[image=5e1764c4785549ede64cce2f]Bundespräsident Christian Wulff hat heute um kurz nach 11 Uhr seinen Rücktritt erklärt. Die Original-Erklärung im WolfenbüttelHeute.de-PODCAST (Bitte auf die rote "PLAY"-Taste drücken).
[audio: http://wolfenbuettelheute.de/wordpress/wp-content/uploads/2012/02/CHPC-Ruecktritt-Wulff.mp3]
Wir veröffentlichen hier die Reaktionen aus der Politik in der Reihenfolge des Posteingangs:
Anja Piel, Bündnis 90/Grüne:
„Der Rücktritt des Bundespräsidenten ist nach den nicht abreißenden Enthüllungen der letzten Wochen die einzige logische Konsequenz. Ein Bundespräsident, gegen den aufgrund eines Anfangsverdachts der Vorteilsnahme ermittelt wird, ist endgültig nicht mehr tragbar. Der Rücktritt war überfällig, denn die Affären haben die Würde des Amtes lange genug belastet”, sagte Anja Piel, Landesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Niedersachsen, eben in Hannover.
Gleichzeitig erklärten die niedersächsischen Grünen, dass das politische Nachspiel mit diesem Rücktritt noch nicht beendet sei. „Auch die Landespolitik in Niedersachsen hat unter den Debatten der vergangenen Wochen gelitten. Jetzt gilt es, auch auf dem parlamentarischen Weg weiter aufzuklären und alle Fakten auf den Tisch zu bringen“, so Jan Haude, Grünen-Landesvorsitzender. „Die Vorfälle belasten nicht nur Wulff, sondern auch die aktuelle Landesregierung. Spätestens durch die Aufnahme der Ermittlungen gegen Wulff ist klar, dass die Strategie der Landes-CDU “Augen zu und durch” nicht angemessen war.“
Björn Thümler, CDU-Landtagsfraktion:
„Ich habe Respekt vor dem Rücktritt von Christian Wulff vom Amt des Bundespräsidenten. Christian Wulff war ein in der Bevölkerung sehr beliebtes und im Ausland anerkanntes Staatsoberhaupt. Er hat für Deutschland und vor allem für Niedersachsen viel geleistet. Als Bundespräsident hat er das für Deutschland bedeutende Thema der Integration in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Er hat sich im Ausland große Achtung erworben, zum Beispiel während seiner Reise nach Israel. Durch seinen engen Kontakt zum polnischen Staatspräsidenten hat Christian Wulff maßgeblich zur Vertiefung der deutsch-polnischen Freundschaft beigetragen.
Als Niedersächsischer Ministerpräsident hat Christian Wulff unser Land im bundesweiten Vergleich weit nach vorne gebracht. Ihm ist es maßgeblich zu verdanken, dass Niedersachsen heute die niedrigsten Arbeitslosenzahlen seit 20 Jahren, so viele Lehrer wie noch nie in der Geschichte unseres Landes und deutschlandweit eine der höchsten polizeilichen Aufklärungsquoten hat. Unter Christian Wulff ist erstmalig eine Frau mit Migrationshintergrund Ministerin geworden – ohne Christian Wulff würde Volkswagen heute vermutlich von Stuttgart aus gesteuert.
Ich respektiere seinen Entschluss und danke ihm für seine geleistete Arbeit.“
Stephan Weil, SPD-Landesvorsitzender:
„Ich habe den Rücktritt von Christian Wulff zur Kenntnis genommen. Politisch war er unausweichlich. Die Integrität des Bundespräsidenten ist für das Amt unverzichtbar. Diese Voraussetzung war schon länger nicht mehr gegeben.
Im Nachhinein muss es als schwerer Fehler von CDU und FDP gewertet werden, den allseits anerkannten Kandidaten Joachim Gauck abgelehnt zu haben. Die Folge ist eine Krise unseres politischen Systems. Ich habe die Hoffnung, dass sich dieser Fehler nicht wiederholt und ein Konsens über die Nachfolge möglich sein wird. Es wäre eine große Chance, erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik, eine Frau als Staatsoberhaupt zu wählen.
Auch für Niedersachsen handelt es sich um eine wichtige Entwicklung. Die Verschleierungstaktik der Landesregierung ist gescheitert. Sie wird nicht umhinkommen, die Grauzone zwischen ihrer Regierungsarbeit und wirtschaftlichen Kontakten aufzuklären. Das laut dröhnende Schweigen des Ministerpräsidenten muss jetzt ein Ende haben. Die SPD wird konsequent diese Aufklärung einfordern. Zum Beispiel beim so genannten Club 2013.“
Stefan Schostok, SPD-Landtagsfraktion:
„Wir haben heute den Rücktritt des Herrn Bundespräsidenten mit Respekt zur Kenntnis genommen. Nach den Ereignissen und Erkenntnissen der vergangenen Wochen war dieser Schritt folgerichtig. Das Verfassungsorgan Bundespräsident hat Schaden genommen. Es ist gut, dass Herr Wulff den Weg freigemacht hat, damit dieser Schaden geheilt werden kann.
Mit dem Rücktritt von Herrn Wulff ist die Aufarbeitung in Niedersachsen aber nicht abgeschlossen. Die SPD-Fraktion wird die Aufklärung des „Systems Wulff“ in ruhiger aber konsequenter Weise fortsetzen.
Wir erwarten, dass sich die Landesregierung nicht hinter den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft versteckt und Stellung bezieht. Ministerpräsident McAllister muss seiner grundsätzlichen Verantwortung für unser demokratisches Gemeinwesen gerecht werden, und erklären, welchen Beitrag er zur Bewältigung der Vertrauenskrise leisten will.
Es gilt zudem, aufzuarbeiten, welche Rolle die Landesregierung in den vergangenen Wochen gespielt hat. Die groteske Inszenierung des Januar-Plenums mit Herrn Finanzminister Möllring als Chefverteidiger ist unvergessen. Über seine Auftritte wird noch zu reden sein.
Wir halten an unserem Vorhaben fest, das Auskunftsgebaren der Landesregierung im Zusammenhang mit dem „Nord-Süd-Dialog 2009“ verfassungsrechtlich prüfen zu lassen. Die vermutlich bald anlaufenden staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Herrn Wulff haben damit nichts zu tun. Es geht uns um die Würde des Parlaments und den Respekt, den eine Landesregierung der Volksvertretung zu zollen hat.“
Kreszentia Flauger, Landtags-Linke:
„Wulff hat anscheinend endlich gemerkt, dass er als Bundespräsident nicht mehr tragbar war. Wer sich serienmäßig Vorteile organisiert und seinen Gönnern im Gegenzug ab und zu einen Gefallen tut, der disqualifiziert sich als Staatsoberhaupt. Mit seinem Rücktritt ist aber das Problem der Verfilzung von Wirtschaft und Politik nicht erledigt. Wir bleiben deshalb bei unserer Forderung nach einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, denn es sollten alle Vorgänge rund um die Landesregierung und den ehemaligen Ministerpräsidenten Wulff aufgearbeitet werden. Der ganze Sumpf aus Politik und Wirtschaft in Niedersachsen muss trockengelegt werden. Bei der Abstimmung über unseren Untersuchungsausschuss-Antrag wird sich zeigen, welche Fraktionen im Landtag eine konsequente Aufklärung wollen."
Stefan Birkner, FDP-Landesvorsitzender:
„Auch wenn selbstverständlich die Unschuldsvermutung gilt, so hat sich die Frage gestellt, ob man mit dieser Hypothek dem Amt des Bundespräsidenten noch gerecht werden kann. Diese Frage konnte nur Christian Wulff selbst beantworten und ich respektiere seine Entscheidung.“
Birkner findet es richtig, dass die Staatsanwaltschaft jetzt Klarheit schaffen wird. „Das bestätigt auch, dass die Vorwürfe der Opposition, die Justiz wäre nicht unabhängig, haltlos sind. Die Staatsanwaltschaft arbeitet ohne Ansehen der Person,“ unterstreicht der niedersächsische FDP-Vorsitzende. Dessen unbenommen bleibt Birkner zufolge die beachtliche Arbeit des Bundespräsidenten Christian Wulff. „Vor allem auf den Gebieten Integration und interreligiöser Dialog hat Christian Wulff Außerordentliches geleistet. Seine mutige und überfällige Aussage, der Islam gehöre zu Deutschland, wirkt bis heute nach. Dafür gebührt ihm Anerkennung.
Andreas Neugebauer, PIRATEN-Landesvorsitzender:
»Dieser Rücktritt war schon längst überfällig. Der Bundespräsident hat mit seinem Verhalten das Vertrauen in die Politik nachhaltig beschädigt«, betont Andreas Neugebauer, Vorsitzender der Piratenpartei Niedersachsen. »Die letzten Wochen haben gezeigt, dass Wulff nicht geeignet ist, als erster Mann im Staat zu agieren. Herrn Wulff fehlte anscheinend jedes Gefühl dafür, wann es Zeit ist zu gehen, um Schaden vom höchsten Amt im Staat abzuwenden.«
Die PIRATEN stehen für eine transparente und bürgernahe Politik und fordern schon lange, dass für Politiker die gleichen strengen Regeln gegen Bestechlichkeit gelten müssen, die sowohl von Beamten als auch für die Wirtschaft selbstverständlich eingefordert werden. Die Bürger erwarten zu Recht, dass Politiker nicht nur keine Gesetze verletzen, sondern ihre Beziehungen zur Wirtschaft so transparent gestalten, dass jeglicher Verdacht der Vorteilsnahme vermieden wird.
Außerdem fordern die PIRATEN alle politischen Akteure auf, in einem offenen Dialog Sinn und Ausgestaltung des Bundespräsidentenamtes grundsätzlich im Sinne einer Beteiligung des Volkes zu diskutieren. Nach Meinung der PIRATEN sollte das Votum der Bürger bei der Wahl ihres obersten Repräsentanten selbstverständlich sein.
»Wir fordern den Bundestag auf, sich gegen eine Zahlung von Ruhestandsbezügen an Herrn Wulff auszusprechen. Diese sind nach den gesetzlichen Bestimmungen nur bei einem Rücktritt aus politischen Gründen vorgesehen. Der Rücktritt von Herrn Wulff erfolgte aber wegen seines eigenen Fehlverhaltens. Das kann vom Steuerzahler nicht noch belohnt werden.« sagt Andreas Neugebauer.
Jörg Bode,FDP, Nds. Minister für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr:
„Man muss Respekt haben vor Christian Wulffs Entscheidung, die für ihn persönlich außerordentlich schwer gewesen sein muss. Bei allen Verdiensten, die er in seiner Zeit als Niedersächsischer Ministerpräsident zweifelsfrei für dieses Land erbracht hat, drohten die Vorgänge um seine Person zuletzt das Tagesgeschäft der aktuellen Landesregierung zu dominieren. Für Niedersachsen erhoffe ich mir von seiner Entscheidung ein Signal, insgesamt wieder zur Sachpolitik im Lande zurückkehren zu können. Ich bin mir sicher, dass die Koalitionsspitzen in Berlin nun einen guten Kandidaten für die Nachfolge präsentieren werden.“
David McAllister, CDU, Nds. Ministerpräsident:
„Der heutigen Entscheidung von Christian Wulff bekunde ich meinen vollen Respekt. Die Bilanz seiner politischen Arbeit ist beeindruckend. Als Niedersächsischer Ministerpräsident von 2003 bis 2010 hat Christian Wulff sehr viel Positives für Niedersachsen geleistet. Er hat unser Land trotz nicht einfacher Rahmenbedingungen enorm nach vorn gebracht. Diese erfolgreiche Politik setzen wir in Hannover fort. Auch im Amt des Bundespräsidenten hat er wichtige Akzente gesetzt und Denkanstösse für eine menschliche Gesellschaft gegeben. Dafür danke ich ihm sehr.“
Präses Nikolaus Schneider, EKD:
Der Antrag auf Aufhebung der Immunität schränkt die freie, unbelastete Amtsführung des Bundespräsidenten so weit ein, dass der Rücktritt von Herrn Wulff von diesem Amt folgerichtig und auch befreiend ist: Dieser für ihn sicher schmerzliche Schritt verschafft ihm die notwendige Freiheit, mit den Vorwürfen und deren Überprüfung angemessen umzugehen. Auch das Amt an der Spitze unseres Staates, in dem sich die Bürgerinnen und Bürger wiederfinden wollen, gewinnt so seine Gestaltungsmöglichkeiten zurück. Die Frage nach Schuld oder Unschuld ist mit dem Rücktritt nicht beantwortet. Dies ist die Aufgabe, die der Justiz zukommt.
Bundespräsident Christian Wulff hat sich dem wesentlichen Thema des Zusammenhalts unserer Gesellschaft mit Engagement gewidmet. Kritische Diskussionen hat er dafür in Kauf genommen. Ich danke Bundespräsident Christian Wulff für wichtige Anstöße, die er in seiner Amtszeit dazu gegeben hat: Dazu zähle ich insbesondere seine Rede zum Tag der Deutschen Einheit 2010 in Bremen, bei der er deutlich gemacht hat, dass der Islam durch die vielen Menschen muslimischen Glaubens, die heute in Deutschland leben, selbstverständlich zu unserem Land und unserer Lebenswirklichkeit gehört. Dass er gleichermaßen bei einem Staatsbesuch in der Türkei die Zugehörigkeit des Christentums zu diesem Land betont hat, war ein wichtiges Zeichen für die Christinnen und Christen in der Türkei, denen Rechte der Glaubensfreiheit nach wie vor verwehrt sind.
Ich bin dem Bundespräsidenten zudem dankbar dafür, wie er den Angehörigen der Opfer der Loveparade-Katastrophe und den damals eingesetzten Rettungskräften bei mehreren Gelegenheiten menschlich einfühlend und tröstend sehr nahe gekommen ist. Ausdruck dieser Hinwendung zu den Menschen ist auch sein Einsatz für die Angehörigen der Opfer des Rechtsterrorismus.
Das Losungswort für diesen Tag „Wohl dem, der seine Hoffnung setzt auf den Herrn“ (Psalm 40,5) gilt auch für den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff, seine Frau Bettina und deren Familie. Und es gilt auch für unser Land. Es macht nämlich deutlich, dass es in allen politischen Erwägungen und notwendigen Auseinandersetzungen eine Orientierung an Gottes Wort, an seinem Recht und seiner Gerechtigkeit gibt, die eine Wohltat für die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker und für unser Land sind.
Reaktionen zu den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen
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