Berlin. CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat sich von der Forderung der Ministerpräsidenten von Brandenburg und Sachsen, Dietmar Woidke (SPD) und Michael Kretschmer (CDU), sowie von Thüringens CDU-Landeschef Mario Voigt nach stärkeren Bemühungen um eine diplomatische Lösung im Krieg zwischen Russland und der Ukraine distanziert. "Die Ukraine kämpft um ihr schieres Überleben", sagte Merz der "Süddeutschen Zeitung" (Samstagausgabe). "Dabei müssen wir ihr auch in unserem eigenen Interesse weiter helfen."
Friedensgespräche werde es nur geben, wenn beide Seiten dazu bereit sind, so der CDU-Chef. "Das ist nach dem offenbar von Putin abgelehnten Telefongespräch mit dem Bundeskanzler erkennbar nicht der Fall. Russland wird erst zu Gesprächen bereit sein, wenn das Regime von Putin erkennen muss, dass ein weiteres militärisches Vorgehen gegen die Ukraine aussichtslos erscheint."
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD) kritisierte den Beitrag der drei Politiker. "Sollte der Brief der drei designierten Ministerpräsidenten als Weichspüler für Koalitionsverhandlungen mit dem BSW gemeint gewesen sein, rate ich zu großer Skepsis", sagte er der SZ. "Den Wagenknechten und Co. geht es nicht um Frieden. Sie wollen nicht länger mit dem Elend der attackierten Ukraine behelligt werden", so Roth. "Sie wollen schlicht in Ruhe gelassen werden, ihrem Antiamerikanismus und ihrer Zuneigung zum Autoritarismus weiter frönen."
Ähnlich äußerte sich die FDP-Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann. "Man hat das Gefühl, die freiheitlichen Werte unseres Landes werden gerade für ein bisschen Machterhalt und Wahlkampf auf dem Ramschtisch verscherbelt", sagte sie der "Rheinischen Post" (Samstagausgabe). "Matthias Platzeck pendelt heimlich und erfolglos zwischen Moskau und Berlin hin und her und nun der rückgratlose Kotau der Ministerpräsidenten aus Brandenburg und Sachsen assistiert von der BSW und CDU in Thüringen."
Der für die Außenpolitik zuständige stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul (CDU) sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstagsausgabe), der Vorschlag der drei Politiker sei verantwortbar, weil er die Grundlinien der CDU einhalte. "Ich verstehe den Aufruf als den ernsthaften Versuch, unter Wahrung der eigenen Grundsätze eine Brücke für mögliche Koalitionsverhandlungen zu bauen." Dass die drei Spitzenpolitiker von CDU und SPD dies gemeinsam täten, sei ein "starkes Zeichen", sagte Wadephul. "Wir dürfen uns nicht spalten lassen." So unrealistisch ein russisches Eingehen auf die Prinzipien der Union sei, "so muss doch jeder seriöse Versuch unternommen werden, die AfD aus der Regierungsverantwortung fernzuhalten", sagte Wadephul mit Blick auf Bemühungen in Dresden, Erfurt und Potsdam, mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Koalitionen zu bilden.
Wagenknecht selbst hatte sich lobend zu dem Appell von Woidke, Kretschmer und Voigt geäußert. "Ein kluger und differenzierter Beitrag" sei deren gemeinsamer Aufruf in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Freitagausgabe), sagte Wagenknecht der FAZ. Es sei ein Beitrag, "der sich wohltuend abhebt von einer Debatte, die sich mit großer moralischer Attitüde immer nur um die Frage dreht, welche Waffen als nächste geliefert werden sollten, ohne irgendeine Perspektive für ein Ende des Krieges aufzuzeigen".
Klaus Ernst, Vize-Vorsitzender des BSW im Bundestag, stimmte der Parteivorsitzenden zu. "Das ist mutig, fast revolutionär und stimmt hoffnungsvoll", sagte er dem "Tagesspiegel". Mit dieser "politischen Annäherung" könne in Brandenburg, Sachsen, Thüringen "und darüber hinaus" eine "gemeinsame Basis" von BSW, CDU und SPD entstehen. Die Ministerpräsidenten wollten damit "zu einem Ende des Sterbens beitragen und gehen einen großen Schritt", behauptete Ernst. "Der gemeinsame Artikel von Kretschmer, Voigt und Woidke kann gar nicht genug gewürdigt werden." Wie die Autoren fordere auch das BSW Sicherheitsgarantien für die Ukraine, doch das BSW fordere diese "auch für Russland", sagte der BSW-Gruppenvize. "Das schließt eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine aus."
Mit dem Text werde seiner Ansicht nach "der Wählerwille von jedem zweiten Wähler im Osten, der Verhandlungen und das Ende des Ukraine-Krieges will, endlich beachtet", sagte Ernst in Anspielung auf die jüngsten Wahlergebnisse von AfD und BSW. "Uns unterscheidet sehr viel von der AfD, es gibt da mit uns keine Zusammenarbeit", so Ernst. "Aber in dieser inhaltlichen Frage vertreten BSW und AfD ähnliche Positionen."
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