Braunschweig. Der Neujahrsempfang der SPD (Unterbezirk, Braunschweig) hatte ein zentrales Thema – wie wird sich die Region in Zukunft entwickeln? In den Reden von Ulrich Markurth (Oberbürgermeister, Braunschweig), Stephan Weil (Niedersächsischer Ministerpäsident), Christoph Bratmann (Landtagsabgeordneter, SPD) und Klaus Mohrs (Oberbürgermeister, Wolfsburg) wurde eins ganz deutlich: Es geht nur gemeinsam, auch die Menschen in der Region hätten ein gewichtiges Wort. Eine neue Grenzziehung an der Landkarte ohne die Einbeziehung aller Beteiligten werde es nicht geben, auch nicht von der Landesregierung. Rund 300 Gäste waren zum Neujahrsempfang in den Congress Saal der Stadthalle gekommen.
Den Abend eröffnete Christoph Bratmann mit seinen Grußworten. Dabei dankte er besonders Klaus-Peter Bachmann (Vizepräsident des Niedersächsischen Landtags) für 21 Jahren hervorragende Arbeit. Nach weiteren Danksagungen an verschiedene Parteimitglieder, wagte Bratmann einen Rückblick.
Das vergangene Jahr sei gut für die Braunschweiger SPD verlaufen, man würde wieder den Oberbürgermeister stellen und habe viele gesteckte Ziele erreicht. 2015 würden keine Wahlen anstehen, das bedeute aber keinesfalls, dass man sich zurücklehnen könne. "Man muss sich immer weiterentwickeln. Deshalb müsse die Frage für das Jahr lauten: Welche Akzente sollen gesetzt werden, besonders im Hinblick auf die Kommunalwahl 2016? Das sei eine der Hauptaufgaben der Partei.", so Bratmann. Dazu müsse versucht werden, wieder mehr Menschen für die SPD und die Politik zu gewinnen. In der aktuellen Zeit wäre es schwierig für das System der Demokratie zu werben. Doch Bratmann gibt sich kämpferisch:
"Es ist das beste System was es gibt. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen sich ausklinken und keinen Kontakt mehr haben wollen. Wir müssen für unsere Demokratie und unsere demokratischen Grundrechte streiten." Das bedeute auch Verständnis zu zeigen, für diejenigen die Ängste haben, aber nicht für Menschen, die dieses instrumentalisieren wollen und sich dabei Nazi-Rhetorik bedienen würden. Bei der Gegenkundgebung zur Bragida-Demo könne ein Zeichen für Toleranz und die Demokratie gesetzt werden. In der Regionsdebatte sei es seiner Meinung nach wichtig, mit allen Akteuren in den Dialog zu treten.
"Gemeinsam sind wir noch stärker"
Klaus Mohrs (Oberbürgermeister, Wolfsburg) sagte im Anschluss auch er werde zur Gegenkundgebung am Montag kommen. Das ist für ihn selbstverständlich. Er sei häufig in Braunschweig und regte mehr Gemeinsamkeit zwischen den Städten an. Die Kommunen alleine könnten Dinge nicht mehr entscheiden. Man sei immer abhängig von anderen und zusammen könne viel erreicht werden. Braunschweig und Wolfsburg wären das größte Zugpferd in Südost-Niedersachsen. Er bedauere, dass es in der Regionsdebatte wohl keine Lösung bis 2016 mit Helmstedt geben werde. Leidtragende wären vor allem die Menschen vor Ort. Er sprach sich dafür aus, in der Regionsdebatte immer die kommunalpolitische Balance im Auge zu behalten. Keiner sollte sich auf Kosten der anderen profilieren.
Eine schnelle Einigung von Gebietskörperschaften sei aber bei allen Problemen möglich. Spätestens bis 2021. Dafür wäre es aber sehr wichtig, mit den Menschen vor Ort zu diskutieren und alles zu besprechen. Einfach auf einer Landkarte Linien ziehen, das wäre keine Option. Er mahnte zudem an, dass die Region den Öffentlichen Nahverkehr verbessern müsse. Zu wenig Menschen hätten die Chance mit Bussen und Bahnen von Braunschweig nach Wolfsburg zu kommen. Dieses Thema solle in der nächsten Zeit intensiv angegangen werden. Auch ein gemeinsames öffentliche W-Lan für die Region, zum Beispiel in Bus und Bahn, sei eine Überlegung wert. Gibt es nun also einen neuen Kuschelkurs zwischen den Städten? "Wir werden auch konkurrieren, aber wir werden einen gemeinsamen Weg suchen. Unser Ziel muss es sein, dass Menschen in Braunschweig und Wolfsburg sagen – gemeinsam sind wir noch stärker."
Kein Masterplan aus Hannover zur Region
Kriege, Krisen, Seuchen und die Anschläge von Paris, für Stephan Weil ist das vergangenen Jahr nicht nur in guter Erinnerung geblieben. Doch es gäbe auch Erfolge wie die Rente mit 63, die nach 45 Jahren Beitragsjahren einen Einstieg in den Ruhestand ohne Abschläge ermöglichen würde oder der Mindestlohn. Wenn er die beiden Oberbürgermeister von Braunschweig und Wolfsburg so zusammen sehe, dann ist er der Meinung: "Es wächst zusammen, was zusammen gehört." Zur Regionsdebatte sagte er:" Aus Hannover wird es keinen Masterplan zur Region Braunschweig geben. Das hätte nur zur Folge, dass sich die Region quer stellt." Er sei aber optimistisch, dass eine Regelung gefunden werden könne. Die eigentliche Musik würde in einer gemeinsamen Zusammenarbeit und nicht in ständigen Vorschlägen zu irgendwelchen Regionen spielen.
"Unsere Gesellschaft verteidigen"
Dazu spüre er aber auch eine deutliche Verunsicherung in der Gesellschaft. Es existierten so viele Krisen um uns herum. Einge triebe wohl der Gedanke um, was können wir tun damit die nicht zu uns kommen? Diese Menschen gingen auch auf die Straße im Rahmen der Pegida-Bewegung. "Solche Sorgen nehme ich Ernst. Doch seid euch bewusst, wer oftmals die Drahtzieher dieser Demos sind. Das rechtsextremen Spektrum in Hannover haben wir nachgewiesen. Es wollen Leute Verunsicherung schüren und dieses ausnutzen, das dürfen wir nicht durchgehen lassen.", so der Ministerpräsident.
Viele Menschen würden in Niedersachsen den Flüchtlingen helfen und seien weltoffen, darüber würde aber kaum berichtet werden. Ihnen gelte sein Dank. "Wir alle müssen unsere Gesellschaft, die frei und offen ist, verteidigen, das lassen wir uns nicht kaputt machen. Das wünsche ich mir auch für Braunschweig am Montag bei der Gegendemo. Alle Menschen müssen in einer Gesellschaft eine Chance bekommen.", so Stephan Weil.
"Internationalität ist unsere Stärke"
Als Ulrich Markurth an das Mikrophon trat, stellte er zunächst eine Sache klar: "Wir streiten in unserem Land und der Politik über Probleme. Es gibt aber keinen Hass und wir hauen uns nicht Köpfe ein. Wir streiten zwar, aber es geht nicht um Existenzen. Wir dürfen uns glückliche schätzen, in so einer Situation zu sein. Wir haben eine gute Streitkultur und wir sollten auch so weitermachen." Er wäre froh, dass ein breites Bündnis geschmiedet wurde, das sich klar gegen Ausländerfeindlichkeit ausspricht. Ob er dabei zu spät reagiert hätte und sich früher hätte äußern sollen? Der Oberbürgermeister sagte: "Wir waren in Gesprächen, aber darüber muss man auch nicht immer öffentlich diskutieren.
Es ist nur wichtig, dass man sich darum kümmert und das haben wie frühzeitig getan." Am Montag wolle man ein Zeichen für Geschlossenheit setzen. "Wir sind eine internationale Stadt, anders kann das nicht funktionieren. Das ist keine Schwäche, das ist unsere Stärke. Dafür sollten wir alle eintreten.", so Markurth. Bei allem Ärger, die Demokratie sei wohl das bestmögliche, was Menschen gemeinsam leisten können. Aus Wutbürgern sollten Mutbürger werden. Am Montag könnte man ein kleines Zeichen dafür setzen. Die Politik mit täglich harter Arbeit aber ein noch größeres Zeichen, ist sich der Oberbürgermeister sicher.
Im Öffentlichen Nahverkehr soll sich was tun
Zur Entwicklung in der Kommunalpolitik positionierte er sich klar: Der offene Ganztag an Schulen werde ausgebaut und der Wohnungsbau weiter vorangetrieben. Auch die vielen Bauarbeiten in der Stadt seien eigentlich ein Grund zur Freude – es ist noch Geld da, etwas zu sanieren und zu bauen. Er ging auf die Worte von Klaus Mohrs ein und stellte Änderungen im Öffentlichen Nahverkehr in Aussicht. Nicht alle Menschen könnten in den Zentren leben, aber sie müssten zumindest gut dorthin gelangen. Es seien Pläne in Arbeit, die vielleicht schon bis zum Ende des Jahres konkret werden würden. Sicherlich werden die einige überraschen, mehr wollte der Oberbürgermeister aber noch nicht verraten. In der Regionsdebatte wird es sicher irgendwann eine Lösung geben, ist sich Markurth sicher. Man könne aber nicht solange warten, deshalb sei eine gemeinsame Verknüpfung schon jetzt nötig und würde vorangetrieben werden. Dabei sollten auch die Oberzentren gestärkt werden, nicht um die Landkreis zu schwächen, sondern um alle voranzubringen.
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