ÖPNV zu teuer: Gibt es zu viele Verkehrsverbünde?

Bundesverkehrsminister Wissing möchte alle Verkehrsverbünde unter einen Hut bringen - das soll die Kosten senken. Doch ist das überhaupt sinnvoll?

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Symbolfoto. | Foto: Pixabay

Region. Bundesverkehrsminister Volker Wissing möchte alle Verkehrsverbünde zusammenlegen. Das soll Kosten sparen und eine effizientere Struktur ermöglichen. Kritik gibt es dazu auch aus Braunschweig.



Ralf Sygusch, Verbandsdirektor des Regionalverbands Großraum Braunschweig und Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Region Braunschweig (VRB) nimmt Stellung zur Forderung von Bundesverkehrsminister Wissing, Verkehrsverbünde effizienter zu organisieren: Die Bundesregierung habe mit dem Deutschlandticket einen Systemwechsel im ÖPNV angestoßen. Es sei gut angenommen worden, weil die ÖPNV-Kunden über Grenzen hinweg mobil sein wollen. Sie würden sich über Kommunal-, Landes- und Verbundgrenzen keine Gedanken machen. „Insofern ist ein einheitliches Tarif- und Ticketingsystem zu begrüßen. Da ziehen wir voll mit“, erklärt Ralf Sygusch.

Forderungen nicht effektiv


Nun stünden aber Bund, Länder, Kommunen, ÖPNV-Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen vor der Herausforderung, diesem Anspruch der Kunden gerecht zu werden und für einen guten, einfachen ÖPNV zu sorgen. Und um dies zu erreichen, sei die Forderung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing zur Zusammenlegung von Verkehrsverbünden kein effektiver Schritt.

Zuerst sollten Bund und Länder die langfristige Finanzierung des D-Tickets zusagen, fordert Sygusch. Darüber hinaus müssten sie ein gutes ÖPNV-Angebot sichern: „Die größten Kosten entstehen durch Infrastruktur und Betrieb. Die Verwaltungskosten in den Verbünden sind daneben zu vernachlässigen. Wollen Bund und Länder einen starken ÖPNV für die Mobilitätswende, müssen sie ihn verlässlich und unkompliziert finanzieren. Sie müssen nicht nur die Anschubfinanzierung für die Infrastruktur in Förderprogrammen leisten, sondern auch den Betrieb erheblich unterstützen.“

Zu wenig Förderung


Für ein gutes ÖPNV-Angebot fehle eine klare und verlässliche Finanzierung. Derzeit sei die Finanzierung des ÖPNV sehr komplex auf Bund, Länder, Kommunen, Aufgabenträger und privatwirtschaftliches Schaffen von Verkehrsunternehmen aufgeteilt. Insbesondere das lokale ÖPNV-Angebot, der Bus- und Tram-Verkehr, ist unterfinanziert, da die ohnehin finanziell stark belasteten Kommunen für die Finanzierung zuständig sind.

Auch die von Bundesminister Wissing geforderte Digitalisierung des ÖPNV rufe hohe Kosten hervor, so Sygusch. Sie führe nicht zur Kosteneinsparung. Digitale Systeme müssen nach deren Aufbau stetig weiterentwickelt und gepflegt werden. Digitale Buchungs- und Bezahlsysteme etwa kosten die Verbünde mehr Geld als sie an Personal- und Sachkosten für Papiertickets einsparen. „IT-Spezialist*innen mit der Pflege von digitalen Plattformen zu beschäftigen, kostet mehr als Service-Kräfte in Kundenzentren“, macht Sygusch deutlich. „Bei digitaler Zahlung erhalten Bezahldienstleister einen Teil des Ticket-Preises, der nicht den Verbünden und somit dem ÖPNV-Betrieb zugutekommt.“

Verbünde sind bereits gut organisiert


Zur Organisation der Verbünde bekräftigt Sygusch, dass es bereits jetzt eine gute Zusammenarbeit der Verbünde gebe. Ihre Verwaltung und Ausstattung seien sehr schlank gehalten. Im Großraum Braunschweig etwa gebe es bereits seit über 20 Jahren den Verkehrsverbund Region Braunschweig im Gebiet des Regionalverbands Großraum Braunschweig als ÖPNV-Aufgabenträger. Der Verbund wirkt in 5 Landkreisen und 3 kreisfreien Städten und vereint 19 Bahn- und Busunternehmen, die den ÖPNV in der Region operativ umsetzen. In der Organisation des VRB arbeiten 6 Mitarbeitende und es gibt 2 nebenamtliche Geschäftsführer.

Noch viel zu tun


Zu den Aufgaben der Verbünde gehört es neben der Verteilung der Einnahmen auch, Fahrplanauskünfte zu geben und über aktuelle lokale und regionale Fahrtenänderungen zu informieren. Schon jetzt geben die Verbünde diese Informationen an Zentralen weiter, sodass sie etwa in digitalen Fahrplanauskünften berücksichtigt werden können. „Von vielen Kundinnen wird nach wie vor eine nahe, persönliche Anlaufstelle für Ticketfragen und -verkäufe sowie zur Fahrtauskunft geschätzt“, berichtet Sygusch über die Erfahrungen im VRB. „Ob hier Aufwand durch größere Zentralen weiter minimiert und der Kundinnen-Service gleich gehalten oder sogar verbessert werden kann, ist fraglich.“

Insgesamt sei auf dem Weg zu einem einfacheren und guten ÖPNV-Angebot für die Kunden in Deutschland noch vieles zu tun. Am Anfang stehe die verlässliche Finanzierung und Organisation des ÖPNV von Bund und Ländern.


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