Hannover/Region. In seiner heutigen Sitzung hat der Niedersächsische Landtag die Weiterentwicklung des Zweckverbandes Braunschweig (ZGB) zum Regionalverband Braunschweig beschlossen. Hierzu erreichte die Redaktion unterschiedliche Stellungnahmen.
Der Zweckverband selbst begrüßt das Regionalverbandsgesetz. Detlef Tanke, Vorsitzender der Verbandsversammlung, verdeutlicht, dass es bei dem Gesetz zur Weiterentwicklung des ZGB bewusst nicht um eine umfassende Funktional- und Gebietsreform gehe. Der Gutachter, Prof. Jörg Bogumil, auf dessen Erkenntnissen die Gesetzesinitiative aufbaue, habe die große Uneinigkeit in der Region herausgearbeitet. In der Diskussion sollte stärker zwischen einer regionalen und kommunalen Aufgabenerledigung unterschieden werden, hatte der renommierte Professor für öffentliche Verwaltung, Stadt- und Regionalpolitik empfohlen. Und für den Bereich regionaler Aufgaben sei der Ausbau des ZGB die naheliegende Möglichkeit einer Verbesserung durch Regionalisierung.
Tanke: "Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung"
„In diesem Sinne ist das Gesetz ein kleiner Schritt in die richtige Richtung“, ist Tanke überzeugt. Neben den fachlichen Themen sei es überaus wichtig, dass die Region auch politisch stärker zusammenarbeite und künftig ihre Interessen gemeinsam vertrete. Die 30 Millionen zusätzlichen Gelder für den Nahverkehr, die der Landtag für den ÖPNV bereitgestellt hat, zeigten deutlich, wie erfolgreich der ZGB in Zukunft sein könne. Diesem Ziel diene der neue Verbandsrat: die institutionalisierte Diskussion im Großraum Braunschweig.
Brandes: "In die kommunale Planungshoheit wird nicht eingegriffen"
Verbandsdirektor Hennig Brandes zeigt sich zufrieden, dass nach der finanziellen Unterstützung des Zweckverbandes nun mit dem Regionalverbandsgesetz ein weiterer Schritt zur Stärkung des Verbandes und der Region gegangen werden soll. „Die Erweiterung der Zuständigkeiten des Verbandes betrifft allesamt Aufgaben, die regional übergreifend angegangen werden müssen", ist der Verbandsdirektor überzeugt. Mit den jetzt getroffenen Formulierungen habe der Verband ein Befassungsrecht, ohne dass direkt in die kommunale Planungshoheit eingegriffen werde. Dies sei ein Kompromiss und er habe keine Zweifel, dass die nachgeordneten Kommunen den Mehrwert eines regionalen Ansatzes bei diesen Aufgaben schon bald erkennen würden.
Dass der ÖPNV und Fragen der Siedlungsentwicklung oder der Versorgung und des Einzelhandels sich nicht an Kreisgrenzen orientieren dürften, sondern regional zu betrachten seien, sei bundesweit längst erkannt worden. Auch die neuen Aufgaben für den ZGB seien auf Basis des Fachgutachtens von Prof. Bogumil gezielt auf ihre regionale Bedeutung hin ausgewählt worden.
„Ich kann nicht erkennen“, sagt Brandes, „was dagegen spricht, wenn der Verband künftig die Kommunen bei der Entwicklung regional bedeutender Gewerbeflächen berate.“ Ebenso wenn er Konzepte zur Koordinierung der Berufsschulangebote erarbeite, im Bereich Tourismus und Regionalmarketing die Akteure mit einem regionalen Ansatz unterstütze und schließlich übergreifende Hochwasserschutzkonzepte entwickle. Gerade bei letzterem müsse doch klar sein, dass die Hochwasserprobleme eine Stadt wie Braunschweig in ihren Stadtgrenzen nicht allein lösen könne, sondern das Einzugsgebiet des jeweiligen Gewässers regional betrachtet werden müsse. Das Wasser müsse in geeigneten Räumen zurückgehalten werden, damit es bei starken Niederschlägen in Siedlungsbereichen keine Schäden anrichte.
Laut Tanke biete das Gesetz mit den erweiterten Pflichtaufgaben die Chance zu konsensualen, regionalen Lösungen: „Es liegt nun auch an den beteiligten Kommunen im Raum Braunschweig, aus dem Regionalverbandsgesetz etwas zum Nutzen aller Menschen in unserer Region zu machen“, appelliert Tanke an alle Beteiligten.
Wunderling-Weilbier: „Region spricht künftig mit einer Stimme“
Markurth: „Die Region wird insgesamt profitieren“
Auch Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth begrüßt den Landtagsbeschluss zum Regionalverband: Die Stadt habe sich bereits in der Vergangenheit zur Weiterentwicklung positiv positioniert. Der Oberbürgermeister ist der Ansicht, dass die Region insgesamt davon profitieren wird, wenn gemeinsame Themen wie Verkehr, Raumplanung oder Regionalmarketing eine stärkere Bündelung erfahren. „Heute wurde die Grundlage geschaffen, sich darüber zu verständigen, welche Themen künftig stärker über den Verband organisiert werden könnten“, so Markurth.
Die Einrichtung des Verbandsrats bindet die Hauptverwaltungsbeamten neu in die Entscheidungsprozesse ein. „Damit wird der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Verbandsgliedern und dem Regionalverband gestärkt. Niemand muss Sorge vor dem Verlust von Kompetenzen haben. Der Regionalverband stellt keine verfasste Region dar. Die ist politisch derzeit auch nicht machbar. Gerade deswegen ist jedoch der neue Regionalverband nötig, um beim immer wichtiger werdenden Thema der regionalen Kooperation und der Darstellung nach Außen weiterzukommen“, sagte der Oberbürgermeister.
Herlitschke: "Gesetz weniger konkret als der Entwurf"
Die Fraktion Bündis90/DieGrünen im ZGBist sehr zufrieden mit dem heute im Landtag gefassten Beschluss zum ZGB-Gesetz „Auch wenn am Ende leider viele Textpassagen im Gesetz weniger konkret gefasst wurden als im Entwurf vorgelegt und wir uns das gewünscht haben, zeigt der Beschluss doch deutlich in die richtige Richtung“ so Holger Herlitschke, neuer Fraktionsvorsitzender der Grünen ZGB-Fraktion zum beschlossenen Gesetz. Elke Kentner, für die Peiner Grünen in der Verbandsversammlung und deren 2. stellvertretende Vorsitzende ergänzt: „Die Erweiterung der Aufgaben des ZGB, der dann zukünftig "Regionalverband" heißen soll, ist in Zeiten der Globalisierung ein Schritt weg vom Kirchturmdenken. Es gibt eine ganze Reihe von Themen, die besser für ein größeres Gebiet bearbeitet werden können." Als Beispiel nennt sie den Hochwasserschutz, bei dem sinnvollerweise das gesamte Einzugsgebiet eines Gewässers betrachtet werden muss.
„Nun ist es Zeit, dass insbesondere die Widerstände aus der Landes-CDU aber auch von einigen Teilen der Hauptverwaltungsbeamten der Region ein Ende haben“ so Herlitschke weiter. „Es ist Zeit, dass die Verbandsglieder, die Hauptverwaltungsbeamten der Region und die in der Verbandsversammlung vertretenen Parteien endlich den Blick auf mehr Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit in der Region Braunschweig legen anstatt sich in kleinliche Auseinandersetzungen zu begeben. Das ist längst überfällig und nun besteht eine reale Chance dazu! Das Verhalten von Herrn Klingebiel legt dagegen aus egoistischen Motiven die Spaltaxt an die Wurzeln der Region.“ sagte Herlitschke abschließend.
Jahns: "Eine einzige Farce"
Dieinnenpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion Angelika Jahns sieht die Sache dagegen kritisch: "Dieses Gesetz ist vom Entwurf her bis zur heutigen Beschlussfassung eine einzige Farce. Handwerklich schlecht gemacht, verfassungsrechtlich mehr als bedenklich, Kritik der kommunalen Spitzenverbände und vieler kommunaler Vertreter vor Ort wird nicht ernst genommen, die Forderung nach Rücknahme des Gesetzes wird von den einbringenden Fraktionen von SPD, Grünen und FDP ignoriert und schließlich wird dann ein Gesetz vorgelegt, das an Beliebigkeit nicht zu überbieten ist.
Keine Aufgabenübertragung, alles nur schwammige Formulierungen, nichts Konkretes, nur zusätzlicher Aufwand und höhere Kosten für die Kommunen, die zum jetzigen Zweckverband Großraum Braunschweig (ZGB) gehören.
Die kommunalen Vertreter wollen das Gesetz nicht, die kommunalen Spitzenverbände auch nicht, es gibt viele hervorragende Initiativen und Aktivitäten der vorhandenen Organisationen, die man bündeln und vernetzen kann. Deshalb ist unsere Forderung: Ziehen Sie dieses Gesetz zurück, es bringt nur Probleme in der tatsächlichen Wahrnehmung, zusätzliche Kosten, Bürokratie und hilft kein Stück weiter! Um es auf den Punkt zu bringen: So ein Gesetz nur für eine Namensänderung ist einfach zu schwach, Murks bleibt Murks!"
Die Landtagsabgeordneten Marcus Bosse (SPD) und Björn Försterling (FDP)
Detlef Tanke, Björn Försterling, Reinhard Manlik, Marcus Bosse und Hennig Brandes. Foto:
„Dieser Beschluss ist für die Weiterentwicklung der Region Braunschweig ein enorm wichtiger Schritt“, so der Landtagsabgeordnete und stellvertretende SPD-Landtagsfraktionsvorsitzende Marcus Bosse. Aus dem Zweckverband Braunschweig wird künftig der Regionalverband Braunschweig, der neben den bisherigen Kompetenzen des öffentlichen Personennahverkehrs und der Raumplanung weitere koordinierende Aufgaben übernehmen wird. „Damit schaffen wir eine weitere Grundlage für die Zusammenarbeit in der Region“, so Bosse weiter.
Der FDP-Landtagsabgeordnete Björn Försterling ergänzt: "Zusammen ist die Region einfach stärker gegenüber dem Land und gegenüber dem Bund. Es gilt jetzt gemeinsam die wichtigen Projekte in der Region zu entwickeln.“ Zur Stärkung des künftigen Regionalverbandes wird auch beitragen, dass ab bei der Kommunalwahl 2021 die Verbandsversammlung erstmals direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt wird. Dadurch wird die Arbeit des Regionalverbandes präsenter und enger an die Interessen der Bürgerinnen und Bürger geknüpft. Eine Entsendung aus den Landkreisen und der kreisfreien Städte entfällt. „Das bedeutet, dass die künftigen Mitglieder der Verbandsversammlung regionale Vertreter sein werden und keine Entsandten aus den Städten und Kreisen. Das ist nicht nur eine rechtliche Änderung, sondern wird auch das Wesen der Verbandsversammlung anders prägen", so Försterling. Bosse abschließend: „Heute ist ein guter Tag für die gesamte Region Braunschweig.“
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