Region. Mitten in der Wolfenbütteler Innenstadt, in direkter Nachbarschaft zu einer Bank und in einem historischen Gebäude untergebracht - ihr ältester Gebäudeteil stammt noch aus dem Jahre 1506 - ist die Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel untergebracht. Seit 2011 gehört die ehemals selbständige JVA Braunschweig mit ihrer Abteilung Helmstedt zur JVA Wolfenbüttel und werden nun als deren Abteilung geführt. 365 Gefangene sitzen derzeit ein und verbüßen ihre Haftstrafen. Einer der Insassen ist Christian B. - der Mann, der in Verdacht steht, etwas mit dem Verschwinden von Madeleine McCann zu tun zu haben.
Das Verschwinden der damals 3-jährigen Maddie McCann sorgte vor 13 Jahren international für Aufsehen. Das Mädchen verschwand im Jahr 2007 aus einem Hotelzimmer in Portugal. Bis heute fehlt von ihr jede Spur. Doch Ermittlungen deuten darauf hin, dass der 43-jährige Christian B. in das Verschwinden involviert ist und das Mädchen getötet haben soll. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen, während Christian B. seine Haftstrafe wegen anderer Vergehen absitzt. Wie die Staatsanwaltschaft Braunschweig auf Nachfrage mitteilt, können jedoch keine Einzelheiten zu den Ermittlungen bekanntgegeben werden. Auch ob und wann möglicherweise Anklage gegen Christian B. erhoben wird, könne nicht gesagt werden, so Erster Staatsanwalt und Pressesprecher, Christian Wolters.
Und auch die Antwort auf die Frage, ob Christian B. zu den 365 Insassen der JVA Wolfenbüttel gehört, lässt Wolters offen. Lediglich, dass der Beschuldigte derzeit in anderer Sache eine 7-jährige Gesamtfreiheitsstrafe in einer niedersächsischen JVA verbüßt, lässt Wolters durchblicken. Medienberichten zufolge soll Christian B. aber bereits im November nach Wolfenbüttel verlegt worden sein. Wie genau sich der Alltag für den 41-Jährigen im Wolfenbütteler Knast gestaltet, legt auch die JVA Wolfenbüttel auf Nachfrage nicht offen. Aus Datenschutzgründen würde man zu einzelnen Gefangenen grundsätzlich keine Auskünfte erteilen, heißt es aus der JVA. Doch Christian B. dürfte die Abläufe in der JVA Wolfenbüttel bereits kennen - denn er sitzt dort nicht zum ersten Mal ein.
Und auch wenn die JVA keine Aussagen über das Leben einzelner Insassen macht, werfen wir mal einen Blick hinter die Gefängnismauern und zeigen, wie der Verdächtige im Fall Maddie leben könnte.
Die JVA Wolfenbüttel als Hauptanstalt verfügt mit den Abteilungen in Braunschweig, Goslar und Helmstedt über 448 Haftplätze. 365 davon sind belegt, 62 von Untersuchungshaftgefangenen. Sie wurden wegen Eigentums-, Drogen- und Gewaltdelikten verurteilt und bis auf wenige Ausnahmen seien alle im Strafgesetzbuch gelisteten Straftaten dabei, lässt die JVA auf Nachfrage von regionalHeute.de wissen. Die Freiheitsstrafen reichen von wenigen Monaten bis zu vielen Jahren. Die längste Haftstrafe, die im Augenblick von einem Insassen verbüßt wird, sind 15 Jahre - sie endet voraussichtlich am 21. April 2035. Dabei, so betont es eine JVA-Sprecherin, handelt es sich um eine Freiheitsstrafe, die aus mehreren Einzelstrafen bestehe.
Die Möglichkeit eines offenen Vollzugs gibt es in der Haftanstalt Wolfenbüttel nicht, dieser ist in der Abteilung Helmstedt untergebracht. Doch gibt es im Wolfenbüttel seit dem Jahr 1999 einen Hochsicherheitsbereich. Die Sicherheitsstation bietet Platz für sechs Gefangene und ist aktuell mit vier Gefangenen belegt, gibt die JVA bekannt. Die Unterbringung erfolge ausschließlich einzeln - das heißt, es wird eine strikte Trennung von anderen Gefangenen vorgenommen. "Die Unterbringung in der Sicherheitsstation ist immer zeitlich befristet, die Notwendigkeit der Unterbringung wird regelmäßig in kurzen Zeitabständen überprüft", so die Sprecherin.
Arbeiten hinter Gittern
Die Insassen der JVA haben verschiedene Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Die Gefangenen können an Sportgruppen teilnehmen, an Veranstaltungen der Seelsorger, der Suchtberatung oder sie können sich mit anderen Gefangenen zum Gespräch, Kochen, Kickern, Dart- oder Billard-Spielen treffen. Die Freizeit beginnt werktags nach dem Aufenthalt im Freien um 16.30 Uhr und endet um 20.15 Uhr mit dem Nachteinschluss. Doch auch arbeiten gehört zum Knast-Alltag. So befindet sich in der JVA Wolfenbüttel die landeseigene Druckerei. Hier werden jedes Jahr etwa 2,5 bis 3 Millionen Akten und Vordrucke für die Justiz und auch andere Landesbehörden hergestellt. Darüber hinaus werden Arbeiten für externe Unternehmer ausgeführt. Auch schulische- und berufliche Ausbildungsmaßnahmen werden angeboten. In der Arbeitstherapie werden Gefangene, die lange nicht gearbeitet haben, wieder an die Arbeit herangeführt. Strafgefangene sind im Gegensatz zu Untersuchungshaftgefangenen gesetzlich zur Arbeit verpflichtet. Die Beschäftigungsquote liegt zwischen 70 und 75 Prozent des Gefangenenbestandes. Der durchschnittliche Tagesverdienst eines Gefangenen betrug im Jahr 2020 13,27 Euro. Vom Tagesverdienst wird ein Teil des Geldes angespart und als Überbrückungsgeld bei der Entlassung ausgezahlt. Über das restliche Hausgeld kann der Gefangene frei verfügen. Der Besitz von Bargeld ist allerdings nicht gestattet.
Knast und Corona
In den 448 Haftplätzen der JVA sind auch 50 Haftplätze enthalten, die im Rahmen der Pandemieprophylaxe als Zugangstrennung nur eingeschränkt genutzt werden können. Neu in den Vollzug aufgenommene Gefangenen werden medizinisch untersucht, auf COVID 19 getestet und in den ersten 14 Tagen von anderen Gefangenen getrennt. Dadurch soll verhindert werden, dass das Virus in die JVA gelangt", sagt die Gefängnissprecherin.
Geschichtsträchtiger Ort
Eine weitere Besonderheit - neben der Tatsache, dass Gefängnis und Bank quasi aneinandergrenzen - ist, dass die Justizvollzugsanstalt nicht nur ein Ort der Buße ist, sondern auch ein Ort des Erinnerns. Die Justizvollzugsanstalt beherbergt heute - als Teil der Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten – eine Gedenkstätte, die an das dunkelste Kapitel in ihrer Geschichte erinnert. Denn zwischen Oktober 1937 und März 1945 wurden über 700 Menschen von der NS-Justiz zum Tode verurteilt und mit der Guillotine oder dem Strang im Strafgefängnis Wolfenbüttel hingerichtet. Die Opfer waren unter anderem deutsche Zivilisten, die im Widerspruch zum Regime des Nationalsozialismus standen, Wehrmachtsangehörige, ausländische Zwangsarbeiter, Straf- und Kriegsgefangene sowie über 70 Männer und Frauen aus dem westeuropäischen Widerstand, Sinti, Roma und Juden.
mehr News aus der Region