Land soll ÖPNV finanzieren: Sonst könnten Tickets bald teurer werden

Dringend seien Landesmittel notwendig, sonst würde sich die Mobilitätswende bald rückwärts bewegen.

v.r.: Detlef Tanke (Verbandsvorsitzender des Regionalverbands Großraum Braunschweig), Dr. Thorsten Kornblum (Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig) und Gerhard Radeck (Landrat des Landkreises Helmstedt) erklären auf dem Gelände der Braunschweiger Verkehrs-GmbH, dass Kommunen und Verkehrsunternehmen Unterstützung des Landes insbesondere bei der Finanzierung des lokalen Bus- und Tram-Verkehrs brauchen.
v.r.: Detlef Tanke (Verbandsvorsitzender des Regionalverbands Großraum Braunschweig), Dr. Thorsten Kornblum (Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig) und Gerhard Radeck (Landrat des Landkreises Helmstedt) erklären auf dem Gelände der Braunschweiger Verkehrs-GmbH, dass Kommunen und Verkehrsunternehmen Unterstützung des Landes insbesondere bei der Finanzierung des lokalen Bus- und Tram-Verkehrs brauchen. | Foto: Regionalverband Großraum Braunschweig

Region. Oberbürgermeister, Landräte und Regionalverband schlagen Alarm: Ohne Mittel des Landes würde es zukünftig eine Kürzung des ÖPNV-Angebots in der Region geben. Dies hieße, dass sich die Mobilitätswende bald rückwärts statt vorwärts bewegt, so teilt der Regionalverband in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit. Wenn die Gelder vom Land ausbleiben, könnte sich dies auch auf die Ticketpreise auswirken.



„Wer nach der Landtagswahl in einer neuen Landesregierung Verantwortung übernehmen möchte, sollte das Thema ÖPNV-Finanzierung oben auf der Prioritätenliste haben“, fordert Detlef Tanke, Verbandsvorsitzender des Regionalverbands Großraum Braunschweig. „Bisher gibt das Land hauptsächlich Mittel des Bundes weiter und überlässt erhebliche, steigende Kosten den Kommunen. Die neue Landesregierung muss nun stärker in die Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs einsteigen. Sonst müssen wir sehr bald das ÖPNV-Angebot zurückfahren. Das wäre ein herber Rückschlag für die Mobilitätswende.“ Diesen dringlichen Appell senden er und Verbandsdirektor Ralf Sygusch gemeinsam mit dem Verbandsrat des Regionalverbands (bestehend aus den Oberbürgermeistern der Städte Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg und den Landräten der Landkreise Gifhorn, Goslar, Helmstedt, Peine und Wolfenbüttel) an die sich konstituierende neue Landesregierung.
Vor allem bräuchten die 19 Verkehrsunternehmen der Region kurzfristig finanzielle Hilfen, um die drastisch gestiegenen Treibstoff- und Personalkosten stemmen zu können. Der Regionalverband und die Kommunen können die Kosten der Verkehrsunternehmen nicht alleine tragen. Bereits jetzt wenden die Kommunen weit über 100 Millionen Euro pro Jahr für den ÖPNV in der Region auf. Insgesamt ist der ÖPNV unterfinanziert.


Nicht einmal der jetzige Stand sei aktuell realistisch


„Nach dem 9-Euro-Ticket erwarten alle von uns mehr und besseren ÖPNV. Doch die derzeitigen Finanzmittel genügen nicht einmal, um den jetzigen Standard weiter zu finanzieren“, zeigt Gerhard Radeck, Landrat des Landkreises Helmstedt, auf, wie Anspruch und Realität derzeit auseinandergehen. Bisher konnte der Regionalverband Rücklagen nutzen. Die Kosten für den Betrieb, die Unterhaltung und den Ausbau des ÖPNV-Netzes steigen jedoch stetig. In den kommenden Jahren können der Regionalverband, seine Mitgliedskommunen und die Verkehrsunternehmen das Angebot so nicht aufrechterhalten. Die Kosten für die pandemiebedingten Einnahmeausfälle werden in diesem Jahr noch von Bund und Land übernommen. Eine Lösung für kommende Jahre gibt es bisher nicht.

Auch für den Klimaschutz


„Es wird ständig über die Notwendigkeit der Mobilitätswende als Beitrag zum Klimaschutz geredet. Alle wissen, dass ein attraktiver ÖPNV dazu ein essenzieller Baustein ist. Die Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 ist von Ländern und Bundesregierung beschlossen worden. Nun ist es an der Zeit, dass auch das Land Niedersachsen entsprechende finanzielle Mittel bereitstellt“, fordert Dr. Thorsten Kornblum, Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig. „Die erheblichen finanziellen Lasten der politisch gewünschten Mobilitätswende können nicht Kommunen, Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen tragen. Alle Ebenen müssen ihren Beitrag leisten.“ Radeck führt die konkreten Erwartungen aus: „Der Bund und das Land müssen kurzfristig den Verkehrsunternehmen helfen, damit sie die hohen Treibstoffkosten bezahlen können. Außerdem muss das Land Niedersachsen stärker in die Finanzierung des lokalen Bus- und Tramverkehrs einsteigen sowie für die Ausfinanzierung von vergünstigten Tickets sorgen.“

Zweistelliger Millionenbetrag erforderlich


Allein für die Aufrechterhaltung des derzeitigen Angebots braucht die Region mindestens 50 Millionen Euro zusätzliche Mittel pro Jahr. Sollen die Ziele Mobilitätswende und Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 erreicht werden, Busse und Bahnen häufiger und an weiteren Orten fahren, eine Antriebswende im ÖPNV umgesetzt werden und Innovationen die Nutzung komfortabler machen, muss das Land weitere Mittel in zweistelliger Millionenhöhe unbürokratisch zur Verfügung stellen.

Der Öffentliche Nahverkehr sei als Teil der Daseinsfürsorge auf eine ausreichende Finanzierung durch die öffentliche Hand angewiesen. Einnahmen durch Ticketverkäufe hätten noch nie die Kosten für den Betrieb, die Unterhaltung oder gar den Ausbau des ÖPNV-Netzes gedeckt. „Unterfinanziert ist vor allem das lokale und regionale Bus- bzw. Tram-Netz. Hierfür gibt es viel zu geringe Mittel von Land und Bund“, führt Verbandsdirektor Ralf Sygusch aus. „Dabei ist der Bus ein unverzichtbarer Bestandteil des öffentlichen Nahverkehrs, denn nicht überall können Bahnlinien gebaut werden.“

Teurere Tickets


„Falls es keine ausreichenden Mittel vom Land gibt, muss demnächst in der Verbandsversammlung des Regionalverbands beschlossen werden, wo gespart wird“, erklärt Tanke. Es besteht die Möglichkeit, an der Qualität des ÖPNV zu sparen oder an dem Angebot an sich. Einen Beitrag zur Finanzierung könnten auch die Ticketpreise leisten. Diese könnten steigen.

„Die Erwartung der Bürgerinnen und Bürger ist klar: Sie wollen, dass der Öffentliche Nahverkehr bei ihnen vor Ort erreichbar ist, dass die Nutzung einfach, komfortabel und erschwinglich ist. Dann sind sie bereit, ihn zu nutzen und ihren Beitrag zur umweltfreundlichen Mobilität zu leisten“, so Tanke. „Wir, der Regionalverband, die Kommunen und die Verkehrsunternehmen der Region, sind ebenfalls bereit, unseren Beitrag zu leisten und die Mobilitätswende vor Ort umzusetzen. Nun kommt es auf Land und Bund an, ob wir Richtung umweltfreundlicher Mobilität fahren oder langsam rückwärts rollen und der ÖPNV wieder so unattraktiv wird, dass alle lieber das Auto nehmen. Die neue Landesregierung muss jetzt entscheiden, ob sie es mit der Mobilitätswende ernst meint oder ob wir sie späteren Generationen als Aufgabe überlassen.“


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