden Wettbewerb kann nicht die Rede sein. Auch geht es nicht wie im Pharmasektor darum, Anreize für Innovationen zu schaffen."

Dr. Christos Pantazis (SPD), Braunschweig


Dr. Christos Pantazis (SPD)
Dr. Christos Pantazis (SPD) Foto: Thomas Stödter


"Die Mineralölkonzerne Shell, BP oder ExxonMobile haben in diesem Jahr horrende Gewinne eingefahren. In der aktuellen Lage müssen wir uns als Sozialdemokraten die Frage stellen, wie mit diesen Profiteuren der Krise umzugehen ist. In dieser Zeit, wo allein die Sorge vor einer Öl- und Gasverknappung die Preise nach oben treibt und für viele Menschen enorme finanzielle Einbußen bedeutet, müssen wir entschieden handeln.

Es kann nicht sein, dass die verabschiedeten Entlastungsmaßnahmen, wie beispielsweise der Tankrabatt, am Ende des Tages nicht den Verbraucherinnen und Verbrauchern, sondern den Mineralölkonzernen zugutekommen. Die Einführung der Übergewinnsteuer wäre ein mögliches Instrument, um dieser Fehlentwicklung zu begegnen. Dabei betreten wir in Deutschland kein neues Terrain, sondern können von den Erfahrungen anderer europäischer Länder wie Großbritannien, Spanien und Italien profitieren.

Wir dürfen nicht zulassen, dass in Zeiten, wo die meisten Bürgerinnen und Bürger unter den hohen Preisen ächzen, Ölkonzerne dank der Preissteigerungen aufgrund des Ukraine-Krieges Rekordgewinne einfahren. Mit einer Übergewinnsteuer könnten diese Unternehmen an dem Gemeinwohl beteiligt werden und aus den zusätzlichen Steuereinnahmen weitere Entlastungen für Betroffene ermöglicht werden. Insbesondere die Erfahrungen in Italien zeigen, wie schnelle politische Reaktion auf steigende Rohstoffpreise gelingt und zusätzliche Einnahmen zur Abmilderung sozialer Härte generiert werden können."

Carsten Müller (CDU), Braunschweig


Der CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Müller.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Müller. Foto: Thomas Stödter


„Die Mitnahmeeffekte, die die Mineralölkonzerne seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine realisieren, verdeutlichen, dass wir im Bereich der Monopolaufsicht und der Preiskontrolle spürbare Schwachstellen beseitigen müssen. Es kann nicht sein, dass Konzerne außergewöhnliche Situationen schamlos für Preiserhöhungen ausnutzen, die weder durch Rohstoffpreise noch durch Währungsschwankungen belegbar sind. Diese unmoralische und verantwortungslose Firmenpolitik muss sanktioniert werden. Die bestehenden Schwachstellen müssen wir im bestehenden ordnungspolitischen und kartellrechtlichen Rahmen beseitigen.

Die fehlerhafte Idee der ‚Umverteilung‘ hat in zahlreichen Bereichen ihre Schwächen offenbart. Unsere soziale Marktwirtschaft hat nicht Umverteilung als Grundgedanken, sondern Freiheit, Eigentum, Wettbewerb, Solidarität und Subsidiarität. Sie funktioniert über Anreizsysteme: Anreize dafür, dass Unternehmen dafür arbeiten und auch unternehmerische Risiken eingehen, Waren und Dienstleistungen anbieten und am Ende die ganze Gesellschaft davon profitiert. Die Besteuerung dieser Anreize durch eine Übergewinnsteuer wird nur zum Gegenteil des Bezweckten führen.

Vor einer Einführung einer Übergewinnsteuer müssten schwierige Fragen beantwortet werden: Was ist ein Übergewinn? Müssen alle Unternehmen diese Übergewinnsteuer entrichten? Warum unterliegen einige Branchen der zusätzlichen Besteuerung und andere nicht? Die von SPD, Grünen und Linken geforderte Übergewinnbesteuerung müsste auf einer belastbaren Datengrundlage mit klarer Folgeabschätzung definiert werden, um weder eine ideologisch basierte Umverteilung zu sein, noch um ein politisch, populistischer Schnellschuss zu werden, der fehlerhafte Regierungspolitik, wie etwa beim Tankrabatt, kaschiert. Häufig in die Debatten eingeführte vermeintliche Positivbeispiele, etwa in Italien, sind gar keine Gewinnsteuern, sondern eine erweiterte Umsatzsteuer und wurden in einem unterschiedlichen Steuersystem etabliert.

Tatsache ist: Alle Gewinne werden in Deutschland gemäß der Bemessungsgrundlage besteuert. Unser Steuersystem besteuert Gewinne mit knapp 50 Prozent hoch im Vergleich zu anderen Industrienationen. Darüber hinaus kann eine inkonsequent ausgelegte Übergewinnbesteuerung beispielsweise dazu führen, dass der internationale Großkonzern mit Gewinnen in Größenordnung von Milliarden Euro bei einem vergleichbaren Vorjahresergebnis keinen Übergewinn erzielt. Gleichzeitig wird ein kleines Start Up, das erstmals die Gewinnzone in einer Größenordnung erreicht, ein weiteres Mal besteuert. Diese doppelte Besteuerung wird so zur falschen Innovationsbremse. Im besonderen Fall eines bekannten Impfstoffherstellers hätte es etwa dazu geführt, dass deren coronabedingte Gewinne wahrscheinlich ebenfalls abgeschöpft würden. Die äußerst positiven Auswirkungen des Gewinns des Impfstoffherstellers im volkswirtschaftlichen Sektor wäre nicht erzielt worden und die gegenwärtigen Mittel des Unternehmens würden nicht in deren Krebs- und Coronaforschung fließen, sondern zur Deckung von nicht gut geplanten Haushalten der Regierung verwendet werden.“

Karoline Otte (Grüne), Northeim-Goslar


Die Bundestagsabgeordnete Karoline Otte (Bündnis90/Die Grünen)
Die Bundestagsabgeordnete Karoline Otte (Bündnis90/Die Grünen) Foto: Thomas Stödter


"Die Übergewinnsteuer sorgt dafür, dass diejenigen einen Anteil an den Kosten der Krise übernehmen, die von ihr profitieren. Die Ernergiepreissteigerungen und die Ressourcenengpässe machen sich am Ende des Monats am stärksten bei Menschen mit geringen Einkommen in unserer Gesellschaft bemerkbar. Hier stellen sich existenzielle Fragen - wie im Zweifel Nahrungsmittel oder die Miete bezahlt werden sollen. Gleichzeitig wandert Geld in die Taschen weniger großer Unternehmen, die aus der aktuellen Situation noch Kapital schlagen. Entlastungen, für die Menschen, die die Krise besonders hart trifft, müssen finanziert werden und die Kosten müssen gerecht verteilt werden.
Auch in der Vergangenheit hat sich die Übergewinnsteuer bewährt, beispielsweise in den USA und auch aktuell ist sie in Italien ein wichtiger Baustein. Mit einer Übergewinnsteuer stellen wir sicher, dass in der Krise, unter der die Ärmsten in unserer Gesellschaft am stärksten leiden, nicht noch eine Umverteilung von unten nach oben erfolgt."

Falko Mohrs (SPD), Helmstedt-Wolfsburg


Der Bundestagsabgeordnete Falko Mohrs (SPD)
Der Bundestagsabgeordnete Falko Mohrs (SPD) Foto: Thomas Stödter


„Der Tankrabatt in Form einer befristeten Steuersenkung auf Diesel und Benzin auf den EU-Mindestsatz ist dafür gedacht, insbesondere Menschen im ländlichen Raum, die auf das Auto angewiesen sind und Menschen mit kleinem Geldbeutel zu entlasten. Ich halte es für richtig, das Instrument einer Übergewinnsteuer zu prüfen, wenn die Preissenkung nicht bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt."

Frauke Heiligenstadt (SPD), Northeim-Goslar


Die Bundestagsabgeordnete Frauke Heiligenstadt (SPD)
Die Bundestagsabgeordnete Frauke Heiligenstadt (SPD) Foto: Thomas Stödter


"Auch ich habe den Eindruck, dass Mineralöl- und Energiekonzerne derzeitig von den durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gestiegene Preisen profitieren. So erzielen sie momentan Rekordgewinne. Wir alle merken das an den deutlich höheren Preisen für Benzin und Diesel, die wir dafür an der Zapfsäule zahlen oder den Preisen für Brennstoffe zum Heizen. Damit die Bürgerinnen und Bürger diese hohen Belastungen bei den Energiekosten nicht allein schultern müssen, haben wir bereits zwei milliardenschwere Entlastungspakete auf den Weg gebracht.

In den Entlastungspaketen sind folgende Maßnahmen enthalten: Die Energiepauschale in Höhe von 300 Euro für alle steuerpflichtigen Erwerbstätigen, der Kinderbonus von 100 Euro pro Kind, der Heizkostenzuschuss von 270 Euro für Wohngeldberechtigte und Studierende und 200 Euro für Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger. Außerdem fällt die EEG-Umlage beim Strompreis weg, was für eine Familie eine Steuerersparnis von rund 180 Euro im Jahr bringen kann, die Pauschale für Fernpendler steigt, das 9-Euro-Ticket ist da und die Steuern auf Diesel sind Benzin gesunken. Auch die Einkommensteuerfreibeträge sind erhöht worden. Leider werden gerade die Steuersenkungen bei den Kraftstoffpreisen von den Mineralölkonzernen nicht an die Kunden weitergegeben. Stattdessen erhöhen diese Steuersenkungen sogar noch die Gewinne bei diesen Konzernen.

Die Entlastungspakete kosten den Staat mehr als 30 Milliarden Euro. Da erscheint es nur gerecht, dass insbesondere die Krisengewinner einen größeren Anteil als bisher zur Finanzierung der staatlichen Entlastungspakete für die Bürgerinnen und Bürger leisten müssten. Das kann jedoch auf unterschiedliche Art und Weise umgesetzt werden. Daher ist zu prüfen, welcher Weg der richtige ist. Die sogenannte „Übergewinnsteuer“ ist schwierig zu ermitteln und noch schwieriger zu berechnen.

Wichtig ist auch, dass es bei einer Übergewinnsteuer nicht die Falschen trifft. Sie muss zielgerichtet und branchenspezifisch sein und sich an den Gewinnen aus dem Jahr 2019 orientieren. Außerdem muss es ein koordiniertes Vorgehen auf europäischer Ebene dazu geben, weil viele Konzerne weltweit agieren. Da dies alles sehr komplex ist, muss man meiner Ansicht nach auch darüber nachdenken, wie man zum Beispiel die sehr vermögenden Menschen über die Einkommensteuer stärker besteuern kann. Ich halte daher einen höheren Spitzensteuersatz für Einkommensmillionäre ebenfalls für eine denkbare Alternative. In jedem Fall sollten die `starken Schultern´ auch einen höheren Anteil an den derzeitigen Lasten der Krisen tragen, denn die einkommensschwächeren Haushalte müssen dringend auch über die drei Monate hinaus entlastet werden."

Hubertus Heil (SPD), Gifhorn-Peine


Der Bundestagsabgeordnete und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD)
Der Bundestagsabgeordnete und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Foto: Über dts Nachrichtenagentur


"Ich finde die Debatte legitim, denn die Entlastungen müssen bei den Menschen ankommen und nicht bei den Konzernen. Aber es müssen noch juristische Fragen geklärt werden, denn da gibt es unterschiedliche Auffassungen. Klar ist aber, dass jetzt die Kartellbehörden ran müssen und sehr genau hinschauen werden."

Anikó Merten (FDP), Braunschweig


Die Bundestagsabgeordnete Anikó Merten (FDP).
Die Bundestagsabgeordnete Anikó Merten (FDP). Foto: FDP


"Gut gemeint ist leider nicht immer auch gut gemacht. In Zeiten von Krieg und Krisen, in denen wir uns im Moment durch die Corona-Pandemie und den schrecklichen Angriffskrieg Putins befinden, gilt es zuvorderst die Wirtschaft zu stärken und eine nachhaltige Entlastung der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Umsätze und Gewinne sind in Deutschland grundsätzlich besteuert. Wenn wir jetzt für Energieunternehmer höhere Steuern einführen, werden am Ende die Leute mehr zahlen müssen. Und genau das wollen wir nicht! Für dysfunktionale Märkte haben wir Aufsichtsbehörden, insbesondere das Bundeskartellamt, das fairen Wettbewerb ohne Preisabsprachen durchsetzt. Eine Übergewinnsteuer wäre eine Aufforderung an innovative Unternehmen wie Biontech, unser Land zu verlassen. Das wird niemand ernsthaft wollen. Unser Ziel muss das Gegenteil sein: Den Standort Deutschland für Unternehmen attraktiv zu halten."

Victor Perli (Die Linke), Wolfenbüttel


Der Bundestagsabgeordnete Victor Perli (Die Linke)
Der Bundestagsabgeordnete Victor Perli (Die Linke) Foto: Thomas Stödter


"Seit Kriegsbeginn machen die Mineralölkonzerne schamlos einen großen Reibach mit teilweise über 200 Prozent mehr Gewinn als im Vorjahr. Und nun streichen dieselben Konzerne weite Teile des für die Bürgerinnen und Bürger gedachten Tankrabatts ein - und die Ampelkoalition schaut tatenlos zu. Andere Länder wie Italien, Spanien, Griechenland und Großbritannien machen es vor: Wir brauchen eine Übergewinnsteuer für die Kriegsgewinnler und eine Preisregulierung, damit die Bürgerinnen und Bürger von den massiven Preissteigerungen tatsächlich entlastet werden. Die Linke ist die einzige Partei, die dazu einen Antrag im Bundestag gestellt hat. Ich freue mich, dass unser Vorschlag jetzt so breit diskutiert wird und der Druck auf die Koalition wächst."

Dunja Kreiser (SPD), Wolfenbüttel


Dunja Kreiser (SPD)
Dunja Kreiser (SPD) Foto: Thomas Stödter


Mit einer gewissen Fassungslosigkeit betrachtet die SPD-Bundestagsabgeordnete Dunja Kreiser die Entwicklung der Benzin- und Dieselpreise. „Wir alle standen unter dem Eindruck, dass mit dem Entlastungspaket der Bundesregierung auch an der Zapfsäule für die Verbraucher die Preise sinken – stattdessen sind sie schon fast wieder auf dem Vorniveau. Die jetzt eröffnete Debatte über eine Sonderbesteuerung der Mineralölkonzerne, etwas in Form einer Übergewinnsteuer, ist in meinen Augen daher absolut gerechtfertigt“, so Kreiser.

„Hier wird doch ganz offensichtlich zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher von den Großkonzernen Kasse gemacht, das ist kaum nachvollziehbar, ungerecht und es beschädigt das Vertrauen der Menschen in Staat und Wirtschaft." Wenn es zu einer solchen Steuer käme, was schon wegen des Widerstandes von CDU und FDP mit vielen Problemen verbunden sei, dann müssten Erlöse in jedem Fall denen zu Gute kommen, die von der Entwicklung besonders gebeutelt werden – nämlich einkommensschwache Familien, meint die Abgeordnete. Nachdenkenswert seien aber auch andere Modelle, etwa dem aus Italien, wo mit den Erlösen auch krisenbelasteten Unternehmen geholfen werde.


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